Donnerstag, Dezember 26, 2024
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Asgard – Heim der Asen

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Bild / Pixabay

Asgard ist sowohl nach der Edda des Snorri Sturluson als auch nach der Lieder-Edda der Wohnort des Göttergeschlechts der Asen. Über die Regenbogenbrücke Bifröst ist Asgard mit Midgard verbunden.

Asgard wird in den Grimnismál, dem zweiten Götterlied der Lieder-Edda, als riesige Burg beschrieben. Diese besteht aus den zwölf Palästen der Götter und ist von unbezwingbaren Mauern umgeben. Die zwölf Himmelsburgen bestehen aus Gold und Edelsteinen, die Gitter der Paläste aus goldenen Speeren; Wände und Fußböden sind goldgetäfelt, an den Decken hängen die strahlenden Schilde der Helden. Als größte Säle werden Walhall und Sessrumnir genannt, in denen sich die Helden nach ihrem Tod versammeln. Von seinem Thron Hlidskialf aus kann der Hauptgott Odin alle neun Welten überblicken.

Das Göttergeschlecht der Wanen lebt hingegen in Vanaheimr, was in den meisten Darstellungen zwar ebenfalls Teil des „Himmels“ ist, aber außerhalb Asgards liegt, ebenso Álfheimr, die Heimat der Alben. Selten wird Asgard auch als Teil Midgards dargestellt.

Die Lage Asgards nach Snorri Sturluson

Nach Snorri Sturluson lag Asgard im Land östlich des Tanais (Don), wo auch historisch belegt die As (Alanen/Osseten) lebten – und Vanaheimr lag zwischen zwei Armen des Tanais.

„Im Norden von den Gebirgen, welche das ganze bewohnte Land umgeben, fällt ein Strom durch Swithjod, der mit Recht Tanais heißt; er hieß vormals Tanaquisl oder Wanaquisl; er strömt aus in das schwarze Meer. Das Land zwischen den Armen des Wanaquisl hieß damals Wanaland oder Wanaheim; der Strom sondert die drei Erdtheile; der nach Osten heißt Asia, der nach Westen aber Europa. Das Land im Osten vom Tanaquisl in Asia hieß Asaland oder Asaheim; die Hauptburg aber, die im Lande war, nannten sie Asgard.“ (Heimskringla)

Erbauung Asgards

Asgards Mauern ließen die Götter von einem Steinmetz errichten, der als Belohnung die Göttin Freya zur Gattin sowie Sonne und Mond erhalten sollte. Auf Anraten Lokis setzten die Götter ihm eine Frist. Er sollte den gesamten Bau in nur sechs Monaten, ohne jegliche Hilfe, fertigstellen. Der Reifriese akzeptierte die Bedingungen, bestand aber darauf, sein Pferd Svadilfari einsetzen zu dürfen. Zuerst unsicher, doch durch Loki bestärkt, dass auch ein Pferd dem Baumeister nicht helfen könne, das Werk zeitig zu vollenden, akzeptierten die Götter die Bedingungen. Zum Entsetzen der Götter schien es jedoch, dass der Baumeister seinen Teil des Handels einhalten könne – drei Tage vor dem Ende der Frist fehlte nur noch ein Torbogen. Das Pferd Svadilfari schaffte in der Nacht mächtige Steine heran. Daraufhin verwandelte sich Loki in eine Stute, verführte den Hengst Svadilfari und hielt ihn so von der Arbeit ab. Dadurch wurde die Frist nicht eingehalten. Loki gebar als Stute Odins Hengst Sleipnir. Wütend über die List der Götter gab sich der Baumeister als Hrimthurse zu erkennen, die mit den Göttern verfeindet waren, und wurde von Thor mit seinem Hammer Mjöllnir erschlagen.

Die zwölf Paläste Asgards

Die Reihenfolge folgt der Aufzählung des Lieds Grimnismál (Strophe 4–17).

  1. Bilskirnir, der Palast Thors in Thrúdheim, der vielleicht nicht zu Asgard gehört
  2. Ydalir (Eibental), der Palast Ullers
  3. Valaskjalf, der Palast Walis mit Odins Thron Hlidskialf, der eventuell Walhall entspricht
  4. Sökkwabeck (gesunkene Bank, Schatzbank?), der Palast Sagas
  5. Gladsheim (Froh- oder Glanzheim), der Palast Odins mit dem Saal der seligen Helden Walhall
  6. Thrymheim (Donnerheim), der Palast Skadis
  7. Breidablik (Breit- oder Weitglanz), der Palast Balders
  8. Himinbjörg (Himmelsburg), der Palast Heimdalls
  9. Folkwang (Volksfeld), der Palast Freyjas mit dem Saal Sessrumnir
  10. Glitnir (der Glänzende), der Palast Forsetis
  11. Nóatún (Schiffsstadt, Schiffsplatz), der Palast Njörðrs
  12. Landwidi (Landweite), der Palast Vidars
Die Zerstörung Asgards durch den Weltenbrand, eine Szene aus der letzten Phase von Ragnarök (Zeichnung von Emil Doepler, 1905)

Weitere Orte

Andere wichtige Gebäude und Orte in Asgard sind:

  • Fensalir, der Palast Friggs
  • Vingólf, die Versammlungshalle der Asengöttinnen
  • Idafeld, eine Schmiedewerkstatt sowie Versammlungs- und Richtplatz der Asen
  • Bifröst, die Regenbogenbrücke zwischen Asgard und Midgard
  • Hlidskialf, der Hochsitz Odins

Zerstörung

Laut der Mythologie wird Asgard beim Ragnarök, der Götterschlacht, durch Surt in Brand gesteckt und zerstört.

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Die Drachenschiffe – Wikingerschiffbau

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Wikimedia Commons / Public Domain

Der Wikingerschiffbau ist durch Quellen belegt und auch archäologisch gut dokumentiert. Funde wie das Gokstad-Schiff, das Tuneschiff, das Oseberg-Schiff und der Schiffsfriedhof von Skuldelev geben Aufschluss, wie damalige Schiffe vermutlich aussahen und wie ihr Bauprinzip war. Der Bau von Segelschiffen ab dem 6.–8. Jahrhundert n. Chr. gilt als Höhepunkt der Geschichte des Wikingerschiffbaus. In Island und auf den Färöern wurden keine solchen Schiffe gebaut, Reparaturen konnten dort aber ausgeführt werden.  

Schriftliche Quellen zum Schiffbau

Wikingerschiffe wurden entweder unter freiem Himmel oder unter einem Schirmdach („hróf“) gebaut. Die Kriegsschiffe wurden nach der Vollendung sofort geteert und zum Trocknen in einen Schuppen (Naust) gebracht. Man hatte, um unter dem Schiff arbeiten zu können, ein Balkengerüst. In der Heimskringla berichtet Snorri Sturluson, dass er noch das Gerüst gesehen hat, auf dem Ormurin langi, das Langschiff von König Olav Tryggvason gebaut worden sei.

Nachbau im Wikingerschiffsmuseum Roskilde. Stefan Kühn, Nachbau Wikingerschiff Roskilde, CC BY-SA 3.0

Nach dem Gulathingslov 306, dem Landslov III, 2 und dem Bylov III, 2 waren die Zuständigkeiten im Schiffbau aufgeteilt. Einen gewissen Aufschluss über den Bau und die Arbeitsteilung gibt das Gulathingslov:

„§ 306: Nun wird das Schiff vom Alter heimgesucht, und sie sollen ein anderes bauen. Da sollen sie es dort bauen, wo sie es gebaut haben wollen, und weder Acker noch Wiese beschädigen. Nun soll des Königs Land dazu genommen werden, wenn es vorhanden ist. Ist es nun nicht vorhanden, so soll man eine Stelle in der Mark eines jeden nehmen, der dazu bereit ist. Und wenn man mehrere Schiffe bauen soll, da soll man nicht die Mark eines (einzigen) Mannes beschädigen. Nun verteilen sie den Baubedarf untereinander. Die, welche erlosen, den Kiel oder die Steven zu stellen, die mittlere Beplankung oder die Stevenplanken, sie bezahlen eine Mark, wenn eines fehlt. Oberbordstück am Vordersteven und das zugehörige Spant, für jedes Holz, das da fehlt, da soll man büßen mit drei Öre und das Holz heranschaffen, auch wenn es später sei. Drei Öre sind festgesetzt für jedes Innenholz, das quer über das Schiff geht. Ein Öre für jeden Balken, doch auch ein Öre, wenn nur eine Klaue fehlt. Drei Öre für den Mast und ebenso für die Ra und ebenso für alle Langhölzer, wenn sie im Innern des Schiffes liegen. Nun soll es einen Öre gelten für jede Bordplanke, die man haben muss, doch auch einen Öre, wenn nur eine Elle fehlt.; und man soll das Stück liefern, wenn es auch später sei. Ein Öre für jeden Nagel und Beschlagknopf. Ein Öre für jeden Eimer Teer. Ein Öre für jede Plankenabdichtung („siðrauðr“, nach Fritzner nur an dieser Stelle verwendet und nicht bekannt) und auch ein Öre, wenn nur eine Elle fehlt. Ein Öre für jede (nicht gelieferte) Mahlzeit (der Bauleute). Ein Öre für jeden Pfennig, den die Bauleute verdienen sollen. Nun soll man alle Schiffbauer anfordern, die innerhalb des Viertels sind, bis es genug sind. Jeder Stevenbauer ist straffällig mit sechs Mark, wenn er sich dem entzieht, die Arbeit zu übernehmen. Nun haben sie den Kiel auf das Gebälk der Unterlage gelegt und den Bau begonnen. Wenn da einer von ihnen fortläuft von dem Bau: Läuft ein Stevenbauer oder ein Bordbauer davon, da ist der Stevenbauer oder der Bordbauer friedlos, weil er dem König die Landesverteidigung schädigt. Nun sollen die Bauleute ihr Geld verdienen: Der Stevenbauer zwei Öre zu sechs Ellen an den Werktagen zwischen den Sonntagen und der Bordbauer 1 Öre. …“

– Das Rechtsbuch des Gulathings. Übs. von Rudolf Meißner. Weimar 1935.

Aufschlussreich ist nach § 301:

„Nun löst man das Schiff von den Landfesten und ein Mann nimmt seine Halbbank nicht ein, da soll man seinen Riemen aufrichten und eine Buße von drei Mark ihm zu Handen feststellen. Eine Witwe soll ihren Anteil des Proviants und alle Ausrüstung zum Schiff bringen und dem Schiffsführer anbieten, wenn sie keinen Mann für sich an der Riemenschlinge hat. Nun sind sie nicht startklar, wenn auf einem Zwanzigsitzer (vierzig Ruderer) fünf Plätze oder mehr unbesetzt sind. Nun soll der Landherr oder Amtswalter, der das Landesachtel zu betreuen hat, die fünf Riemenschlingen besetzen und nicht weniger. Nun sollen sie ihre Mannschaft anderen Schiffen anbieten, wenn sie nicht seeklar werden. Wenn diese sie nicht übernehmen, da sind sie straffrei, wenn sie zu Hause bleiben, und sie sollen dann den Proviant dem Amtswalter übergeben, für den König aufzubewahren. Wenn sie heimkommen und Anspruch auf Mannschaftsgestellung erheben und sie nicht bekommen, da sollen sie vom Kiel abschlagen und ihr Schiff verkürzen, wie sie Mannschaft dafür haben. Aber sie dürfen es nicht kürzer machen, als dass man es noch nach den Ruderbänken benennen kann. Wenn es weniger sind, als dass sie einen Dreizehnsitzer bemannen können, da sollen die auf das Thing fahren und sich zur Aufrechnung anbieten mit anderen Männern. …“

– Das Rechtsbuch des Gulathings

Aus diesen Vorschriften lässt sich entnehmen, dass es offenbar für bestimmte Baumaßnahmen Spezialisten gab, auf die man nicht verzichten konnte, wie die Strafandrohung bei Verweigerung zeigt. Weiterhin konnte ohne Gefahr für die Stabilität des Schiffes der Rumpf nachträglich verkürzt werden. Schiffe für den Kampfeinsatz durften nicht kürzer als 13 Ruderbänke sein. Aus der Zahl der fünf fehlenden Ruderer kann nichts über die Gesamtzahl geschlossen werden; denn auch bei doppelter Besetzung zur Ablösung führte das Fehlen der Ablösung für fünf Ruderer dazu, dass das Schiff nicht auslaufen konnte.

Die Schiffbauer (skipasmiðir) waren in stafnasmiðr (Kielbauer) und filungar (für die Schiffswandung) eingeteilt, und bei großen Drachenschiffen wurde noch ein höfuðsmiðr (Bauleiter) eingesetzt. Der stafnasmiðr bekam doppelt so viel wie die filungar. Außerdem werden bei der Beschreibung des Baus des Ormurin langi weitere Helfer erwähnt, die aber offenbar nicht alle Handwerker waren, sondern zum Teil nur Zulieferer: Solche, die den Stamm für den Kiel lieferten, solche die Hölzer bearbeiteten (Zimmerleute), einige schmiedeten Nägel, wieder andere schafften das Bauholz herbei.

Konstruktion

Man arbeitete ohne Säge, nur mit Äxten und Beilen, Dechsel, Zieheisen und Löffelbohrer, Hammer und Amboss, Zange, Feile und Hobel: Als Baumaterial wurden vornehmlich Eiche und Kiefer verwendet. Die Stämme wurden in frischem Zustand radial gespalten. Dabei halbierte man sie so lange, bis man viele dünne und dennoch stabile Bretter von gleicher Länge mit keilförmigem Querschnitt erhielt. Diese Bretter wurden dann mit einer Bartaxt geglättet und in die richtige Form gehauen. Aus einem Stamm von 1 m Durchmesser ließen sich auf diese Weise 16 Planken von je 25 cm Breite herstellen, in Skuldelev sogar 30 Planken. Dieses Verfahren sorgte dafür, dass sich die in Wuchsrichtung gearbeiteten Planken nicht so schnell verzogen oder splitterten. Für die gebogenen Teile, wie Bodenwrangen oder Bitenkniee, wurden passend gekrümmte Äste ausgewählt.

Kiel mit der angesetzten untersten Planke. Zwei Arten der Ausführung; darunter: Verbindung zwischen Kiel und Steven. Zeichnung Bickel. Fingalo, Kiel, CC BY 2.0 DE

Dies trifft auf jeden Fall für den Kiel zu. Noch 1263 wurde ein Schiff vollständig aus Eiche hergestellt. Dichterische Umschreibungen für „Schiff“ sprechen auch von Föhrenholz, Lindenholz, Buchenholz, Birkenholz, Bergahorn und Eschenholz verwendet. Das bedeutet aber nicht, dass das ganze Schiff aus dem gleichen Holz gebaut wurde. Unter Wasser konnte anderes Holz verwendet werden als oberhalb der Wasserlinie oder im Schiffsinneren.

Beim eigentlichen Bau des Schiffes wurde mit der Außenhaut des Schiffes begonnen, bevor das innere Gerüst eingebaut wurde. Diese Bauweise nennt man Schalenbau. Zuerst wurde der Kiel aus einem besonders langen Eichenstamm gefertigt und mit den beiden geschwungenen Steven durch Eisennieten verbunden. Diese Konstruktion wurde mithilfe von Stämmen in eine stehende Position gebracht. Die Steven waren sehr hoch und oft mit Schnitzereien versehen. Die Steven waren so wertvoll, dass sie oft von einem alten Schiff auf ein neues übernommen wurden. Oft war der Steven aus mehreren Stücken zusammengesetzt, dem unteren Teil „undirhlutr“, den darauf sitzenden Teil „barð“, der bis über die Wasserlinie reichte, und darauf das Topstück „stál“, auf dem der Stevenkopf (z.B. Drachenkopf) ruhte.

In der zweiten Phase wurden die ersten Plankengänge angebracht. Wichtigstes Charakteristikum der wikingischen Bauweise ist der sogenannte Klinkerbau. Dabei wurden die einzelnen Plankengänge sich gegenseitig überlappend angebracht, vergleichbar mit Dachziegeln. Die jeweiligen Planken wurden dabei im wikingischen Skandinavien vornehmlich mithilfe von Eisennieten verbunden. Diese wurden durch die Planken geschlagen, auf der anderen Seite mit einer Unterlegscheibe versehen und darüber plattgehämmert. Die Kalfaterung, also die Abdichtung der Zwischenräume, bestand dabei aus geteertem Tierhaar. Neben dieser Hauptform war z.B. im südlichen Baltikum und in England auch eine Beplankung mit Holznägeln und Moos bekannt. So wurde Plankengang für Plankengang übereinander gesetzt und miteinander verbunden. Die Planken wurden auf zwei Arten am Kiel befestigt. Vorn und hinten wurden sie wie auf dem oberen Bild rechts befestigt, in der Mitte wie auf dem Bild links. Die Planken waren allgemein sehr dünn gefertigt, mit der dicksten Planke an der Wasserlinie. Bei diesem Vorgang konnten Steine als Gewichte und Klammern an den kritischen Punkten helfen, die Planken in die richtige Form zu bekommen, bevor sie fixiert wurden. Die nötige Kurvatur der Plankengänge wurde durch verschiedene schiffbautechnische Methoden eingehalten. Der Kiel wurde oft durch eine darunter genagelte Bohle verstärkt und vor Beschädigungen beim Hochziehen aufs Land geschützt.

Nachdem der fünfte Plankengang angebracht worden war, begann die dritte Phase des Schiffbaus. Nun wurden die Bodenwrangen eingesetzt, um der Konstruktion Halt zu geben. Bei den Bodenwrangen handelt es sich um gebogene Hölzer, welche mit Holznägeln (z.B. aus Weide) mit dem 2. und dem 4. Plankengang verbunden wurden. Um die anbrandenden Wellen besser abfedern zu können, wurden die Bodenwrangen dabei nicht mit dem Kiel verbunden. So konnten sich Kiel und Spanten bei den elastischen Bewegungen des Schiffes voneinander unabhängig bewegen. In diesem Arbeitsschritt wurde auch das Kielschwein, ein besonders massives Stück Holz zur Unterstützung des Mastes, im Schiffsrumpf eingebaut.

Im vierten Schritt wurde weiter aufgeplankt und die Innenkonstruktion weiter ausgebaut. An der inneren Seite der Planken wurde ein sogenannter Stringer eingefügt, welcher als Auflager für die Biten diente und die Außenhaut zusätzlich stützte. Bei den Biten handelt es sich um die Querhölzer des Schiffes. Diese wurden mit gekrümmten Hölzern, den Bitenknien, an den Planken befestigt. Nach unten hin wurden die Biten mit Stützhölzern, den Snellen, versehen, um die Konstruktion zu stabilisieren. Die Konstruktion war dabei nicht starr und unbeweglich, sondern leicht und elastisch, da die Biten nicht an die Planken genagelt wurden. Sie wurden vielmehr lose mit ihnen verbunden. Bei älteren Beispielen (Oseberg und Gokstad) wurden sie mithilfe von Seilen festgezurrt. So ließ man bei der Herstellung der Seitenplanken auf der Innenseite dort Knaggen stehen, wo später die Biten aufliegen sollten. Sowohl durch Knaggen, als auch durch Biten wurden Löcher gebohrt. Durch diese wurden dann Schnüre gezogen und festgezurrt. Bei jüngeren Beispielen (z.B. den Skuldelev-Wracks) wurden die Bitenknie in dafür vorgesehene Aussparungen gesteckt und so in Position gehalten.

In der letzten Phase wurden weitere Stringer eingefügt, der Bordgang eingezogen und das Ruder angebracht. Auch Segel, Takelage und die weitere Ausrüstung des Schiffes wurden nun angebracht.

Am Ende wurde die ganze Schiffswand mit einer schützenden Schicht aus Teer, Öl und in manchen Fällen Ocker überzogen. Diese Teerung wurde jeden Herbst wiederholt. In der Sverris saga wird berichtet, dass die Männer König Sverres in der Schlacht bei Fimreite diesen zurückrissen, als er den Steven seines Schiffes anfassen wollte. Denn der Teer war noch nicht trocken. Die Schiffe wurden oberhalb der Wasserlinie oft bemalt. Allerdings ist das Ausmaß der Bemalung nicht sicher rekonstruierbar.

An die dickste Plankenreihe („meginhúfr“) in der Wasserlinie setzten die obersten Teile der Spanten und die Knie an. In den Schiffen von Oseberg und Gokstad ist es die 10. Reihe vom Kiel. Am Steven setzt sich diese Reihe im brandr fort. Die Riemenöffnungen befinden sich im Róðrarhúfr, beim Oseberg-Schiff die oberste Planke, beim Gokstad-Schiff die dritte Planke von oben, die die zweitdickste Planke ist. Die oberste Planke heißt „Rim“, und die oft zu findende Benennung „skjaldrim“ deutet darauf hin, dass an dieser Reihe auch die Schilde aufgehängt wurden, wie dies beim Oseberg-Schiff zu sehen ist. Es waren zwei Schilde pro Ruderloch und sie überlappten sich zur Hälfte. Sie waren oft mit wechselnden Farben bemalt. Das Gokstad-Schiff hatte also 32 Schilde auf jeder Seite, da sich ja zwei Rudermannschaften ablösten. Wenn das Schiff segelte, wurden diese Öffnungen mit runden Scheiben verschlossen, wie sie sich im Hafen von Haithabu gefunden haben. Die Schiffswandung wurde oft durch Eisenbänder oder Eisenklammern verstärkt. An dem Schiffswrack Skuldelev 5 sind solche Schildaufhängungen in Form einer Leiste nachweisbar.

Vom graden Teil der Bordwand zum Steven hinaus wurde eine schön geschnitzte Buchenbohle angesetzt, der „brandr“. Diese brandar waren sehr kostbar. Als die Ribbunge (eine Bürgerkriegspartei in Norwegen) ihre Schiffe nicht retten konnten, hackten sie diese ab und nahmen sie mit. Þórir Skeggjason brachte die brandar seines Knorr über der Haustür an. Sie waren oft vergoldet. Sie scheinen nur bei größeren Schiffen angebracht worden zu sein.

Das Tune-Schiff um das Jahr 900. Foto John Erling Blad. John Erling Blad, Tunebåten, front, CC BY-SA 2.5

Auf den Decksbalken lagen die Dielen des Decks. Auf großen Fahrzeugen war darunter Stauraum für Ausrüstung, Ladung und persönliche Habe der Mannschaft. Die Handelsschiffe der späten Wikingerzeit hatten kein durchgehendes Deck, sondern in der Mitte einen offenen Lastraum. Dort befanden sich dann Fracht und mitgeführte Tiere, wie z.B. Pferde. Das Vorderdeck war mit dem Hinterdeck durch Gänge an der Bordwand und mittschiffs zum Mast verbunden. Auf dem vorderen und hinteren Teil des Schiffes befand sich noch ein erhöhtes Halbdeck. Das hintere hieß „lypting“ und war der Platz des Schiffsführers. Der Abstand zwischen den Spanten betrug höchstens einen Meter, der Zwischenraum, genannt „Fach“ („rúm“), reichte für jeweils einen Mann mit seinem Riemen. Bei Handelsschiffen waren es nur wenige Riemenpaare, bei Kriegsschiffen war für jedes Fach ein Paar vorgesehen. Feste Sitzeinrichtungen gab es nicht, man nimmt an, dass die Schiffer auf Seekisten saßen, in denen sie ihre Habe verstauten.

Am Vorder- und Hinterteil des Schiffes befanden sich auf jeder Seite ein gegabelter Spant („kraptar“), der über die Schiffswand hinausragte und für die Taue beim Festmachen des Schiffes gedacht war.

Auf dem oben genannten „stál“ saß bei den Kampfschiffen der Drachenkopf, in der Regel sowohl am Bug als auch am Heck. Das galt auch für die zum Kampf benutzten Knorr. Wahrscheinlich war der Vordersteven mit mehreren Drachenköpfen ausgestattet; denn selbst bei einem Schiff, das achtern keinen Drachenkopf hatte, wird der Plural „drekahöfuðum“ (Drachenköpfe) verwendet. Die Drachenköpfe waren allerdings eher selten und offenbar nur dem Heerkönig oder Anführer vorbehalten. Es wurden auch Stier- und Bisonköpfe aufgesetzt. In heidnischer Zeit sind wahrscheinlich auch Götterbilder verwendet worden. Der Kopf war abnehmbar und steckte wahrscheinlich mit einem Zapfen in einem Loch im Steven. Er war in der Regel vergoldet. Über dem Kopf befand sich ein vergoldeter Wetterhahn. Auch er war abnehmbar. Im Kriegsfalle war dort auch das Kriegsbanner angebracht. Von der „Maríusúð“ des Königs Sverrir wird überliefert, dass vorn und hinten Reliquien eingelegt waren. Der bei der Seeschlacht von Svolder siegreiche Jarl Erik hatte am Vordersteven ein Thorsbildnis, das er nach der Schlacht durch ein Kreuz ersetzt haben soll. Diese durchaus zweifelhafte Information zeigt, dass dem Verfasser dieser Begebenheit die magische Bedeutung der Stevenzier bewusst war.

Schiffsräume

Die Ruderbänke teilten das Schiff in Abteilungen („rúm“) ein, nach deren Zahl und Größe das Schiff klassifiziert wurde. Jeder Ruderbank war ein Deckbalken und ein Spant zugeordnet. Unter Deck entsprach dies einer gleichen Anzahl rúm, die als Aufbewahrungsort oder Schlafstelle benutzt wurden. Jedes rúm zerfiel in zwei halfrými mit je einer halfrýmikista. Das kleinste Langschiff war die þrettánsessa mit 13 rúm, während das Drachenschiff des Königs Knut 60 rúm hatte. In einigen Schlachtenschilderungen werden mit rúm auch Hauptabteilungen des Schiffes bezeichnet. So hatte Ormurin langi in jedem Halbraum acht Mann, im „fyrirrúm“ waren aber 30 Mann. Im Drachenschiff des Königs Håkon Håkonsson lagen in jedem rúm vier Mann, im fyrirrúm werden aber acht Mann namentlich genannt, dazu vier Priester und einige Kleriker und andere Leute. Bei den Langschiffen werden folgende Abteilungen, die wohl durch die Hauptdecksbalken abgegrenzt waren, erwähnt:

  • Lypting: Ein erhöhtes Deck am Heck, eine Schanze, wo sich der Häuptling mit seinen Mannen aufhielt und der Rudergast seinen Sitz hatte.
  • Fyrirrúm: Der Raum vor diesem erhöhten Deck. Hier stand die Kiste mit den Waffen. Hier hielten sich in der Schlacht die vornehmsten Männer auf. Die Lage ist aber unsicher. Es wird auch diskutiert, dass der Raum bei einigen Schiffen im Vorderschiff gelegen habe und dass es zwei Räume dieser Bezeichnung sowohl im Hinterschiff als auch im Vorderschiff gewesen seien.
  • Krapparúm: Der zweite Raum vor der lypting. Es war wohl der größte Raum des Schiffes, in dessen Mitte der Mast stand. Dort hielt sich die gemeine Mannschaft auf. In der Schlacht waren dort auch die Ruderer.
  • Austrrúm: Davon gab es zwei, einen im Vorderschiff und einer achtern. Es waren die Räume, in denen das Lenzen des Schiffes erfolgte. Sie werden beiderseits des krapparúm vermutet. Sie waren wohl ganz klein, da sie nie als Aufenthaltsort genannt werden.
  • Stafn: Dies war ein kleiner Platz am Vordersteven, ein etwas erhöhtes Deck, wo sich die stafnbúar aufhielten: Der Ausguck, der Bannerträger und der stallari (Stallmeister).
  • Söx: Es handelt sich wohl um eine Art Vorschanze zwischen Austrrúm und Stafn. Bei den Drachenschiffen nannte man diesen Platz rausn.
Die Raumaufteilung bei einem Lastschiff. anonym, Modell Knorr, CC BY-SA 3.0

Kriegsschiffe hatten manchmal eine besondere Verschanzung und sogar ein Kastell.

„En fyrir þá sök að skipið var borðmikið svo sem borg væri en fjöldi manns á og valið hið besta lið, vopnað og sem örugglegast, þá varð skipið ekki auðsótt.“
„Aber da das Schiff oben eine mächtige Verschanzung hatte und ein Kastell und eine Menge Männer an Bord waren und diese eine auserlesene Schar bildeten, bewaffnet und sehr unerschrocken, da war das Schiff nicht leicht zu schwächen.“

– Heimskringla. Ólafs saga helga. Kap. 150.

Bei den Handelsschiffen gab es diese Einteilung nicht. Da gab es nur den großen Laderaum und einige kleinere Räume vorn und hinten. Das Gleiche gilt für kleinere Boote, die ebenfalls eine vereinfachte Einteilung hatten.

Steuer

Das Steuer war an der rechten Seite des Schiffes befestigt, weshalb diese Seite „Steuerbord“ genannt wurde. Der Rudergast saß davor quer zur Schiffsachse mit dem Rücken zur linken Seite des Schiffes, dem „Backbord“. Das erste sichere Beispiel eines Steuerruders am Heck eines Drachenschiffes ist auf dem Siegel der Stadt Bergen vom Jahre 1299 zu sehen. Ein späteres Siegel aus dem Jahre 1329 zeigt aber wieder die frühere Befestigung. Durch das Ruderblatt war ein Loch gebohrt, durch das eine bewegliche Achse (Weidenstrang, Tau) gesteckt war. Diese ging dann durch einen Kegel, der an der Außenwand des Schiffes angebracht war und das Ruderblatt vom Schiffsrumpf abhielt. Anschließend ging die Achse durch eine verdickte Planke und wurde innen an einem Spant befestigt. Oben am Steuerruder befand sich ein viereckiges Loch, durch das die Ruderpinne gesteckt wurde. Manchmal war am Ende der Pinne noch ein Stab rechtwinklig angebracht. Um den Ruderhals war noch ein Seil geschlungen, das durch die Bordwand hindurch innen befestigt war und das Ruder senkrecht im Wasser hielt. Beim Gokstad-Schiff war das Steuer 3,30 m lang und 42  cm breit. Da das Steuer tief unter den Kiel reichte, musste das Seil losgebunden werden, wenn man in flache Gewässer einfuhr beziehungsweise wenn man das Schiff treiben ließ oder vor Anker lag.

Befestigung des Ruders beim Gokstad-Schiff. Zeichnung Bickel. Fingalo, Ruderbefestigung, CC BY 2.0 DE

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Draugr – Die Untoten Wikinger, Wächter der Grabhügel

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Ein Draugr ist im skandinavischen Volksglauben ein Toter, der in seinem Grabhügel weiter„lebt“ und für die Menschen seiner Umgebung eine große Bedrohung darstellt. Draugar waren in den isländischen Sagas ein beliebter literarischer Gegenstand.

Der skandinavische Volksglaube geht auf eine wesentlich ältere Vorstellung zurück, wonach ein Toter in seinem Körper mit voller Lebenskraft weiterexistiert. Diese Vorstellung hat nichts mit dem Glauben an eine Seele zu tun.

In der Sagaliteratur werden Draugar wie folgt beschrieben: Ihr Aussehen richtet sich nach der Art des Todes. So erscheinen Ertrunkene triefend nass oder im Kampf Gefallene blutverschmiert mit klaffenden Wunden. Sie haben übermenschliche Kräfte und magische Fähigkeiten: sie können die Zukunft vorhersagen und sich in Tiergestalt verwandeln. Oft werden sie als Wächter der Grabbeigaben beschrieben. Kennt man die richtige Beschwörungsformel, kann man sie sich auch dienstbar machen. Ihr Aktionsradius beschränkt sich auf ihren Grabhügel, jedoch vermögen sie sich unter Umständen auch durch Erde und Fels so zu bewegen, dass sie anderswo erscheinen können. Daneben gibt es aber auch Erzählungen von solchen, die nachts ihren Hügel verlassen, um wütend auf den Firstbalken der Dächer zu reiten und auf andere Weise Angst und Schrecken zu verbreiten. Mit normalen Waffen, heißt es manchmal, kann man sie nicht verwunden. Will man sie endgültig auslöschen, muss man ihnen nach gängiger Vorstellung den Kopf vom Rumpf trennen, ihn dann zum Gesäß legen und dann den ganzen Körper verbrennen.

Auch im Glauben, dass das Feuer einen Untoten endgültig vernichten könne, tritt anscheinend ein alter Zug dieser Vorstellungen zu Tage.

Die mittelalterlichen Skandinavier fühlten sich offenbar von diesen Draugar bedroht. Darauf deuten zahlreiche Runeninschriften mit Abwehrzaubern auf Amuletten hin. Auch wurden Inschriften auf Grabplatten gefunden, die dem Toten befahlen, in seinem Grab zu bleiben. Die Inschrift war dabei dem Toten zugewandt. Auch die Häufigkeit, mit der das Thema vor allem in isländischen Sagas aufgegriffen wurde, bezeugt seine Bedeutung.

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Die Jomswikinger, ein Söldnerbund

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Die Jomswikinger waren ein legendärer wikingischer Söldnerbund im Bereich der südlichen (evtl. der heute zu Polen gehörenden) Ostseeküste. Die altnordische Jómsvíkinga saga berichtet von Aufstieg und Fall des gefürchteten Männerbundes mit strengem Reglement.

Svolder, by Otto Sinding
Die Seeschlacht von Svold, bei der die Jomswikinger mit Dänemark gegen Norwegen kämpften. Gemälde von Otto Sinding.
„Kein Mann sollte hier aufgenommen werden, der älter wäre als fünfzig, und kein jüngerer als achtzehn Jahre. Dazwischen sollten alle sein. Blutsverwandtschaft sollte keine ausgleichende Rolle spielen, wenn Männer aufgenommen werden wollten, die nicht den Gesetzen entsprachen. Kein Mann sollte vor einem gleich streitbaren und gleich gerüsteten fliehen. Jeder sollte den andern rächen wie seinen Bruder. Keiner sollte ein Wort der Furcht sprechen oder in irgendeiner Lage verzagen, wie hoffnungslos sie auch schiene. Alles, was sie auf den Heerfahrten erbeuteten, sollten sie zur Stange bringen, minderes oder größeres Gut, das Geldeswert hätte. Und wenn einer das nicht getan hätte, so sollte er fort müssen. Keiner sollte eine Verleumdung ausbringen. Wenn aber eine Neuigkeit bekannt würde, sollte niemand so vorlaut sein, sie öffentlich mitzuteilen; denn Palnatoki sollte dort alle Neuigkeiten verkünden. Niemand sollte ein Weib in der Burg haben und keiner länger als drei Nächte auswärts sein. Und wenn ein Mann aufgenommen wäre, der den Vater oder Bruder eines Mannes erschlagen hätte, der zuvor dagewesen, oder sonst irgendeinen verwandten Mann, und das späterhin herauskäme, nachdem er aufgenommen wäre, so sollte Palnatoki das alles entscheiden, und so auch bei jeder andern Uneinigkeit, die unter ihnen entstünde.“

– Walter Baetke: Jómsvíkinga saga

Ihr Sitz soll die Jomsburg gewesen sein, deren Standort entweder auf der Insel Wollin oder an der Peenemündung auf der Insel Usedom angenommen wird. Der damalige Hafen hatte angeblich 300 Langschiffe aufnehmen können. Der Platz gilt auch als das „Atlantis des Nordens“, wo die versunkene Stadt Vineta lag. Nach den altnordischen Quellen folgte ein Großteil der Jomswikinger dem schwedischen Thronanwärter Styrbjörn und fiel zusammen mit Styrbjörn 983 oder 986 in der Schlacht von Fýrisvellir gegen die Schweden. Gegen die Norweger verloren die Jomswikinger im Jahre 994 die Schlacht bei Hjørungavåg, was ihren Untergang besiegelt haben soll. Dennoch sollen sie noch im Jahr 1000 an der Seeschlacht von Svold teilgenommen haben.

Die Jomswikinger.
Die Jomswikinger (kleines Boot) beteiligen sich an besagter Schlacht. Gemälde von Nils Bergslien.

Man nimmt an, dass die Jomsvikinga-Saga größtenteils Fiktion ist. Dass der beschriebene Söldnerbund tatsächlich existiert hat, ist allerdings anzunehmen, da andere Sagas und Dokumente der Zeit darauf Bezug nehmen.

Während des Dritten Reiches wurde die Saga wegen ihrer inhaltlichen Bezüge zur Männerbundtheorie sehr häufig rezipiert und übersetzt. So wurden zwischen 1934 und 1939 nicht weniger als acht Übersetzungen vom Altisländischen ins Deutsche vorgelegt.

In Anlehnung an den historisch-legendären Wikinger-Männerbund haben sich zahlreiche Living-History-Gruppen nach den Jomswikingern benannt.

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Die Schlacht bei Brunanburh im Jahre 937

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George Hodan / Public Domain

In der Schlacht bei Brunanburh im Jahre 937 siegte die Armee des Königreichs England unter Führung von König Æthelstan und seinem Bruder Edmund über die vereinten Armeen von Olaf Guthfrithsson, nordisch-gälischer König von Dublin, Konstantin II., König von Alba, und Owen I., König von Strathclyde. Obwohl heute relativ unbekannt, gilt sie als „größte einzelne Schlacht in der angelsächsischen Geschichte vor der Schlacht bei Hastings“. Michael Livingston behauptet, dass Brunanburh „das Erwachsenwerden der englischen Identität markiert“. Der Ort der Schlacht ist nicht bekannt, die moderne Forschung vermutet jedoch, dass sie wahrscheinlich irgendwo auf der Wirral-Halbinsel stattgefunden hat.

Die Schlacht wird in Dutzenden von Quellen erwähnt, auf Altenglisch, Latein, Irisch, Walisisch, Isländisch und Mittelenglisch, und es gibt viele spätere Beschreibungen und Reflexionen, einschließlich derer von Alfred Lord Tennyson und Jorge Luis Borges. Eine zeitgenössische Beschreibung der Schlacht findet man in dem altenglischen Gedicht Battle of Brunanburh, erhalten in der Angelsächsischen Chronik.

Die Quellen

Livingston ermittelte mindestens 53 mittelalterliche Quellen, die Hinweise auf die Schlacht enthalten, darunter wichtige Beschreibungen in der Angelsächsischen Chronik, den Schriften des anglo-normannischen Geschichtsschreibers Wilhelm von Malmesbury, den Annalen von Clonmacnoise und Snorri Sturlusons Egils saga, dessen Antiheld, Söldner und Skalde Egill Skallagrímsson Æthelstan als treuer Krieger diente.

Die Hintergründe

In den 870er Jahren eroberte eine Wikingerarmee, das sogenannte Große Heidnische Heer, alle angelsächsischen Königreiche bis auf Wessex. Alfred dem Großen, König von Wessex, und seinen Nachkommen gelang es, diese Gebiete nach und nach zurückerobern, unter anderem durch den Bau von befestigten Burgen, den burhs. Allerdings wurden die ehemaligen Reiche nicht wieder selbstständig, sondern zu Grafschaften innerhalb des neuen Königreichs England, das dadurch zum mächtigsten Faktor der Britischen Insel heranwuchs. Wichtigste Gegenspieler Englands waren das schottische Königreich Alba im Norden der Insel, das gälische Königreich Strathclyde im Nordwesten Englands, das dynastisch mit Schottland verbunden war, und das Königreich Jorvik im Nordosten, das sich weiterhin in der Hand der Nordmänner befand. 921 eroberte Sitric Cáech, der nordisch-gälische Herrscher von Dublin, auch das Königreich Jorvik. In einem politischen Schachzug verheiratete Æthelstan im Jahre 926 seine Schwester mit Sitric Cáech und erhob Anspruch auf seinen Thron, als Cáech im Jahr darauf starb. Dazu musste er aber Cáechs Verwandten und Nachfolger Guthfrith vertreiben und die Wikinger 927 bei York schlagen. Nach Æthelstans Sieg erkannten König Konstantin von Schottland, König Hywel Dda von Deheubarth, Ealdorman Ealdred von Northumbria und König Owen von Strathclyde (oder Morgan ab Owain von Gwent) Æthelstans Oberhoheit in Eamont nahe Penrith an. Er wurde zum König der Engländer ausgerufen, und es folgte eine relativ friedliche Zeit.

Æthelstans erfolgreiche Invasion Schottlands im Jahre 934 erfolgte, so vermutet Johannes von Worcester, weil König Konstantin vertragsbrüchig wurde. Obwohl sie zeit ihres Lebens verfeindet waren, muss die Bedrohung durch Æthelstan groß genug gewesen sein, um eine Allianz zwischen dem König von Dublin Olaf Guthfrithsson, dem König von Schottland Konstantin II. und dem König von Strathclyde Owen I. entstehen zu lassen. Livingston merkt dazu an, „dass sie für dieses eine gemeinsame Ziel alle politischen, kulturellen, historischen und auch religiösen Differenzen beiseite schieben mussten, und ihr Ziel war die Vernichtung Æthelstans.“

Nachdem er einen rivalisierenden nordischen König im August 937 bei Limerick besiegt hatte, dessen Name in altirischen Dokumenten als Amlaíb Cenncairech verzeichnet ist, überquerte Olaf Guthfrithsson mit seiner Armee die Irische See, um sich mit den Streitkräften von Konstantin und Owen zu vereinigen, was darauf schließen lässt, dass die Schlacht bei Brunanburh wahrscheinlich Anfang Oktober jenes Jahres stattfand.

Livingston vermutet, dass die eindringenden Armeen England in zwei Wellen erreichten: Konstantin und Owen kamen aus dem Norden, möglicherweise in einige frühe Scharmützel mit Æthelstan-treuen Kräften verwickelt, während sie der Römerstraße durch Lancashires Ebenen zwischen Carlisle und Manchester folgten, auf der Olafs Streitkräfte unterwegs zu ihnen stießen. Es ist möglich, spekuliert Livingston weiter, dass das zukünftige Schlachtfeld bei Brunanburh in stillem Einvernehmen mit Æthelstan gewählt wurde: „Eine Auseinandersetzung war nicht zu vermeiden, und der Sieger gewann England.“

Die Schlacht

Die mittelalterlichen Berichte über die Schlacht sind zu ungewiss, als dass man ihren Ablauf mit Sicherheit nachvollziehen könnte, aber die Quellen beschreiben sie übereinstimmend als ein gewalttätiges und blutiges Zusammentreffen, selbst unter Berücksichtigung der Kriegsführung des Mittelalters.

Das berühmte Gedicht über die Schlacht in der Angelsächsischen Chronik, aufgezeichnet in Altenglisch, der Sprache der angelsächsischen Bewohner Englands, rühmt am Anfang die beiden englischen Helden und nennt den Ort der Schlacht: Brunanburh.

Her Æþelstan cyning, eorla dryhten,
beorna beaggifa, and his broþor eac,
Eadmund æþeling, ealdorlangne tir
geslogon æt sæcce sweorda ecgum
ymbe Brunanburh. Bordweal clufan,
heowan heaþolinde hamora lafan,
afaran Eadweardes, …
Einst erlangten König Æthelstan, Herr der Grafen,
Ringgeber der Männer, und auch sein Bruder
Prinz Edmund, ewigen Ruhm;
erkämpft in der Schlacht mit der Schärfe des Schwertes
bei Brunanburh. Sie zersplitterten den Schildwall,
zerschlugen die hölzernen Schilde mit Äxten,
die Söhne Edwards, …

Das Gedicht erzählt dann vom Sieg der Helden und von der Niederlage der Eindringlinge. Einige Zeilen lassen darauf schließen, dass sich die Schlacht über die Dauer eines ganzen Tages erstreckte.
Am Ende stand der Tod von fünf Königen und sieben von Olafs Grafen, dazu noch (oder darunter) Konstantins Sohn Cellach:

… Fife lægun
on þam campstede cyningas geonge,
sweordum aswefede, swelce seofene eac
eorlas Anlafes, unrim herges,
flotan and Sceotta. Þær geflemed wearð
Norðmanna bregu, nede gebeded,
to lides stefne litle weorode;
cread cnear on flot, cyning ut gewat
on fealene flod, feorh generede.
Swelce þær eac se froda mid fleame com
on his cyþþe norð, Constantinus,
har hilderinc, hreman ne þorfte
mæca gemanan; he wæs his mæga sceard,
freonda gefylled on folcstede,
beslagen æt sæcce, and his sunu forlet
on wælstowe wundun forgrunden,
geongne æt guðe. …
… Fünf lagen (tot)
auf dem Schlachtfeld, junge Könige,
schlafen geschickt durch das Schwert, dazu noch sieben
von Anlafs Grafen, unzählige des Heeres,
Schiffsleute und Schotten. Da wurde vertrieben
der Herrscher der Nordmänner, der Not gehorchend,
zum Bug des Schiffes; mit wenig Besatzung
drängte er das Schiff in See, der König fuhr hinaus
in die düsteren Fluten um sein Leben zu retten.
Ebenso wandte sich auch der Alte zur Flucht
zu seiner Heimat im Norden. Konstantin,
der grauhaarige Kämpe, konnte nicht jubeln über
das große Treffen; er war seiner Verwandten beraubt,
seine Freunde niedergemacht auf dem Schlachtfeld,
getötet im Kampf, und seinen Sohn ließ er zurück
auf der Walstatt von Wunden zerschunden,
(zu) jung in der Schlacht. …

Æthelweards Chronik, im Jahre 975 oder später fertiggestellt, erwähnt, dass die Schlacht bei den Menschen jener Zeit noch immer „der große Krieg“ genannt wurde.
Auch dieses Gedicht bestätigt am Ende nochmals die Einmaligkeit der Schlacht. Zuvor kehren die siegreichen Helden nach Hause zurück und die Invasoren sterben praktisch ein zweites Mal, indem ihre unbestatteten Körper den wilden Tieren zum Fraß dienen:

wilce þa gebroþer begen ætsamne,
cyning and æþeling, cyþþe sohton,
Wesseaxena land, wiges hremige.
Letan him behindan hræw bryttian
saluwigpadan, þone sweartan hræfn,
hyrnednebban, and þone hasupadan,
earn æftan hwit, æses brucan,
grædigne guðhafoc and þæt græge deor,
wulf on wealde. Ne wearð wæl mare
on þis eiglande æfre gieta
folces gefylled beforan þissum
sweordes ecgum, þæs þe us secgað bec,
ealde uðwitan, siþþan eastan hider
Engle and Seaxe up becoman,
ofer brad brimu Brytene sohtan,
wlance wigsmiþas, Wealas ofercoman,
eorlas arhwate eard begeatan.
Auch die Brüder, beide zusammen,
König und Prinz, kehrten in ihre Heimat zurück,
in das Westsächsische Land, die Schlacht rühmend.
Hinter sich ließen sie die Leichen, überlassen
dem dunkelgekleideten, dem schwarzen Raben,
dem spitzschnäbligen und aschfarbenen,
dem weißschwänzigen Adler, der das Aas verzehrt,
dem hungrigen kampfstarken Habicht und dem grauen Tier,
dem Wolf aus dem Wald. Nie gab es ein größeres Gemetzel
auf dieser Insel, niemals wieder
(und) nie zuvor wurden so viele Menschen getötet
durch die Schärfe des Schwertes, so erzählen uns die Bücher
und die alten Weisen, seit von Osten hierher
Angeln und Sachsen herüber kamen,
über die breite See Britannien zu suchen,
prächtige Schlachtenschmiede, die die Kelten überwanden,
stolze Herren, die das Land in Besitz nahmen.

Die Annalen von Ulster beschreiben die Schlacht in ähnlicher Weise:

Ein gewaltiger Krieg, beklagenswert und schrecklich, wurde grausam zwischen den Sachsen und den Nordmännern geführt. Viele Tausende von Nordmännern ohne Zahl starben, während König Anlaf mit ein paar Männern entkam. Obwohl auf der anderen Seite auch eine große Zahl von Sachsen fiel, trug Aethelstan, König der Sachsen, einen großen Sieg davon.

Die ausführlichste Liste über jene, die in der Schlacht getötet wurden, ist in den Annalen von Clonmacnoise enthalten. Sie benennt etliche Könige und Prinzen.

Der Ort der Schlacht

Die Ortsbezeichnung der Schlacht erscheint in den Quellen in den unterschiedlichsten Formen: Brunanburh (in der Angelsächsischen Chronik, in der Chronik von Johannes von Worcester oder in darauf aufbauenden Beschreibungen), Brunandune (in Aethelweards Chronik), Brunnanwerc oder Bruneford oder Weondune (bei Symeon von Durham und darauf aufbauenden Beschreibungen), Brunefeld oder Bruneford (bei Wilhelm von Malmesbury und darauf aufbauenden Beschreibungen), Duinbrunde (in schottischen Überlieferungen), Brun (in walisischen Überlieferungen), plaines of othlynn (in den Annalen von Clonmacnoise) und Vinheithr (in Egils Saga) und verschiedene andere.

Der Name Bromborough, eine Ortschaft in der Metropolitan Borough of Wirral, könnte vom altenglischen Brunanburh abgeleitet sein (was so viel wie „Bruns Burg“ bedeutet). Da der Ort vielleicht niemals mit Sicherheit gefunden werden kann, wurden weitere Anhaltspunkte für die Verbindung von Brunanburh mit Bromborough geprüft, die ihre Beweiskraft aus Geschichte, Volkskunde und Literatur herleiten. Nach Michael Livingston findet die These, die für einen Ort auf der Wirral-Halbinsel spricht, große Unterstützung unter den heutigen Historikern. Zusätzliche onomastische Argumente wurden herangezogen, um einen Bezug zwischen Dingesmere (einer Ortsbezeichnung, die in Verbindung mit der Schlacht in der Angelsächsischen Chronik genannt wird) und Thingwall auf dem Wirral herzustellen, was ebenfalls die Brunanburh-Bromborough-These erhärten soll. Weil die frühesten Quellen in der Angelsächsischen Chronik berichten, dass die Schlacht „ymbe Brunanburh“ („bei Brunanburh“) stattgefunden haben soll, wurden zahlreiche Orte auf dem Wirral nahe Bromborough als möglicher Kampfplatz aufgeboten, einschließlich des Brackenwood-Golfplatzes in Bebington / Wirral.

Obwohl heute anscheinend viele Wissenschaftler eine „nahe Bromborough“-Lage billigen, wurden in der Vergangenheit Dutzende von anderen denkbaren Schauplätzen vorgeschlagen. Paul Hill hat über dreißig Möglichkeiten ermittelt, von denen einige immer noch von lokalen Interessengruppen (siehe Diskussion zu Shelfield Hill weiter unten) oder von Einzelpersonen verteidigt werden. Die Vermutung, dass es sich bei den Gegnern von Bromborough um Vertreter einer Randmeinung handelt, ist allerdings irreführend. Michael Wood, ein angesehener Historiker, der vor kurzem einen Artikel im Yorkshire Archaeological Journal veröffentlicht hat, kritisiert die Argumente für Bromborough und schlägt einen Ort in der Nähe des Flusses Went in South Yorkshire vor. Andrew Breeze ist ein führender Philologe, der in einem demnächst erscheinenden Artikel für Lanchester plädiert und behauptet, die etymologischen Argumente für Bromborough seien fehlerhaft. Kevin Halloran hat mehrere Artikel über jenen Zeitraum in führenden akademischen Zeitschriften veröffentlicht, plädiert für eine Lage im Süden von Schottland und hat eine Reihe von detaillierten Kritikpunkten bezüglich Bromborough aufgezeigt. Tim Clarkson hat eine Reihe von vielbeachteten Büchern über Strathclyde veröffentlicht und hat angemerkt, dass die logistischen Kapazitäten der nördlichen Königreiche von Alba und Strathclyde für einen Feldzug so weit in den Süden (bis zum Wirral) nicht ausgereicht hätten. Die anderen Alternativen sind:

  • Laughton-en-le-Morthen oder Laughton Common – South Yorkshire
  • Andere Orte in Merseyside:
    • Newton-le-Willows, St Helens
  • Orte in Northumberland
  • Burnswark in Dumfries and Galloway in Südwest-Schottland
  • Tinsley in South Yorkshire
  • In der Nähe des Humber in Yorkshire/Lincolnshire
  • Axminster in Devon.
  • Orte in Lancashire:
    • Livesay. Die Livesay Historical Society sagt, dass die Namen Livesay und Livesey von dem verbreiteten angelsächsischen Nachnamen Lēofsige abstammen (was „geliebter Sieg“ oder „Der, dessen Sieg geliebt wird“ bedeutet), und dass der Name in Verbindung mit der Schlacht bei Brunanburh steht. Zur etymologischen Herleitung gibt es aber auch Gegenmeinungen.
    • Burnley. Im Jahre 1856 veröffentlichte der Rektor des Gymnasiums Burnley und Antiquar Thomas T. Wilkinson eine Abhandlung, in der er die Moore oberhalb Burnleys als Ort der Schlacht vorschlug, und er wies darauf hin, dass die Stadt am Fluss Brun liegt. Eine örtliche Überlieferung erzählt von einer großen Schlacht bei Saxifield während der Heptarchie, untermauert von gelegentlichen Funden offenbar menschlicher Knochen und eiserner Pfeilspitzen. Im Dorf Worsthorne gibt es eine Legende, nach der die Dänen Verteidigungsanlagen errichteten, als im gleichnamigen Moor eine Schlacht stattfand, und dass fünf Könige unter Grabhügeln in der Umgebung begraben wurden.

Obwohl er am Brun keine burh zweifelsfrei identifizieren konnte, verwies er auf die Arbeit von Thomas Whitaker Dunham, der aufgelistet hatte, was seiner Meinung nach eine große Anzahl von Erdwerken war. Einige wie Castercliff, Twist Burg und Ringstones Camp hielt er für römischen Ursprungs, was aber die historische Bedeutung der Gegend deutlich machte. Andere, wie Schanzen auf Broad Bank Hill bei Burwains Farm, und Bonfire Hill, ein mögliches Lager auf Shelfield Hill nahe dem viktorianischen Walton-Turm, und Deiche bei Saxifield, Thieveley, Ree Lees, und Broadclough in der Nähe von Bacup, zeugten seiner Meinung nach von militärischer Aktivität im fraglichen Zeitraum. Er zeigte auch, dass der Stadtteil Heasandford nach einer Furt durch den Fluss Brun benannt wurde, die auf einer historischen trans-penninen Route liegt, welche im Volksmund als „der lange Damm“ bekannt ist, teilweise auch als „Straße der Dänen“. Er stellte eine Vielzahl von Zusammenhängen zwischen alten Namen und heutigen Orts- und Flurnamen her, so beispielsweise, dass Cuerdale Hoard (= Hort) nach einer dänischen Kriegskasse benannt wurde, die während der Schlacht verlorenging. Seine Arbeit wurde in der Folgezeit durch eine Reihe von lokalen Autoren erweitert, und neue Informationen wurden hinzugefügt. Obwohl die meisten der genannten Orte inzwischen als viel älter eingestuft wurden, stößt die Geschichte immer noch auf Interesse. Symeon von Durham nannte Brunanburh ‚Wendune‘, und dieses Wen-Element hat sich im Namen des Dorfes Winwall erhalten, das nahe dem Schlachtfeld liegt (in der Nähe von Colne), ebenso steht es in Beziehung zu ‚Vinheath‘ in der Egils Saga. Sowohl ‚-heath‘ (Heide) als auch ‚-dune‘ (Düne) beziehen sich auf das weite, gehobene Land, auf dem das Feld liegt, ebenso wie das Wort „dun“ (Düne) ´durchweg für einen flachen Hügel mit einer breiten Kuppe verwendet wird, der einen guten Siedlungsort im offenen Gelände darstellt.´(Margaret Gelling). Ein Name für den Kampfplatz auf den „Ebenen von Othlynn“ (Annalen von Clonmacnoise) wurde in Beziehung gesetzt zu dem Ort Othlei aus dem Domesday Book, ein alter Name für Otley.

Dies sind nicht die einzigen genannten Orte, aber diejenigen, die am häufigsten im Gespräch sind.

Die Auswirkungen

Æthelstans Sieg über die vereinigte nordisch-gälische Armee sicherte ihm England als vollständig vereinigtes Königreich. Jedoch war er militärisch geschwächt, und die Schlacht zwang alle beteiligten Parteien der Britischen Inseln, sich in ihren jeweiligen Positionen zu konsolidieren.

Die Schlacht bei Brunanburh hat noch immer eine große Präsenz in Malmesbury, Wiltshire, 320 km südlich von allen vorgeschlagenen Orten. Die Einwohnerschaft von Malmesbury kämpfte für König Æthelstan, und er gewährte ihnen fünf Hides Land (2,4 km²) und machte sie alle zu Freimännern. Es wurde eine Organisation gegründet, die noch heute existiert: die Warden and Freemen of Malmesbury, und in ihren Zeremonien wird an Æthelstan erinnert. Als Æthelstan starb, wurde sein Leichnam von Gloucester nach Malmesbury überführt und dort begraben.

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Ragnarök – Der germanische Weltuntergang

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Bild / Adobe Stock

Die Ragnarök („Schicksal der Götter“) ist die Sage von Geschichte und Untergang der Götter in der Nordischen Mythologie, wie es die Völuspá prophezeit.

Das Deutsche übersetzt Ragnarök oft als „Götterdämmerung“, was auf eine Fehlinterpretation von Snorri Sturluson zurückgeht: Während die ältere Lieder-Edda von ragnarök singt („Schicksal der Götter“), schreibt Snorri Sturluson in seiner Prosabearbeitung stets ragna rökr („Götterdämmerung“).

Der letzte Abschnitt der Ragnarök schildert die neue Welt, die nach dem Untergang der alten Welt entsteht.

Odin und Fenris.
Odin und Fenriswolf, Freyr und Surt (Zeichnung von Emil Doepler, 1905

Ragnarök heißt der Kampf der Götter und Riesen, in dessen Folge die ganze Welt untergeht. Drei Jahre heftiger Kämpfe und dann ein ebenso langer Fimbulwinter kündigen ihn an.

Die Wölfe Skalli und Hati (einer anderen Überlieferung nach Managarm) verfolgen die Sonne bzw. den Mond, um sie zu verschlingen. Daraufhin sollen Sterne vom Himmel fallen. In der Folge beginnt die Erde zu beben; alle Bäume werden entwurzelt, sämtliche Berge stürzen. Durch diese Beben kann sich der Fenriswolf von seiner Kette lösen, die Midgardschlange kommt an Land, welches überflutet wird.

Die Überschwemmung macht das Totenschiff Naglfar aus Finger- und Zehennägeln der Toten flott. Der Fenriswolf spuckt Feuer, die Midgardschlange versprüht ihr Gift, was Luft und Meer entzündet. Muspells Söhne kommen durch diesen Tumult hervorgeritten – allen voran Surt, der Feuerriese. Sie überqueren die Brücke Bifröst, die daraufhin zusammenstürzt. Sie ziehen zur Ebene Wigrid, wo sie sich mit dem Fenriswolf, der Midgardschlange, Loki, Hrym (dem Steuermann von Naglfar), allen Hrimthursen und Hels Gefolge treffen. Dort nehmen sie die Schlachtordnung ein.

Heimdall erhebt sich und stößt mit aller Kraft in sein Gjallarhorn, ein Rufhorn, und warnt damit alle Götter, die sich beraten. Odin reitet zu Mimirs Brunnen, um Rat zu holen. Die Asen und alle Einherjer, d. h. die in Schlachten gefallenen Toten aus Walhall, wappnen sich danach zum Kampf. An der Spitze reitet Odin mit seinem Speer Gungnir, seinem Goldhelm und seinem schönen Harnisch.

Thor und die Midgardschlange.

In der folgenden Schlacht kämpft Freyr gegen Surt, wobei Freyr erliegt, weil er in einem anderen Mythos sein Schwert seinem Knecht Skirnir gegeben hatte. Der Hund Garm, der Wächter der Unterwelt, greift Tyr an. Beide töten sich gegenseitig. Thor gelingt es, die Midgardschlange zu besiegen. Kaum ist er neun Schritte von der Schlange weggegangen, stirbt er an ihrem Gift. Odin tritt gegen den Fenriswolf an, der ihn verschlingt. Odins Sohn Vidar rächt den Vater. Er steigt dem Fenriswolf mit seinem ledernen Stiefel ins Maul, reißt sein Maul entzwei und ersticht ihn durch den Rachen. Loki kämpft gegen Heimdall, auch sie erschlagen sich gegenseitig.

Eine Szene aus der letzten Phase von Ragnarök, nachdem Surt die Welt in Brand gesteckt hat.

Schließlich schleudert Surt Feuer über die ganze Welt, das alles zerstört (Weltenbrand).

Die Asen versammeln sich. Flammen und Rauch werden zum Himmel schießen. Durch den Ausgleich von Ordnung und Chaos wird ein Gleichgewicht entstehen, das dem wiedergeborenen Allvater Fimbultyr (Odin) verhilft, eine neue Welt zu schaffen. Die Asen einen sich am Idafelde. Alles Böse bessert sich. Die Fassung der Hauksbók hat als 65. Strophe:

Þá kemur inn ríki
að regindómi
öflugur ofan,
sá er öllu ræður.

Da kommt der Mächtige
zu seiner ordnenden Herrschaft
kraftvoll von oben,
er, der alles steuert.

Thors Söhne Magni und Modi treffen sich mit Odins Söhnen Vidar und Vali im ehemaligen Asgard. Balder und Hödur kehren aus Hel zurück.

Nach Ragnarök
Die neue Welt nach Ragnarök, wie sie in der Völuspá beschrieben wird.

Ob Nidhöggr, der Menschenwürger, der die entseelten Leiber aussaugt, am Ende der Ragnarök stirbt, ist nicht ganz klar. Man kann interpretieren, dass mit „er senkt sich nieder“ sein Tod gemeint ist; aber auch, dass das Böse das Ende der Welt überdauert und wiederkehrt.

Þar kemur inn dimmi
dreki fljúgandi,
naður fránn, neðan
frá Niðafjöllum;
ber sér í fjöðrum,
flýgur völl yfir,
Niðhöggur nái.
Nú mun hún sökkvast.

Nun kommt der dunkle
Drache geflogen,
die Natter, hernieder
aus Nidafelsen.
Das Feld überfliegend,
trägt er auf den Flügeln,
Nidhöggur, Leichen.
Und nieder senkt er sich.

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Thor der Donnergott

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Thor im Norden, oder Donar bei den kontinentalen germanischen Völkern, ist „der Donnerer“. Thor/ Donar fungierte für die zur See fahrenden Völker als Gewitter- und Wettergott und war in weiterer Funktion innerhalb der bäuerlichen germanischen Gesellschaft Vegetationsgottheit. In den mythologischen eddischen Schriften hatte er die Aufgabe des Beschützers von Midgard, der Welt der Menschen.

Name, Etymologie und Herkunft

Etymologie

Der Name der Gottheit ist eng verwandt mit dem von anderen, in ihrer Funktion ähnlichen indogermanischen Gottheiten. Iuppiter tonans, Zeus, der keltische Taranis nutzten als Waffe den steinernen Donnerkeil, der durch den Blitzstrahl vom Himmel zur Erde geworfen wurde. Der Kampf, den Indra führte, ist atmosphärisch durch Blitz und Donner dargestellt. Der Begriff Himmel geht auf eine indogermanische Wortwurzel zurück, die Stein, Amboss bedeutet. Vom gemeingermanischen *Þunraz wird gesagt (analog zu Zeus), dass dessen Donner dem Fahren eines Wagens über ein Gewölbe gleicht (ags. Þunorrād „Donnerfahrt“). Blitz und Donner künden das Nahen Thors in der nordischen Mythik. So geht der germanische Name des Gottes gleichlautend mit dem des Naturphänomens appellativ auf eine Wortwurzel zurück, die einen Schalllaut darstellt, wie er speziell in Wörtern für Donner und donnern wortgleichend verwendet wird; ig. *(s)ten. Hierzu als erläuternder Vergleich tonare „donnern“, an. Þónarr „donnern“, ai. tanyu „donnernd“, ags. Þunian, ebenfalls „donnern“. Beim altnordischen Þórr gilt hingegen allein der Gottesname, die appellativische Bedeutung Donner entfällt in der Regel bis auf das Vorkommen in regionalen Dialekten (Norwegen) in denen tór wiederum der Bedeutung Donner entspricht. Auffallend ist die zweisilbige Namensform im kontinental-germanischen Bereich, wohingegen in der nordischen Form der Name nur einsilbig ist.

Der Wochentag Donnerstag (engl. thursday, dän./ schwed. torsdag) ist nach Donar bzw. Thor benannt. Der Tag war bereits in der Antike den Göttern Zeus bzw. Jupiter geweiht (lat. dies Iovis, davon auch franz. jeudi, rum. joi, span. jueves, italien. giovedì) und wurde mit der Übernahme der ursprünglich babylonisch/ägyptischen 7-Tage-Woche durch die Germanen dem lateinischen Begriff nachgebildet.

Herkunft und indogermanische Parallelen

Bei den indogermanischen Sprachvölkern und über sie hinaus hat der Himmelsgott Blitz und Donner in seiner Gewalt. Donar/Thor entstand vermutlich durch Abspaltung beziehungsweise Trennung der Funktion als Beherrscher der Naturphänomene Blitz und Donner von diesem Himmelsgott. Henrich Beck sieht eine Abspaltung von dieser Himmelsgottheit nicht als unbedingt gegeben an. Aus der nur indirekt erschlossenen indogermanischen Urreligion entwickelte sich die Gottheit in ihrer Vorstellung unter regionalen, kulturell-religiösen Schwankungen bei den germanischen Völkern fort. Nach der Theorie von Georges Dumézil haben die drei Hauptgötter bei den indogermanischen Völkern jeweils eine Funktion, der donnernde Himmelsgott hat die erste Position inne. Bei den Germanen hat sich die Gestalt des Donnerers von der des Himmelsgottes getrennt, so dass er die zweite Funktion der „Stärke“ ausfüllt. Die „Drei-Funktionen-Theorie“ Dumezils hat in der Forschung Anhänger gefunden, seit der zweiten Auflage seiner „Altgermanische Religionsgeschichte“ (1956/57) besonders durch Jan de Vries oder durch Ake V. Ströms Abhandlung in „Germanische […] Religion“ (1975), aber auch Kritiker und Skeptiker. Helmut Birkhan spricht von einer teilweisen „Gläubigkeit“, da Kritiker zu Recht auf einige erhebliche ungeklärte, beziehungsweise nicht in Dumezils theoretisches System passende, tatsächliche Gegebenheiten hinweisen, besonders auch in der vergleichenden Gegenüberstellung der germanischen und keltischen Kulturen.

Die Vorstellung eines hammerschwingenden, wagenfahrenden Wetter-/Donnergottes ist ein uraltes Gottesbild; der hethitische Tarḫunna wird identisch geschildert als wagenfahrende, mit einem Hammer beziehungsweise mit einer Keule attributierte Gottheit. Wird Thors Wagen von Böcken gezogen, so sind es bei Tarhunna Stiere und bei dem vedischen Indra rötliche oder falbe Pferde. Auch dessen Waffe, eine Wurfkeule, wurde von einem niederen Wesen gefertigt. Diese Keule kehrt wie Thors von dem Zwerg Sindri gefertigter Hammer Mjölnir nach dem Wurf in die Hand des Gottes zurück.

In zahlreichen skandinavischen Felszeichnungen und Abbildungen in Steingräbern sind männliche Figuren zu finden, die einen Hammer oder vielmehr Äxte (Doppeläxte) bzw. Beile erheben, oftmals in phallischer Pose (z. B. Grab von Kivik), weshalb sie als göttliche Wesen gedeutet werden. Was die teilweise als Bock dargestellten „hammerschwingenden“ Figuren der Felszeichnungen betrifft, so weist Franz Rolf Schröder auf die Darstellung in der nordischen Mythologie und die geschilderte enge Bindung von Thor zu seinen attributiven, wagenziehenden Ziegenböcken hin. Im indogermanischen Vergleich ist festzustellen, dass die dem Thor/Donar verwandten Donnergottheiten zwischen Axt, Hammer und Keule variieren. Ein Amulett mit der Darstellung des Thorshammers im nordgermanischen Raum bzw. der Donarskeule im südgermanischen Raum galt in spätheidnischer Zeit besonders bei Frauen als Fruchtbarkeitssymbol (Grabungsfunde in Haithabu) und taucht als solches erst zu dieser späten Zeit auf.

Eine weitere Gemeinsamkeit mit anderen indogermanischen Mythen ist der Drachen- bzw. Schlangenkampf, den der Donnergott austrägt. Bei Thor ist es die Auseinandersetzung mit der Midgardschlange, bei den Griechen kämpft Apollon mit Python und Herakles mit Hydra, in der hethitischen Mythologie Tarhunna mit der Schlange Illuyanka, in der iranischen Mythologie Fereydūn und Azhi Dahaka sowie Rostam mit einem Drachen, und in der indischen Mythologie ist es der Kampf des Gottes Indra mit dem Vritra-Drachen. Dieser wird in den Rigveden mit immer neuen Hymnen gepriesen. Das Besingen des Drachenkämpfers und Ungeheuerbezwingers im Mythos ist in allen genannten Kulturen evident; es handelt sich um kultsymbolische Kämpfe, die zum prägenden religiösen Typus wurden. Eine weitere mythische Analogie zwischen Thor und Indra findet sich im Hrungnirmythos. Der Kampf Thors mit dem Riesen, der ein dreizackiges Herz aus Stein hat, gleicht dem Kampf Indras gegen das dreiköpfige Ungeheuer Trisiras.

Auffällige Parallelen bestehen außerdem zwischen den Dialogen Thors mit Odin im Hárbarðslióð und jenen Indras mit Varuna in den Rigveden. Nach Dumézil stellen diese Dialoge keinen aggressiven Konflikt der unterschiedlichen Kulte dar, sondern eine uralte Dialogform, die auf den unterschiedlichen Naturen der Götter innerhalb ihrer strukturellen Funktionsbereiche basiert. Die meisten anthropomorphen Züge teilt Thor mit Indra hinsichtlich dessen, wie sie ihre Haare und ihren Bart tragen. Indra wird in den Rigveden als blondhaarig und mit einem blonden Bart geschildert, Thor wird der „Rotbart“ genannt (Þrymskviða, Thrymlied), und auch vom Wesen her gelten beide als menschenfreundlich.

Auch die Verbindung zur Eiche als Attribut wird teilweise als Parallele zu anderen indogermanischen Göttern gedeutet. Der Baumkult in seinen diversen Ausformungen ist häufig mit Fruchtbarkeitsriten verbunden. In den mythischen eddischen Liedern Hárbarðslióð und Vóluspa wird Thors Mutter Fjörgyn, die Ehefrau Fjorgynns, genannt (Fjörgnjar burr). Fjorgyn(n) kommt in den altnordischen Quellen selten vor, entspricht jedoch lautlich dem litauischen *Perkūnas und dem lettischen *Perkuns. Im Litauischen und Lettischen ist dies der Gewittergott, der ebenfalls kultisch mit der Eiche in Verbindung steht.

Frühe römische Kaiserzeit

Aus der vorhistorischen Zeit sind in Norddeutschland und Jütland die anthropomorphen, sogenannten Pfahlgötzen überliefert, die nicht mit einer bestimmten namentlich später überlieferten Gottheit identifiziert werden können.

Dies ändert sich durch den Kontakt der Germanen mit dem Römischen Reich. Tacitus beschreibt im Kapitel 9 seines Werkes Germania, einem Überblick über die Religion der Germanen, zumindest die religiösen Verhältnisse, welche aus der Rheinlage der Germania inferior heraus den Römern bekannt waren. Er nennt die germanischen Hauptgötter in römischer Interpretation. Aus der Nennung des Herkules lässt sich Donar ableiten, obwohl der germanische Name erst durch Runeninschriften aus der Zeit der Völkerwanderung verifizierbar ist (Nordendorfer Runenfibel) und andere spätere Quellen Donar zu Jupiter stellen. Zu dieser grundsätzlich nicht unproblematischen Ableitung Hercules = Donar hat unter anderen Karl Helm („Altgermanische Religionsgeschichte“) Stellung bezogen. Letztlich ist Tacitus‘ Bericht im Gegensatz zum 150 Jahre früher verfassten Germanenexkurs in Caesars De bello Gallico, wonach die Germanen nur Naturkräfte wie Sonne, Mond und Feuer verehren würden, der erste konkrete seriöse Versuch einer Darstellung der germanischen Kultur und Religion, das jedoch mit allem Für und Wider und immer unter Berücksichtigung der besonderen römischen Perspektive. Tacitus zog Parallelen zur Figur des Hercules für den vergleichenden römischen Betrachter vermutlich auf der Grundlage, dass er bei Thor gleiche Wesensmerkmale erkannte. Als Verkörperung der Kraft ähneln sich Hercules und Thor auch in ihren Attributen, die des Hammers und der Keule, und analog dazu ebenfalls in beider Trink- und Essfreudigkeit, die bei Thor aus den späteren nordischen Quellen überliefert ist. Darüber hinaus schildert Tacitus, dass die Germanen den Hercules mit dem Singen des „Barditus“ ehrten, und dies besonders auch vor einer Schlacht. In attischer Urzeit wurde den Athenern durch das delphische Orakel geraten, den Paian (Παιάν) als mythische Beschwörung des Sieges zu singen. ‚Das Singen des Paian geht auf den Mythos von Apollon und dessen siegreichem Kampf mit Python zurück. Dieter Timpe betrachtet es durch die kompositionelle Stellung dieser Hercules-Erwähnung in Kap. 3 weder als ergiebig noch als naheliegend, zur Nennung des Hercules in Kap. 9 eine zwingende theologisch-systematische Verbindung zu sehen.

Dem Hercules/Donar wurden nach Tacitus Tieropfer dargebracht. In welchen religiös-kultischen Zusammenhängen dies geschieht, lässt Tacitus offen, und er verallgemeinert die Opferhandlungen dahingehend, dass sie dazu dienen, die Gottheit gnädig zu stimmen.

„Deorum maxime Mercurium colunt, cui certis diebus humanis quoque hostiis litare fas habent. Herculem et Martem concessis animalibus placant.“
„Von den Göttern verehren sie am meisten den Merkur; sie halten es für geboten, ihm an bestimmten Tagen auch Menschenopfer darzubringen. Herkules und Mars stimmen sie durch bestimmte Tieropfer gnädig.“

– Tacitus, Germania 9, 1

Weihesteine und Münzen aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert tragen lateinische Inschriften, die Donar gewidmet waren. Eine sehr große Verehrung erfuhr er von den Batavern im Raum Nijmegen. Die Inschriften geben mehrheitlich die Namensform Hercules Magusanus wieder. In seinen Annalen (2, 12, 16) nennt Tacitus ein dem Donar gewidmetes Heiligtum, welches bei einer Örtlichkeit Idistaviso östlich der Weser gelegen sei.

„Caesar transgressus Visurgim indicio perfugae cognoscit delectum ab Arminio locum pugnae; convenisse et alias nationes in silvam Herculi sacram ausurosque nocturnam castrorum oppugnationem. […] Sic accensos et proelium poscentis in campum, cui Idistaviso nomen, deducunt. is medius inter Visurgim et collis, ut ripae fluminis cedunt aut prominentia montium resistunt, inaequaliter sinuatur.“
„Caesar (Germanicus) erfuhr nach Überschreiten der Weser aus dem Bericht eines Überläufers, dass Arminius ein Schlachtfeld ausgewählt habe, dass auch andere Stämme in einen dem Hercules heiligen Hain zusammengekommen seien und einen nächtlichen Angriff auf das Lager wagen würden. […] Als sie so begeistert die Schlacht forderten, führte man sie auf ein freies Feld namens Idistaviso hinunter. Dies liegt in der Mitte zwischen dem Visurgis und den Hügeln und zieht sich in ungleichen Krümmungen hin, je nachdem die Ufer des Flusses zurücktreten oder Bergvorsprünge sich vorschieben.“

– Tacitus, Annalen, 2, 12, 16

Von solchen Heiligtümern beziehungsweise heiligen Hainen, die einer „männlichen“ Gottheit geweiht waren, ist neben dem Stammesheiligtum der Semnonen, ebenfalls von Tacitus (Germania Kap. 39) erwähnt, für diese Zeit nur der cheruskische Hercules/Donar-Kultort schriftlich belegt. Günter Behm-Blancke wertet in der Zusammenfassung der Quellen aus der frühen römischen Kaiserzeit, dass in solchen Heiligtümern, also auch auf den Hercules/Donar–Hain bezogen, Götterbilder (Idole) und Altäre errichtet wurden, Opferhandlungen vorgenommen wurden und sie daneben als Aufbewahrungsort für heilige Gegenstände und Kriegsbeute sowie als Versammlungsort (Thing) dienten.

Für die gotischen Völker ist auf Grund der allgemein schlechten Quellenlage für die römische Kaiserzeit und nachfolgende Völkerwanderungszeit kein direkter Nachweis eines Gewittergottes möglich. Lediglich einige Berichte von antiken Chronisten und Historikern lassen Verbindungen zu religiös motiviertem Verhalten zu. Beispielsweise berichtet Titus Livius über eine Schlacht im Jahre 179 v. Chr. zwischen den Bastarnen und Thrakern um einen von diesen besetzten Berg. Die angreifenden Bastarnen wurden durch ein plötzliches Gewitter verjagt und gaben nach Livius an, dass die Götter ihre Flucht verursacht hätten.

Ammianus Marcellinus berichtet, dass bei der Schlacht von Adrianopel im Jahr 378 die Goten ebenfalls durch ein Gewitter zerstreut wurden. Ob eine religiöse Furcht vor einer bestimmten Gottheit oder lediglich eine abergläubische Angst vor diesem Naturphänomen einen tatsächlichen Bezug zu einer Gottheit der betroffenen Goten belegt, ist nicht feststellbar – ganz abgesehen vom Problem der Glaubwürdigkeit solcher Berichte.

Donar/Thor in der früh- und spätmittelalterlichen Überlieferung

Quellenlage und Grundbedingungen

Die Vorstellung von Donar/Thor ist, bedingt durch eine sehr lange Tradition, unter den germanischen Völkern ein relativ einheitliches mythisches und religiöses Subjekt. Dennoch gab es durchaus Entwicklungen und Veränderungen, besonders in der römischen Kaiserzeit und in der Epoche der Völkerwanderung bis zur Wikingerzeit in Skandinavien.

Detailabbildung der Darstellung von Thor auf dem Runenstein von Altuna. Gunnar Creutz, Altunastenen U 1161 (Raä-nr Altuna 42-1) Tor detalj 0440, CC BY-SA 3.0

In den religiösen Systemen der west- und nordgermanischen Völker gab es in der Rangfolge der verehrten männlichen Hochgötter Veränderungen. Der Kult um Wodan/Odin verdrängte nach einer Annahme von Teilen der Forschung, von Süden nach Norden wandernd, den alten Himmelsgott Tyr, dem auch Thor zumindest in der skaldischen Poesie untergeordnet wird, und nahm schließlich die höchste Stellung ein.

Helmut Birkhan wies im Zusammenhang der germanischen Wochentagsbenennung darauf hin, dass sich gerade aus der Gleichung Jovis/Jupiter = Donar und deren Altertümlichkeit ableiten lässt, dass Donar im kontinentalen Bereich der Germania vermutlich eine Vorrangstellung innehatte. Ein besonderer Umstand ist nach den Quellen die Diskussion um die Funktion oder Eigenschaft der Weihetätigkeit, die Donar/Thor zugewiesen beziehungsweise abgesprochen wird, und ob diese Funktion Bestand seit frühester Zeit war.

Mit der frühen und intensiven Christianisierung der kontinentalen germanischen Stämme und Völker gehen eine Vernichtung von Schriften und ein Verlust von mündlich überliefertem Wissen und Traditionen nichtchristlichen Inhalts einher. Tiefergehende Aussagen zum von den Christen so betitelten „germanischen Heidentums“, insbesondere zu Donar/Thor als primärer Figur und zu dem ihn betreffenden Kult und Ritus seitens der Dedikanten, der germanischen Verehrer, lassen sich wegen der hauptsächlich klerikal geprägten Quellen des frühen Mittelalters nicht machen.

Für die hauptsächlich nordwestnordisch-skandinavischen schriftlichen Quellen (Edda, Saga, Skaldik) aus Island und Norwegen gilt ebenfalls das Problem der Christianisierung in der Überlieferung, die filtergleich zwischen ungebrochener Religiosität der „heidnischen Zeit“ und einer getreuen Darstellung der religiösen Praxis in Kult und Ritus lag. Die Niederschriften lassen sich für die Zeit vom 10. bis zum 13. Jahrhundert zuordnen, und die stoffliche Tradition reicht nur teilweise gesichert in die Zeit vor der Christianisierung zurück. Das hatte unmittelbaren Einfluss auf die zuerst mündlich überlieferten Mythen, die beispielsweise in den Gattungen der eddischen Schriften und der Sagaliteraturen stofflich und fiktional aus dem speziellen Milieu der frühen Siedlergenerationen Islands heraus später dann handschriftlich codifiziert wurden. Die heutigen Kenntnisse über Thor sind größtenteils diesem Schrifttum entnommen, jedoch von christlichen Einflüssen nicht unberührt geblieben und deshalb aus christlicher Perspektive von christlichem Personal verfasst.

In der skaldischen Poetik beziehungsweise in einem kleinen Teil des erhaltenen Textkorpus (Þórsþula), deren früheste Aufzeichnungen zeitlich noch im paganen Kontext stehen, kommt Thor eine besondere Bedeutung zu. Für keine andere Gottheit wurden der Anzahl nach so viele Kenningar gedichtet und insbesondere adjektivische Heiti ersonnen. Ihnen kommt bei der Typologisierung Thors besondere Bedeutung zu, da sie ein Bindeglied darstellen zwischen den vorwiegend paganen Vorstellungen und denen der hochmittelalterlich-christlich beeinflussten Poetik und Prosa. Auffällig ist das häufig zitierte Motiv des Kampfes Thors mit der Midgardschlange und den Riesen (Geirröðr-Mythos) in der skaldischen und eddischen Poesie, deren religiöse und besonders mythische Bedeutung oben herausgehoben wird („Herkunft und indogermanische Parallelen“). Grundsätzlich muss der Aussagewert des Mythos vom nachweisbaren Aussagewert des religiösen Kultes getrennt betrachtet werden, insbesondere beim schriftlichen Quellenbefund.

Zu den schriftlichen Quellen unterschiedlicher Arten und Zeiten kommt daher dem archäologischen Bericht, der Auswertung beziehungsweise der Deutung von Funden ein wichtiger Stellenwert zu. Runeninschriften und Ikonographien auf Gütern und Objekten unterschiedlicher Art und Materialien können die schriftlichen Quellen aus Prosa und Mythologie zu Donar/Thor ergänzen, aber auch in Frage stellen oder unbeantwortet lassen. Wichtige Beiträge hat die Ortsnamenforschung über den gesamten germanischen Sprachraum ergeben, da sie – mit Abstrichen und Vorsicht – auf ehemalige Kultorte schließen lässt, die Donar/Thor geweiht waren. Solche Orte finden sich vor allem in Dänemark, England, Island, Norwegen und Schweden.

Kontinental-westgermanische Zeugnisse

Jan de Vries vermutet bei den relativ früh zum Christentum bekehrten merowingischen Franken eine Nachwirkung von alten abgelegten heidnischen Traditionen, die in Verbindung zu Donar stehen, welche entweder auf tatsächlichem religiösen Kult oder zumindest auf daraus entwickeltem Aberglauben beruhen. Chlothar I. sollte im Jahr 537 von seinen Brüdern ermordet werden. Da die Umsetzung des Planes durch ein Gewitter scheiterte, warfen sich die Brüder samt Gefolge zu Boden und baten den christlichen Gott um Verzeihung ob der versuchten Freveltat gegen Chlothar.

In der vermutlich alemannischen „Runenfibel“ Bügelfibel von Nordendorf (Anfang 7. Jahrhundert) wird Donar umlautend als Wigiþonar bezeichnet. Ist die Gesamtdeutung in der relevanten wissenschaftlichen Literatur uneinheitlich, so wird die Donar betreffende Form mehrheitlich als Weihe-Donar wiedergegeben. Abweichend davon wird wigi auch von der germanischen Bedeutung *wīʒan für Kampf abgeleitet, also als Kampf-Donar in der übertragenen Bedeutung. Heinrich Beck befürwortet anhand der nordischen gleichlautenden Formeln die Deutung als Weihe-Donar, demgegenüber befürwortet Rudolf Simek die Form als Kampf-Donar und lehnt die Weihedeutung ab. Edith Marold weist darauf hin, dass im ersten Glied des Namens wigi- statt g ein h gegeben sein müsste, um germanisch *wihjan ( h aus germanisch χ ) zu entsprechen. Zur gegebenen Lautung passe ein althochdeutsches wigan, schlagen, kämpfen analog zum altnordischen Vingþorr = Kampfthor besser. Die wikingerzeitlichen Zeugnisse (Beck) zeigen, dass Thor neben der Weihefunktion gleichfalls eine kriegerische Komponente zukam, so liegt hier für den südgermanischen Raum ein bedingtes gemeingermanisches Zeugnis für den Charakter des Gottes und seine Stellung bei den (noch) heidnischen Alemannen in der Spätzeit des kontinentalen Paganismus vor.

„Loga†ore W¿dan Wigi†onar awa LeubwiniÛ“
„Loga†ore, Wodan [und] Donar, [gebt] göttlichen Schutz der Leubwinia!“

– Helmut Arntz, Handbuch der Runenkunde. 2. Auflage. Halle/Saale 1944

„Loga†ore W¿dan W³g(i)†onar (A)wa (L)eubwini“
„Loga†ore (=Ränkeschmied) – W¿dan – W³gi†onar (=Weihe-ðonar) – Awa [und] Leubwini [schenken]“

– Wolfgang Krause, Herbert Jankuhn, Die Runeninschriften im älteren Futhark. Göttingen 1966

„Logaþore Wōdan Wigiþonar …“
„Wodan [und] Wigiþonar (=Kampf-Þonar) [zürnen] dem Logaþor (=der die Lüge Wagende: Loki)“

– Norbert Wagner, Historische Sprachforschung, 1995

Die Namensform Donars in Verbindung mit einer funktionalen Weihung beziehungsweise die Identifikation der Gottheit mit dieser Eigenschaft für die Menschen im alemannischen Spektrum findet sich in Skandinavien zur Wikingerzeit in runischen Inschriften für die dortigen Kulturen bestätigend. Die Altgermanisten und Runologen Klaus Düwel und Wolfgang Krause deuteten hingegen die Wendung Logatore als Ränkeschmied(e), Lügensprecher. Es besteht die Möglichkeit, dass hier in Bezug auf Donar anstatt einer Weiheformel ein christlicher Bannspruch aus der Zeit des Religionswechsels vorliegt, der die damit verbundene Zugehörigkeit zum nun christlichen Gott belegt. Zeitgleich zu Düwel deutet Norbert Wagner die Inschrift in paganem Kontext hinsichtlich einer Konfliktsituation mit dem Gott Loki.

Im sächsischen Taufgelöbnis des 8. Jahrhunderts, einer Abschwörungsformel vom tradierten paganen Glauben, wird Donar in angelsächsischer Transkription als Thunaer zusammen mit anderen Göttern erwähnt.

„[…] end ec forsacho […] Thunaer ende Uuoden ende Saxnote ende allum them unholdum
„[…] und ich entsage […] [dem] Donar und Woden und Saxnot und allen Unholden.“

Sächsisches Taufgelöbnis, Capitularia regum Francorum, Monumenta Germaniae Historica

Der langobardische Gelehrte Paulus Diaconus erwähnt in einem Gedicht über den dänischen König die Götter „Waten“ und „Thonar“. Die Formen der Namen zeigen aber oberdeutsche Formen und nicht nordische.

In angelsächsischen Glossen klerikaler Herkunft wird Þunor als „Jovem Þuner“, „Jupiter Þuner“ sowie „Þor“ und „Þūr“ bezeichnet. Die einsilbige nordische Namensform entstammt dem dänisch-wikingischen Einfluss aus der Zeit des Danelaw, wie er auch teilweise bei den Ortsnamen vorliegt. Orts- und Flurnamen in England, die auf die altenglische Namensform Þunor zurückzuführen sind und in der Endung auf Quellen oder feuchte Niederungen hinweisen, lassen auf ehemals der Gottheit geweihte Kultorte schließen. Beispielsweise werden in Handschriften Orte wie „Þunres lēa“ (lēa, lēah in der Bedeutung von Hain) oder „Þunorslēge“ sowie „Þunrēs feld“ genannt, moderne Entsprechungen finden sich in „Thundersley“ in Essex und „Thundersfield“ in Surrey. In den sächsischen und jütischen Siedlungsgebieten basieren die Orts- und Flurnamen auf der angelsächsischen Namensform, während im anglischen Bereich, welcher später unter dänischem Einfluss stand, die nordische Form des Gottesnamens vorherrscht. Bei dem Ort Burnsall in Yorkshire wurde daher auch ein Quellort dem Thor als „Thor’s Well“ geweiht. In Gilton, Kent wurden in Gräbern aus dem 6. Jahrhundert als Beigaben Thorshämmer gefunden, die die religiöse Verehrung Þunors belegen. Neben den Ortsnamen und archäologischen Quellen und den damit in Verbindung stehenden Kulten und Mythen zeigen auch nachwirkende Wendungen in der altenglischen Literatur, dass die gemeingermanischen Vorstellungen vom Gott von den Angelsachsen geteilt wurden. Nach Ernst Alfred Philippson weist eine Phrase aus dem Text der altenglischen Erzählung „The Prose of Salomon and Saturn“ auf diese gemeinsamen Vorstellungen hin:

„Se ðunor hit (ðæt deofol) ðrysceð mid þære fyrenan æcxe“
„Der Donner zerschmettert ihn mit feuriger Axt“

– Germanisches Heidentum bei den Angelsachsen, Köln 1929, S. 144–145

Kontinentale Orte und Ortsnamen wie der Donnersberg in Rheinland-Pfalz lassen auf Kultorte für Donar schließen. Beim Donnersberg – nicht bei allen Donnersbergen, da das Naturphänomen durchaus und in der Regel ursächlich namengebend war – führten die Germanen vermutlich die sakrale Nutzung des Ortes durch die vorher dort ansässige keltische Bevölkerung nach deren Verdrängung fort. Ähnliche Muster lassen sich in England feststellen und ebenso auf dem Kontinent, beispielsweise auf dem Heiligenberg bei Heidelberg in der Weiternutzung für den Wodankult.

Kirchliche Verbotsschriften, wie zum Beispiel die in Kurzform bezeichneten Indiculien, untersagen den neubekehrten Menschen den gewohnten und tradierten Kult und die darin enthaltenen Opfer an Donar. Wie in den angelsächsischen Glossen wird Donar hier in lateinischer Form „Jovem, Jovis“, also Jupiter. In der hochmittelalterlichen, ebenfalls aus gebildeter kirchlicher Autorenschaft stammenden altisländischen „Barlaams saga“ wird Donar/Thor analog zu kontinentalen Quellen mit Jupiter verglichen, beziehungsweise wird dieser als Thor definiert.

„anarr guð þeira er Júpiter, er Þórr kallðr“

Das wohl bekannteste dem Donnergott geweihte Heiligtum war die Donareiche (im Text: „robur Iovis“) bei Fritzlar in Nordhessen, die Bonifatius im Jahre 725 fällen ließ. Bonifatius beklagte in einem Brief an den Papst Gregor III., dass eben erst bekehrte und im Priesterstand stehende Personen zum Brauch der Donarsopfer zurückkehrten.

„De sacris Mercurii vel Jovis … De feriis quae faciunt Jovi vel Mercurio.“
„Über Opfer an Merkurius (Wodan) und Jupiter (Donar) … Über Feiern, die sie für Jupiter und Merkur veranstalten.“

– Indiculus c. 8, 20, Capitularia regum Francorum, Monumenta Germaniae Historica

Das Thorsberger Moor im schleswig-holsteinischen Ort Süderbrarup gilt als zentrales Stammesheiligtum der Angeln. Es war vermutlich dem Donar geweiht, und sein heutiger Name entstammt, wie es teilweise in England auch geschah, dem späteren wikingerzeitlichen, dänisch-nordischen Einfluss. Ob die Angeln nur Donar Opfer darbrachten oder auch anderen Gottheiten bleibt ungeklärt. Jedoch lassen die Artefakte gewisse Rückschlüsse auf die besonderen Anlässe beziehungsweise Umstände durch beispielsweise dargebrachte Waffenopfer zu. Die Opfertätigkeit endete im 5. Jahrhundert mit der Abwanderung großer Teile des Stammes auf die britische Insel.

Auf einem sächsischen Gräberfeld vom niedersächsischen Liebenau bei Nienburg an der Weser wurden in Körpergräbern von Frauen sogenannte „Donarskeulen“ als Beigabe gefunden. Dies zeigt die besondere Funktion Donars als Fruchtbarkeitsspender und dass seine kultische Verehrung bei den Sachsen mit der bei anderen germanischen Völkern vergleichbar ist. Eine weitere Funktion der „Donarskeulen“, nämlich die der Schadensabwehr, ist von der Vorbildfunktion römischer Herkuleskeulen abzuleiten, die von den Germanen nachgeahmt beziehungsweise entlehnt wurden.

Nordgermanische Zeugnisse

Um 1075 lieferte Adam von Bremen eine Beschreibung der Attribute und Eigenschaften Thors in seiner Geschichte des Bistums Hamburg (Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum). So schreibt ihm der Historiograph etwa die Steuerung von Wind und Regen zu. Diese Beschreibungen Thors stehen im Zusammenhang mit den aus Sicht des klerikalen Schreibers heidnischen Kulten um den Tempel von Uppsala.

„Thor praesidet in aere, qui tonitrus et fulmina, ventos imbresque serena et fruges gubernat. […] Si pestis et fames imminent Thor idolo libatur …“
„Thor hat den Vorsitz in der Luft, er lenkt Donner und Blitz, gibt Wind und Regen, heiteres Wetter und Fruchtbarkeit. […] Wenn Pest und Hungersnot drohen, wird dem Götzen Thor geopfert …“

– Hamburgische Kirchengeschichte, Buch IV, Kapitel 26, 27

In Norwegen und Island wurde Thor vor allem von der bäuerlich lebenden Bevölkerung als wichtigster Gott verehrt, altnordisch „mest tignaðr … hǫfðingi allra goða“. Er ist, wie der schwedische Religionshistoriker Ake V. Ström hervorhebt, der „Sohn der Erde – Jarðar burr“ oder „Jarðar sunr“ (Lokasenna 58, Þrymskviða 1 und Haustlǫng 14) und wird in der Folge von diesen Menschen als erdverbunden und mit der Fruchtbarkeit von Feld und Flur unmittelbar eng in Bezug stehend gedacht und empfunden. Odin als höchsten Gott zu verehren war in Skandinavien vor allem eine höfische Sitte der spätheidnischen skaldischen Versdichtung im 9. und 10. Jahrhundert, was sich aus einem Vers des eddischen Hárbarðslióð (Das Harbard-Lied), aus der Rede Odins Str. 24 herleiten lässt:

„Óðinn á iarla, þá er í val falla, enn Þórr á þræla kyn.“
„Das Knechtsvolk hat Thor, doch die Könige Odin, die da fallen im Feld.“

– Edda, Übertragung Felix Genzmer

Gleichwohl finden sich in einigen skaldischen Gedichten zentrale mythische Themen, die mit Thor verbunden sind und zeigen, wie populär diese waren. In spätheidnischer Zeit gewann Thor für die Wikinger, also die Gruppen von Nordgermanen, die auf Beutefahrt gingen, zusätzlich einen kriegerischen Aspekt beziehungsweise eine funktionelle Bedeutung. Dies vermutlich, weil Thor eine Kraft verkörperte, die für diese Menschen offenkundig war.

„Wenn sie (die Normannen) auf Beutezüge und Heerfahrten auszogen, pflegten sie früher zu opfern, im Dienst an ihrem Gott Thur.“

– Dudo von Saint-Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum 1, 2

Thor waren Tempel, Quellorte und Haine geweiht; Ortsnamen, die auf Thors Namen zurückgehen, sind noch heute in Gebrauch. In Schweden, Norwegen und Island überwiegen sie im zahlenmäßigen Vergleich alle anderen theophoren Ortsnamen. Wo man darauf schließen kann, dass Orte wegen seiner Beliebtheit nach Thor benannt worden sind, findet sich als zweiter Bestandteil des Namens häufig der Personenname eines Gründers. Daher stehen zweigliedrige Ortsnamen, die sich aus dem Gottesnamen und aus Bestandteilen wie altnordisch -hof und -lund(r), -harg, -vi oder anderen Begriffen mit sakraler Bedeutung zusammensetzen, für einen Tempel oder Hain.

„En Óðin ok þá höfðingja tólf blótuðu menn, ok kölluðu goð sín ok trúðu á lengi síðan. Eptir Óðins nafni var kallaðr Auðun, ok hétu menn svá sonu sína, en af Þórs nafni er kallaðr Þórir eða Þórarinn, eða dregit af öðrum heitum til, svá sem Steinþórr eða Hafþórr, eða enn breytt á fleiri vega.“
„Nach Odin bildete man den Namen Audun, und so nannten die Menschen ihre Söhne; die Namen Tore oder Toraren waren nach Thor gebildet, und auch mit anderen Begriffen wurde Thor im Namen verbunden; und so entstanden Namen wie Steintor oder Havtor und mancherlei andere.“

– Snorri Sturlusson, Yinglinga saga 7

„Þorgrímr reisti bú um vórit at Hofi … Þar stód Þórr í miðju ok önnur goð á tvær hendr;“
„Er (Thorgrim) ließ einen großen Tempel in seinem umhegten Hofplatz errichten … Da stand in der Mitte Thor und andere Götter zu beiden Seiten.“

– Kjalnesinga saga, Kapitel 2

„… Hallstein und die Leute von Reykjanes hatten einen Thorstempel dort im Westen errichtet, nachdem ein großer Baum an sein Land getrieben war, als er geopfert hatte. Und dahin entrichteten sie ihren Beitrag.“

– GullÞórissaga c. 7

Bei der südnorwegischen Örtlichkeit „Torshov gård“ bei Hamar in der Provinz Hedmarken lag ein Tempelheiligtum, das Thor geweiht war und von der ansässigen bäuerlichen Bevölkerung im Sinne der ihm von diesen Menschen zuerkannten Funktion genutzt wurde. In diesen Tempeln oder an anderen sakralen Orten wurden Thor laut den Quellen der Sagaliteratur beschnitzte Pfähle geweiht und Votivgaben dargebracht. Adam von Bremen berichtet von einem christlichen angelsächsischen Missionar, Wulfrad, der sich zur Mission bei den heidnischen Schweden aufhielt und dort an einer Thingstätte („in concilio paganorum“) ein Thorsbild zerstörte („ydolum gentis nomine Thor“). Daraufhin wurde er von den Schweden getötet und in einem (Opfer)Moor versenkt. Aussagen in der Sagaliteratur und in Berichten von klerikalen mittelalterlichen Chronisten zu etwaigen Menschenopfern sind als unsicher zu werten.

„Ihm (Thor) brachten sie nicht etwa Haustiere, auch nicht Viehherden, ebenso wenig Wein oder Feldfrüchte dar, sondern sie opferten immer Menschenblut; denn sie hielten es unter allen Opfern für das wertvollste.“

– Dudo von Saint-Quentin, De moribus et actis primorum Normanniae ducum 1, 2

Zutreffender sind Opferungen von Tieren, gerade im Hinblick auf die mythische Verbindung zwischen Thor und seinen Ziegenböcken Tanngnjostr und Tanngrisnir. Nach Rudolf Simek könnte die unten beschriebene Szene der Opferung und anschließenden Wiederbelebung der Ziegenböcke „Reminiszenz von Thorsopfern sein, welche archaischer wirken als die Angaben christlicher Autoren und deren phantastischen Berichte von Menschenopfern“ („Lexikon der Germanischen Mythologie“ Seite 420, Stuttgart 2006). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Bericht aus den Landnámabók Kap. 73 über ein Thorsopfer in Island beim Ort Þórsnes zu sehen, wo dem Delinquenten nach einem dómr, einem Rechtsspruch, auf einem „Thorsteiin“ vermutlich das Rückgrat gebrochen wurde. Menschenopfer waren über den gesamten räumlichen wie zeitlichen Rahmen der paganen Epoche bei den germanischen Völkern selten, solche an Thor zudem nicht belegbar.

Weitere Zeugnisse von Thor sind Bildsteine, Runensteine und einige wenige Brakteatfunde beziehungsweise Amulette im skandinavischen Raum, letztere vor allem kenntlich durch die Nennung des Götternamens in Runeninschriften. Sechs Steine aus Dänemark und Schweden tragen die Abbildung des Thorshammers. Vier wikingerzeitliche Runensteine aus beiden Ländern bezeugen die Verehrung Thors mit der transliterierten appellativischen Weiheformulierung „Þur uiki – Thor weihe!“. Ake V. Ström sieht in diesen Weiheformeln und gleichlautenden literarischen Motiven ein deutliches Anzeichen für die besondere Fruchtbarkeits- und Schutzfunktion Thors. Edith Marold sieht in den Inschriften des 9. und 10. Jahrhunderts mit dem Weihebezug eine späte Neubildung paganer Religiosität unter christlichem Einfluss.

„Þur uiki þisi kuml“
„Thor, weihe diese(n) Grabhügel.“

– Runenstein von Virring

Bildsteine sind dann sicher auf Thor zu beziehen, wenn eine Kombination mehrerer vorliegender Merkmale eine Identifikation ermöglicht. Auf dem Runenstein von Altuna aus der schwedischen Region Uppland, dem nordenglischen Gosforth-Kreuz sowie auf dem jütländischen Steinblock in der Kirche von Hørdum in Thy und auf dem gotländischen Bildstein „Ardre VIII“ ist die unten beschriebene mythische Szene abgebildet, in der Thor hammerschwingend mit der Midgardschlange kämpft. Andere Bildsteine greifen den Hrungnirmythos thematisch auf, indem sie das dreizackig-verwinkelte Hrungnir-Herz in szenischen Motiven zeigen und somit dadurch indirekt die mentale Präsenz Thors bei den Menschen verdeutlichen. Der Runenstein von Karlevi auf der schwedischen Insel Öland könnte eine weitere interessante Form indirekter Bezugnahme darstellen, in der die sprachliche organische Verflechtung und verinnerlichte tiefe Bedeutung durch den Aspekt einer mythischen Figur ausgedrückt wird, die eng mit Thor verbunden ist. Bei der Inschrift handelt es sich um die Preisung eines verstorbenen dänischen Wikingerführers. In stabender skaldischer Dichtung wird in der Strophe die transliterierte Wendung gebraucht: „dáðir dolga Þrúðar“. Þrúðr ist die Tochter Thors Thrud, und in diesem textlichen Zusammenhang stellt die Wendung eine Kenning (poetische Umschreibung) dar. „Dáðir dolga Þrúdar“ wird von Klaus Düwel übersetzt mit: „Der Baum der Thrud der Kämpfe“ oder „Göttin der Kämpfe“ und bedeutet übertragen der „Kampf-Baum“, eine Umschreibung für den Krieger. Ein Amulett aus Sigtuna bezieht sich ebenfalls auf den Kampf Thors mit den Riesen. Die Inschrift lautet: „Þur sarriþu þursa trutin – Thor verwunde dich, Herr der Riesen“.

Der als Gosforth-Kreuz bekannte Grabstein mit der mythischen Abbildung von Thors „Fischzug“ beziehungsweise seinem Kampf mit der Midgardschlange.
„Þur uigi þik þursa trutin“
„Thor weihe (oder verfluche) dich, der Herr der Riesen.“

– Handschrift aus Canterbury, „Canterbury Charm“

In die auslaufende heidnische Zeit fällt die Besiedlung Islands. Die spätere Sagaliteratur greift dieses Ereignis häufig aus der mittelalterlich-christlichen Perspektive auf. In dem Landnámabók (Kapitel 73) wird berichtet, wie der erste Siedler zur Bestimmung des idealen Siedlungsplatzes eine hölzerne Hochsitzsäule „öndvegissúlur“ mit geschnitztem Thorsbild („þar var skroinn á Þórr“) in das Küstengewässer warf und nachforschen ließ, wo diese Säule angelandet war. Dort errichtete man die neuen Hofstellen und baute für Thor einen neuen Tempel („gerði þar hof mikil ok helgaði Þórr“). Wegen der Funktion und Bedeutung, die Thor für diese Menschen hatte, und aus einem natürlichen Gefühl und Bewusstsein für religiöse Bindung stellten diese agrarischen Gemeinschaften sich durch die kultische Handlung unter dessen Schutz. Von einem dieser ersten Siedler Thorolf Mostrarskegg, der ein großer Opferer („blótmaðr mikill“) und Verehrer von Thor war („trúði á Þórr“), wird in der Saga berichtet, nachdem er ein Orakel befragt hat:

„Viele seiner Freunde entschlossen sich mit ihm zur Fahrt. Er brach den Tempel ab und nahm das meiste Holz, aus dem er gebaut war, mit sich, und ebenso die Erde unter dem Altar, auf dem Thor (als Idol) gesessen hatte. Danach stach Thorolf in See … Da warf Thorolf seine Hochsitzpfeiler über Bord, die in dem Tempel gestanden hatten; in einen von ihnen war ein Bild Thors geschnitzt. Er bestimmte, dass er sich dort auf Island ansiedeln wolle, wo Thor sie an Land kommen ließe … Er nahm Land im Süden des Fjordes … Danach suchten sie das Land ab und fanden, dass Thor an einem weiter nach dem Meer zu gelegenen Vorgebirge … mit den anderen Pfeilern an Land gekommen war. Das hieß seitdem „Thorness“.“

– Eyrbyggja saga, Kapitel 4

Ungefähr ein Viertel der Personennamen, die im Landnámabók der Siedler aufgelistet werden, basieren auf Thor. Nach Rudolf Simek weist dies neben den starken Familientraditionen besonders auf die massive Thorverehrung im Ursprungsland Norwegen hin. Jan de Vries führt aus, dass von den 4000 Personennamen, die dem Landnámabók zu entnehmen sind, 984 mit Thor zusammengesetzt sind, und dass die Bedeutung sich besonders dadurch verdeutlicht, dass im Gegensatz dazu lediglich vier Namen auf Freyr basieren – und kein einziger Name auf Odin zurückzuführen ist.

„Thor ist ein Gott, zu dem der heidnische Germane in all seinen Handlungen Zutrauen hat, dessen Hilfe er immer gewiss ist, der treue Freund, der ihn durch das ganze Leben begleitet und unter dessen Hammerzeichen er die letzte Ruhe findet.“

– Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, 3. Auflage. Berlin 1970, Band 2, S. 152

Aus der Zeit der Christianisierung der nordwestlichen Regionen Skandinaviens treten deutliche Formen von Synkretismus auf, in denen die tradierte Anhänglichkeit an Thor besonders in Not- und Gefahrensituationen gegenüber dem formal bekannten christlichen Glauben in den Vordergrund gelangt. In die Spätphase beziehungsweise in die Übergangszeit zur Annahme der christlichen Religion gehört der aufkommende Brauch, den Thorshammer zu tragen, als ein bewusster Akt in Analogie zum Tragen des Kruzifix. In dieser Gegenüberstellung von Thor und Christus sieht Edith Marold die oben erläuterte Weihefunktion Thors. Einer der Siedler aus der Eyrbyggja saga mit Namen Helgi war zwar ein Christ, vertraute jedoch bei Seefahrten bewusst auf Thor. Ein Textauszug aus der Oláfs saga Tryggvasonar kann durch die dort geschilderte Begegnung König Olaf Tryggvasons mit Thor und durch die Äußerungen des Gottes als Nachhall der alten paganen Religion gelten und zeigt gleichzeitig, wie sie – personifiziert durch Thor – abgelegt wurde. Olaf Tryggvason begegnet bei einer Segelfahrt an der Küste einem rotbärtigen stattlichen Mann (Thor), der auf einem Felsen steht, und bittet ihn an Bord des Schiffes, um dessen alte Geschichten erzählt zu bekommen:

„Hann svarar: „Þar tek ek þá til, herra! at land þetta, er vér siglum nú fur, var byggt forðum daga af risum nǫkkurrum, en risar þeir fengu með atburð brádðan bana, svá at þeir dó náliga allir senn, svá at eigi varð meirr eptir en konur tvær; síðan tóku menn af austrlǫndum at byggja land þetta, en þær enar miklu konur veittu því fólki mikinn yfirgang ok úmaka, ok þrǫngðu þeira manna ráðí, er landit bygðu, alt þar til er landsmenn tóku þat ráð at heita á þetta hit rauða skegg til hjalpar sér, en ek greip þegar hamar minn, ok sló ek þær báðar til bana, ok hefir þetta landsfólk haldit því at kalla á mik til flutings, ef þeir hafa nǫkkurs viðþurft, alt hertil er þú hefir, konungr! mjǫk svá eytt ǫllum mínum vinum, sem hefnda væri fyrir vert!“ – Ok í þessu leit hann aptr ímóti konungi, ok glotti við, í því er hann bikti sér út af borðinu, svá skjótt sem kólfi skyti á sjáinn, ok sá þeir hann aldri síðan.“
„Er erwiderte: „Damit beginne ich, Herr, dass dieses Land, an dem wir nun entlangsegeln, in alten Zeiten von Riesen bewohnt war. Aber die Riesen kamen einmal raschen Todes um, so dass sie fast alle zugleich starben und niemand mehr übrig blieb als zwei Weiber. Danach siedelten sich Leute aus östlichen Landen hier an, aber die großen Weiber fügten ihnen großen Verdruss und manche Gewalttätigkeit zu und bedrängten die Leute, die das Land besiedelt hatten, in ihrer Lage so lange, bis sie sich zuletzt entschlossen, diesen roten Bart um Hilfe anzurufen. Sogleich ergriff ich meinen Hammer und schlug sie beide tot, und das Volk dieses Landes blieb dabei, mich um Beistand anzurufen, wenn es not tat, bis du, König, alle meine Freunde vernichtet hast, was wohl der Rache wert wäre!“ – Dabei schaute er auf den König zurück und lächelte bitter, indem er sich so schnell über Bord stürzte, als wenn ein Pfeil ins Meer schösse, und niemals sahen sie ihn wieder.“

– Óláfs saga Tryggvasonar c. 213

Thor in der nordischen Mythologie

Die altnordische Literatur zeichnet ein deutliches Bild von Thor in den sogenannten „Thorsmythen“. Die einzelnen Motivlagen wurden teilweise literarisch überformt und zeigen Thor folglich in den zum Teil schwankhaften Gedichten der Lieder-Edda sogar als Witzfigur. In der Zusammenfassung wird Thor wie folgt geschildert und beschrieben:

Thor ist nach Odin der oberste und gefürchtetste der Götter. Er ist der Sohn von Odin und Jörd (der Erde), seine Ehefrau ist die schöne goldhaarige Sif, mit der er eine Tochter, Thrud (Kraft), hat. Mit der Jotenjungfrau Jarnsaxa, einer Riesin, die von solcher Schönheit ist, dass Thor, obwohl ein geschworener Feind der Joten (Riesen), mit ihr schläft, hat er zwei Söhne, Magni und Modi. Sein Lieblingssohn ist Magni, der ihm unter allen an Mut und Stärke am ähnlichsten ist. Thors Reich heißt Thrudvangr, und der Palast darin, Bilskirnir, ist mit 540 Sälen der größte, der je in Asgard erbaut worden ist.

„Segia mun ec til nafns míns, þótt ec secr siác, oc til allz øðlis: ec em Óðins sonr, Meila bróðir, enn Magna faðir, þrúðvaldr goða; við Þór knáttu hér doma. Hins vil ec nú spyria, hvat þú heitir.“
„Meinen Namen sollst du erfahren, wenn ich auch friedlos bin, und meine Abkunft auch: ich bin Odins Sohn, Meilis Bruder und Magnis Vater, der Rater Kraftherrscher …“

– Hárbarðslióð, Strophe 9.

„Vingþórr ec heiti – ec hefi víða ratað – sonr em ec Síðgrana..“
„Wingthor heiß ich – ich bin weit gezogen – und bin Sidgranis Sohn.“

– Alvíssmal, Strophe 6.

Furchtbar fährt Thor auf seinem Wagen daher, rollend, donnernd, über den Wolken, gezogen von den Ziegenböcken; doch noch schrecklicher ist er, wenn er seinen Kraftgürtel Megingjarder umschnallt, der ihm doppelte Kraft verleiht, und wenn er mit seinen Eisenhandschuhen den Hammer Mjölnir fasst und zermalmend unter seine und der Götter Feinde tritt. Hervorstechend ist hier seine Fehde mit den Riesen.

Einst stiehlt Thrym Thor seinen Hammer, während dieser schläft. Als Thor aufwacht, gerät er in hilflose Wut, da er sich seiner wichtigsten Waffe beraubt sieht. Loki fliegt, mit Freyas Federkleid ausgestattet, durch die Gegend, erspäht Thors Hammer in Riesenheim und stellt Thrym zur Rede. Thrym will den Hammer nur unter der Bedingung zurückgeben, dass er die Göttin Freya zur Frau bekommt. Freya gerät allerdings in große Wut, als Loki ihr dies erzählt. Daraufhin schlägt Heimdall vor, Thor zu verkleiden, ihn als Braut zu schmücken und ihn Thrym als Freya zu präsentieren. Thor hat zwar Bedenken, dass man ihn auslachen könnte, doch Loki sagt, bald würden die Thursen in Asgard herrschen, wenn er sich nicht seinen Hammer zurückhole. Beide reisen, als Braut und Magd verkleidet, zu Thrym. Thor fällt durch das Donnern, das seine Reise begleitet, seinen stechenden Blick, als Thrym ihm den Brautkuss geben will, und seine unglaubliche Gefräßigkeit beim Brautfest auf, Loki weiß allerdings Thrym immer wieder zu beruhigen. Zur Vollendung der Festlichkeiten läßt der Riesenfürst seiner Braut Thors Hammer Mjölnir in den Schoß legen, woraufhin der Donnergott seinen Hammer fasst und alle anwesenden Riesen, darunter auch Thrym, erschlägt.

„Þá qvað þat Þrymr, þursa dróttinn:“Berið inn hamar, brúði at vígia, leggit Miollni í meyiar kné, vígit ocr saman Várar hendi!“ Hló Hlórriða hugr í briósti, er harðhugaðr hamar um þecþi; Þrym drap hann fyrstan, þursa dróttin, oc ætt iotuns alla lamði.“
„Da sagte Thrym, der Thursen König: Bringt den Hammer, die Braut zu weihen! Leget Mjöllnir der Maid in den Schoß! Mit der Hand der War weiht uns zusammen! Das Herz im Leib lachte da Thor, als der hartgemute den Hammer sah: erst traf er Thrym, der Thursen König; der Riesen Geschlecht erschlug er ganz.“

– Þrymskviða, Strophe 30, 31.

Eine oft zitierte und kommentierte Passage schildert die Verspeisung der den Wagen Thors als Gespann ziehenden Ziegenböcke und deren Wiederbelebung.

Im Anschluss daran gelangt Thor, nunmehr mit begleitender Gruppe, zur Burg des Königs Utgartloki (Außenwelt-Loki Herr über Dämonen), der ihn durch gezieltes Demütigen bzw. das Infragestellen seiner göttlichen Macht und Kräfte herausfordert. Thor erhält drei Aufgaben von dem König. Zuerst fragt der König Thor, was er zu leisten vermöge, worauf Thor entgegnet, dass er es wie keiner sonst verstehe, das Trinkhorn zu leeren. Aber Thor versagt. Selbst bei dreimaligem Ansetzen gelingt es ihm nicht, das Horn zu leeren. Es kommt aber noch schlimmer. Utgartloki fordert Thor auf, seine Götterkraft unter Beweis zu stellen, indem er diese Kraft offen anzweifelt. Der Gegner ist eine Gegnerin. Es stellt sich die alte Frau Elli zum Ringkampf, und der Gott versucht sie mit allen Kräften ins Wanken zu bringen, vermag es aber nicht. Nun bemüht seine Gegnerin ihre Kräfte, und bald muss Thor geschlagen in die Knie gehen. Die dritte Aufgabe ist das Hochheben einer Katze; auch dies misslingt dem Gott.

Beschämt und gedemütigt ziehen sie weiter; kaum haben sie die Burg verlassen, klärt der König sie auf, dass alles auf Grund eines Zaubers so geschehen sei. Utgardloki erklärt, das Trinkhorn, aus dem Thor trank, habe Verbindung zum Meer gehabt, und die alte Frau sei das Alter selbst gewesen, das niemand besiegen könne. Die Katze wiederum sei die verzauberte Midgardschlange gewesen. Er habe Übernatürliches in den einzelnen Situationen geleistet. Thor, wütend, sich so getäuscht zu wissen, greift nach seinem Hammer, und in diesem Augenblick befinden sie sich alle auf einer weiten Ebene.

Um diese Scharte auszuwetzen, macht sich Thor in Begleitung des Riesen Hymir auf den Weg zur Midgardschlange im Meer. Sie fahren so weit hinaus, dass dem Riesen angst und bange wird. Thor bestückt den Haken einer Angelschnur mit einem Ochsenkopf als Köder. Die Schlange beißt an, fühlt ihre Verletzung und schlägt so hart an, dass Thor, die Schnur in den Händen haltend, auf die Reling des Bootes schlägt und seine Götterkraft sich derart verstärkt, dass seine Beine den Bootsrumpf durchstoßen und er auf dem Meeresgrund steht, wo er sich weiter gegen den Zug der Schlange stemmt. Thor zieht die Schlange in die Höhe und schaut sie mit glühenden Augen an. Diese versucht ihn mit ihrem Gift zu besprühen. Thor ergreift seinen Hammer, um die Schlange zu erschlagen, doch der vor Angst erschütterte Hymir durchtrennt die Schnur. Der Gott stürzt vor Zorn den Riesen mit dem Kopf zuerst ins Meer, so dass dessen Beine sich nach oben strecken. Dann watet Thor zurück ans trockene Land. In abweichender Version gelangen beide an Land, nachdem Thor dem Hymir eine Ohrfeige gegeben hat.

„Egndi á ǫngul, sá er ǫldom bergr, orms einbani, uxa hǫfði; gein við ǫngli, sú er goð fiá, umgiorð neðan allra land. Dró diarfliga dáðraccr Þórr orm eitrfán upp at borði; hamri kníði háfiall scarar, ofliótt, ofan úlfs hnitbróður“
„Auf die Angel spießte das Ochsenhaupt, der die Menschen schirmt, der Schlange Feind; vom Grunde griff gierig den Köder, den die Asen hassen, der Erdgürter. Zur Reling riss rüstig der Wurm, den giftglänzenden, der Gatte Sifs; mit dem Hammer hieb auf des Haares Berg Walvaters Sohn dem Wolfsbruder.“

– Hymiskviða, Strophe 22, 23.

In der Ragnarök findet Thor wie die meisten anderen Asen sein Ende, bezeichnenderweise durch die Midgardschlange. Die Schlange greift Thor an und verpestet durch ihre Ausdünstungen das Meer und die Luft. Thor erschlägt sie mit seinem Hammer, wankt aber neun Schritte zurück und ertrinkt dann in den Giftströmen, die das Untier ausspeit.

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Germanische Stämme – Die Goten

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Die Goten waren ein ostgermanisches Volk, das seit dem 3. Jahrhundert mehrfach in militärische Konflikte mit den Römern verwickelt war. Während der spätantiken Völkerwanderungszeit bildeten zunächst die West- und dann auch die Ostgoten eigene Reiche auf dem Boden des Imperium Romanum, die 711 und 553 untergingen.

Umstritten ist der Ursprung der Goten. Zur Zeitenwende siedelte im Bereich der Weichselmündung ein Volk, das antiken Autoren wie Tacitus unter dem Namen Gotonen (Gutonen; gotisch Gutans) bekannt war. Der Name wird oft vom gotischen Wort giutan („gießen“) oder gutans („gegossen“) abgeleitet und als „Ausgießer“ gedeutet. Ob diese Völker die Vorfahren der späteren Goten waren, wie früher angenommen wurde, ist umstritten. Nach Berichten von Jordanes stammten die Goten ursprünglich aus Skandinavien, doch stellt dies nach Ansicht der meisten Historiker eine Fiktion dar, die der Prestigeerhöhung der Goten diente.

Mit dem Ausgangspunkt, dass die Gutonen die Vorfahren der Goten waren, wird die Annahme gestützt, dass in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ein Teil des Volkes nach Südosten zum Schwarzen Meer zog. Andere Forscher vertreten hingegen die Ansicht, dass die Goten erst im Schwarzmeerraum und damit im Vorfeld der römischen Grenze als eigene Völkerschaft entstanden seien. Nach ersten Auseinandersetzungen mit dem Römischen Reich in Südosteuropa um die Mitte des 3. Jahrhunderts kam es am Ende des 3. Jahrhunderts zur Spaltung in eine östliche (Greutungen) und eine westliche Gruppe (Terwingen), aus denen sich später – vereinfachend gesagt – die Ostgoten (Ostrogothi) und die Westgoten (Visigothi) entwickelten.

Die Greutungen oder Ostgoten wurden um 375 von den Hunnen unterworfen. Nach deren Niedergang wurden sie zunächst römische foederati (Verbündete), eroberten aber 488 unter Theoderich Italien, formal im Auftrag Ostroms. Nach Theoderichs Tod zerfiel das Ostgotenreich um 550 unter dem Ansturm der oströmischen Truppen Kaiser Justinians. Die Terwingen (die späteren Westgoten) schlugen im Jahre 378 das oströmische Heer unter Kaiser Valens in der Schlacht von Adrianopel vernichtend. Sie wurden 382 römische foederati und gründeten Anfang des 5. Jahrhunderts ein Reich in Gallien, das von den Franken nach Hispanien verdrängt wurde. Das Westgotenreich unterlag 711 den muslimischen Mauren.

Stammesnamen

Die Westgoten wurden auch Tervingi (hauptsächlich in ihren Siedlungsgebieten nördlich der Donau) oder Vesigithi bzw. Visigothi (hier jeweils die lateinischen Formen) genannt. Terwingen bedeutet „Waldleute“ (gotisch triu „Baum“). Vesi ist eine prunkende Selbstbezeichnung, die so viel wie „die Edlen/Guten“ bedeutet.

Für die Ostgoten bestehen grundsätzlich zwei Namensformen: Ostrogot(h)i, Ostrogotae und Greutungi (Nebenformen: Greothingi, Grutungi, Grauthungi), wobei Greutungen frei übersetzt „Steppenbewohner“ oder „Strandbewohner“ heißt. Die älteste überlieferte Form von Ostgoten ist Austrogoti (Historia Augusta, Vita Claudii 6,2). Es handelt sich um eine Selbstbezeichnung, abgeleitet aus einem durch Wulfila überlieferten bibelgotischen Lexem, dem Kompositum *Austra-gutans. Im germanischen Vergleich bedeutet austra „östlich“. Anderweitige Deutungen wie „die durch den Sonnenaufgang glänzenden Goten“ sind etymologisch nicht beweisbar. Solche Deutungen erfolgten beispielsweise durch Herwig Wolfram von austr(o)-a als „glänzend, strahlend“, von germanisch *ausra (dazu auch Ostern).

Später wurden die Namen Vesigothi und Ostrogothi von Cassiodor, einem hohen römischen Beamten des Ostgotenkönigs Theoderich, in anachronistischer Weise in Westgoten und Ostgoten umgedeutet, als die Trennung der Stämme deutlich wurde. Als dritte Volksgruppe neben Ost- und Westgoten nennt Cassiodor die Gepiden. Sie waren ursprünglich wohl ein eigenes Volk und hatten sich dem Südzug der Goten angeschlossen. Die Gepiden blieben größtenteils im Hinterland, nahe der Karpaten, und spielten politisch eine eher untergeordnete Rolle. Die Westgoten siedelten nördlich der Donau, und die Ostgoten breiteten sich an der Mündung des Dnepr aus, unter anderem auch auf der Krim. Die Westgoten konstituierten sich in einer von vielen Kleinkönigen beherrschten Oligarchie, während sich das Königshaus der Amaler bei den Ostgoten (angeblich) seine Macht erhalten konnte. Historisch bezeugt sind die Amaler jedoch erst seit dem späten 4. Jahrhundert n. Chr., der uralte Stammbaum, den Jordanes angab, ist konstruiert.

Jordanes nannte neben West- und Ostgoten eine weitere, angeblich zahlreiche Gruppe, die er als Kleingoten bezeichnet. Diese Kleingoten, denen der gotische Bischof Wulfila angehörte, sollen zu Jordanes’ Zeiten die Gegend von Nikopolis in Mösien besiedelt haben.

Geschichte

Die Goten vor der Trennung

rot: Oxhöft-Kultur, dann frühe Wielbark-Kultur
blau: Jastorfkultur (hell: Ausweitung, lila: verdrängt)
gelb: Przeworsker Kultur (orange: verdrängt)
rosa, orange, lila: Ausweitung der Wielbark-Kultur (2. Jh.).

Herkunft: Stammeslegende und Realität

Die ersten Erwähnungen der Goten finden sich bei den antiken Geschichtsschreibern Tacitus, Strabon und Ptolemäus als Gotonen. Aus deren Nachrichten ergibt sich das Bild eines Stammesverbandes mit einem für germanische Verhältnisse bemerkenswert starken Königtum, der zur Zeitenwende nördlich des Weichselknies im Machtbereich der Markomannen siedelte. Westliche Nachbarn an der Ostseeküste waren die Rugier. Ob die südwestlichen Nachbarn, also Vandalen und Lugier, zwei Stammesverbände waren oder einer, ist unklar.

Als Cassiodor im ersten Drittel des 6. Jahrhunderts im Auftrag Theoderichs die Historia Gothorum („Geschichte der Goten“) abfasste, griff er zeitlich viel weiter zurück. Da Cassiodors zwölfbändige Fassung nicht erhalten ist, steht nur die verkürzte Überarbeitung durch Jordanes (um 550, De origine actibusque Getarum, kurz Getica) als Quelle für die frühen Stammeslegenden zur Verfügung. Diese Stammeslegenden waren zwar vielleicht mündlich überliefert worden, wurden aber von Cassiodor zumindest nach einflussreichen historiografischen Modellen (Tacitus’ Germania) geordnet und zum Teil erfunden. Cassiodor trug zahlreiche skandinavische und skythische Völkerschaften, deren Namen der klassisch-antiken Geografie und Ethnografie teils schon seit Herodot bekannt waren (insbesondere die häufig mit den Goten verwechselten Geten), und offenbar auch ihre Königslisten zu einer Gotengeschichte zusammen. Erschwert wird die Auswertung der Getica zudem dadurch, dass unklar ist, wie viel von Cassiodors Werk in ihnen überhaupt bewahrt worden ist.

Rekonstruktion eines gotischen Langbauernhauses bei Masłomęcz am Hrubieszów (2./3. Jahrhundert).
MSWG, Rekonstrukcja gockiego długiego domu w Masłomęczu, CC BY-SA 3.0

Gemäß der von Jordanes überlieferten Ursprungsgeschichte stammten die Goten vom sagenhaften Stammesgründer Gapt auf der Insel Scandza (Skandinavien) ab. Von dort seien sie unter König Berig mit drei Schiffen in Gothiscandza an der baltischen Küste gelandet und hätten sich nach fünf Generationen unter Filimer auf den Weg Richtung Süden gemacht. Die Spaltung des Volkes in West- und Ostgoten habe sich ereignet, als während der Überquerung eines großen Flusses die Brücke eingestürzt sei.

Diese Darstellung, die auch erst im 6. Jahrhundert bei dem oft wenig zuverlässigen Jordanes auftauchte, lässt sich jedoch nicht bestätigen. Sie ist wahrscheinlich vielmehr als ein topischer Herkunftsmythos anzusehen (siehe Origo gentis). So konnte durch die archäologische Forschung für die oft den frühen Goten zugerechnete Willenberg-Kultur (auch Wielbark-Kultur) keine signifikante Zuwanderung aus Skandinavien festgestellt werden. Der neueren Forschung zufolge ist eher davon auszugehen, dass diese Kultur östlich der Weichsel entstanden ist und sich seit dem 1. Jahrhundert langsam von dort aus nach Südosten verschob, während an der Weichselmündung einige Siedlungen noch bis ins 4. Jahrhundert fortbestanden.

Es wird oft angenommen, dass die Goten aus dem Zusammenschluss unterschiedlicher Stämme entstanden. Denkbar ist, dass dem Namen „Goten“ besonderes Prestige anhaftete, weshalb er (ähnlich wie der der Hunnen) von ganz verschiedenen Gruppen geführt wurde. Gemeinsam ist den traditionell den Goten zugerechneten Gruppen, dass sie ihren Verstorbenen keine Waffen ins Grab legten, was für Germanen untypisch ist. Die Aussagekraft dieser Beobachtung ist aber inzwischen umstritten. Einige Forscher (wie etwa Michael Kulikowski) bestreiten inzwischen jeden Zusammenhang zwischen der Willenberg-Kultur und den Goten und nehmen an, es habe überhaupt keine Wanderung der Goten vor dem 3. Jahrhundert gegeben, da sich erst damals die Ethnogenese des Stammes vollzogen habe – und zwar an der Donau, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Imperium Romanum. Genau wie Franken und Alamannen seien die Goten als neuer Großstamm erst an der römischen Grenze entstanden. Der Ausgang der Debatte darüber ist derzeit offen.

Von einer einigermaßen gesicherten gotischen „Geschichte“ kann erst gesprochen werden, als die Goten mit Überschreitung der Donau 238 in den Horizont der römischen und griechischen Geschichtsschreiber traten.

„Gotensturm“

Jordanes berichtete: Als nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts die Größe des Volkes immer mehr zugenommen habe, habe der Sage nach König Filimer den Entschluss gefasst, mit Heer, Frauen und Kindern auszuwandern. Nach traditioneller Ansicht zogen die Goten nun (relativ langsam) entlang der Weichsel flussaufwärts bis an die Donau und das Schwarze Meer. Auf ihrem Weg verdrängten sie, folgt man dieser Ansicht, die Markomannen, die den böhmischen Raum beherrschten, und lösten so nach Ansicht mancher Forscher die Markomannenkriege zwischen elbgermanischen Stämmen und Römern aus.

Gotische Wanderungen: 1. Götaland (grün); 2. Gotland (rosa); 3. die Wielbark-Kultur, 2. Jh. (rot); 4. die Cernjachov-Kultur, 3. Jh. (orange).
en:User:Wiglaf, en:User:Dbachmann, Chernyakhov, CC BY-SA 3.0

Wirklich unumstritten ist nur: Goten tauchten zu Beginn des 3. Jahrhunderts im Donauraum und an der Nordwestküste des Schwarzen Meeres auf. Archäologisch nachgewiesen ist nach Ansicht vieler Forscher eine Verschiebung von Teilen der Wielbark-Kultur in den Raum der Tschernjachow-Kultur (größtenteils in der Ukraine), während dies von anderen Gelehrten, die an eine gotische „Ethnogenese vor Ort“ glauben, mittlerweile vehement bestritten wird. Es begann an der Donau der teils als „Gotensturm“ bezeichnete Angriff gotischer Gruppen auf das Imperium. Dies fiel in die Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts, in der sich die innenpolitische Instabilität des Soldatenkaisertums mit außenpolitischen Bedrohungen an der Nord- und Ostgrenze des Imperiums verbanden.

Im Jahre 238 überfielen Goten zusammen mit den Karpen das römische Histria südlich der Donaumündung. In der einzigen erhalten gebliebenen zeitgenössischen historiographischen Quelle, dem griechischen Historiker Publius Herennius Dexippus (Dexippos), wurden sie, einem anachronistischen ethnographischen Topos für barbarische Völkerschaften aus dem Schwarzmeerraum gemäß, als Skythai bezeichnet. Nach Plünderung der Stadt und Erpressung von jährlichen Tributen zogen sie wieder ab. Als zehn Jahre später Kaiser Philippus Arabs nach Siegen über die Karpen die Zahlung der Tribute einstellte, fielen Goten unter ihrem Anführer Kniva im Jahr 250 mit mehreren großen Kriegergruppen nach Dakien, Thrakien, Mösien und Illyrien ein; ein weiterer Gotenführer scheint Ostrogotha gewesen zu sein, der in einem neu gefundenen Textfragment (Scythica Vindobonensia) erwähnt wird, das Dexippos zugerechnet wird. Der mittlerweile neue Kaiser Decius wurde in mehreren Schlachten besiegt und fiel schließlich in der Schlacht von Abrittus 251.

Der nächste Kaiser Trebonianus Gallus gestand den Goten wieder Tribute zu, wurde jedoch von Aemilianus gestürzt, der noch als Statthalter Kniva im Jahr 252 besiegt hatte und als Kaiser 253 die Zahlung einstellte. Erneut griffen die Goten Thrakien und Mösien an, wurden jedoch diesmal geschlagen. Nach erneutem Kaiserwechsel drangen die Goten 254 bis Thessaloniki vor. Mittlerweile waren viele römische Städte, die bisher unter dem Schutz der Pax Romana unbefestigt geblieben waren, stark befestigt, das Land litt unter den starken Verwüstungen.

Einige Goten gingen ab 255 zu seegestützten Angriffen über, zunächst im Raum des östlichen Schwarzen Meeres, eroberten sie zusammen mit den Boranern 256 Pityus und Trapezunt. Ab 257 durchfuhren die Goten erstmals den Bosporus und nahmen eine ganze Reihe kleinasiatischer Städte ein. Ein zweites Mal drang 268 eine große gotisch-herulische Armada im Verband mit starken Landstreitkräften gegen Byzanz vor, durchquerte die Dardanellen und fiel plündernd auf der Peloponnes ein. Kaiser Claudius II. besiegte die Angreifer in der Schlacht bei Naissus und nahm als erster den Ehrentitel Gothicus an. Nachdem sein Nachfolger Aurelian weitere Siege auch nördlich der Donau errungen hatte, wurde ein dauernder Frieden geschlossen. Der Kaiser gab allerdings die nördlich des Flusses gelegene Provinz Dakien auf, die daraufhin von den Goten und ihren Verbündeten besiedelt wurde.

Spaltung und weitere Ethnogenese

Mit dem Ende der Krise des Imperiums unter Diokletian, der die inneren Wirren beendete und so die Abwehrkraft des Reiches wiederherstellte, beruhigte sich vorerst die Lage an der Donau wieder. In diese Zeit (um das Jahr 290) fiel die Spaltung der Goten in die Terwingen-Vesier/Westgoten und Greutungen-Ostrogothen/Ostgoten.

In diesem Kontext muss betont werden, dass die Terwingen nicht einfach die späteren Westgoten und die Greutungen nicht einfach die späteren Ostgoten waren. Vielmehr fand die Ethnogenese differenzierter statt: Teile der Terwingen verschmolzen später mit Greutungen und Teilen anderer Völkerschaften zu den Ostgoten, wie Teile der Greutungen an der Ethnogenese des Hauptteils der Terwingen zu den Westgoten teilnahmen. Zeitlich kann man grob sagen, dass die Westgoten in der Zeit der Ansiedlung im Römischen Reich in den Jahren ab 376 bis zum Königtum von Alarich I., die Ostgoten im Zeitraum von dem Niedergang des hunnischen Reiches (Mitte des 5. Jahrhunderts) bis zur Übersiedlung nach Italien unter Theoderich dem Großen (489) „entstanden“ sind.

In der Forschung herrscht jedoch keine Einigkeit darüber, inwiefern man beispielsweise bei den späteren Ostgoten von einem Gemeinschaftsgefühl sprechen kann. Falsch ist sicherlich die Vorstellung, dass die Goten ein ethnisch abgeschlossener Verband waren. Vielmehr reichte es wohl aus, dass sich Neuankömmlinge zur „Kerngruppe“ (vielleicht einer Führungsgruppe, die Träger eines „Traditionskerns“ waren) loyal verhielten. Tatsächlich lassen sich nicht unbedingt wirkliche ethnische Kontinuitätslinien nachweisen, da Ethnizität besonders in der Spätantike zahlreichen Schwankungen unterlag und möglicherweise vor allem die Namen wanderten.

Nach Ansicht von Forschern wie Michael Kulikowski zeigte sich um 300 erneut der römische Einfluss auf die gotische Ethnogenese – indem die Kaiser besonders die Terwingen systematisch unterstützt hätten, um sie als Verbündete zur Vorfeldkontrolle einzusetzen, hätten sie die Ausweitung des terwingischen Machtbereiches und die Festigung einer westgotischen Identität entscheidend befördert.

Greutungen/Ostgoten

Greutungen

Das Herrschaftsgebiet der Greutungen, das deren König Ermanarich beherrschte, soll vor dem Einfall der Hunnen 375 n. Chr. beachtlich gewesen sein. Genaueres lässt sich jedoch kaum sagen, da auch Ammianus Marcellinus, die wichtigste Quelle für diese Zeit, dazu kaum Angaben machte. Jordanes berichtete in Kapitel 119 seiner Getica, dass Ermanerich gegen Ende seiner Herrschaft die Venethi, ein Slawenvolk, besiegt habe. In Kap. 116 zählte er einige der vorher unterworfenen Völker auf. Nicht alle Völker lassen sich identifizieren und lokalisieren. Aber die von ihm erwähnten Merens und Mordens sind als Merier und Mordwinen zu identifizieren. Die Imniscaris lassen sich als die in der Nestorchronik bezeugten Meščera erkennen. Bei den Wasinabroncas wird nach Abwandlung in Wasinabrocans ein Volk in üppigem teilweise sumpfigem Grasland vermutet, das sich aber nicht näher lokalisieren lässt. Wenn man Rogas Tadzans zu gotisch *Rōastadjans zusammenzieht, handelt es sich um „Wolgaanrainer“ (Rhōs ist der von den Mordwinen entlehnte gotische Name für die Wolga). Wenn man aus golthe scytha Thiodos das wohl später hineingerutschte scytha weglässt, so ergibt dies gotisch *Golthethiodos, was „Goldvölker“ bedeutet. Dieser Name muss sich auf den Ural beziehen, da nur dort Gold gefunden wurde. Nach Jordanes lebten die von Ermanarich unterworfenen Völker in einem Gebiet zwischen Ural und Wolga, vom Einzugsgebiet der Kama im Norden bis zum Uralfluss im Süden.

Die höchste Schätzung geht von einem gotischen Einflussbereich vom Baltikum bis zum Ural aus, was von den meisten modernen Forschern für übertrieben gehalten wird, zumal nicht sicher sei, ob Ermanarich über alle Greutungen geherrscht habe. Das Zentrum der greutungischen Herrschaft lag jedenfalls in der Ukraine und umfasste neben den Goten auch andere Volksgruppen. Als Ursache für diese Reichsgröße wird wie bei den späteren Rus der Fernhandel gesehen. Es handelte sich um die Pelze aus dem Eismeergebiet, um Gold aus dem Ural, um Wachs und Honig, eine Spezialität der Meščera, ein finno-ugrischer Name, der etymologisch auf Bienenbeute hinweist, nach Süden. Ermanarich gelang es schließlich, die den Ausgang der Wolga-Don-Route beherrschenden Heruler zu besiegen, was nur unter dem Gesichtspunkt des Handels sinnvoll war. Unter dem Aspekt des Fernhandels war das Reich des Ermanerich ein Vorläufer des mit gleicher Zielrichtung später entstehenden Reiches der Rus.

Der Prozess der Verreiterung unter dem Einfluss der iranischen Steppenvölker hatte zur Folge, dass der gepanzerte Lanzenreiter einen bedeutenden Teil der Streitkraft der Greutungen ausmachte – im Gegensatz zu den Terwingen, bei denen der Fußsoldat überwog. Der gotische Reiterkrieger trug Zweikämpfe zu Pferde aus und konnte große Entfernungen überwinden.

Spätestens im Jahre 375 überschritten die Hunnen den Don und unterwarfen das Reich der Alanen. Damit war Ermanarich der Krieg erklärt. Die hunnischen Reiter waren mit ihren damals hochmodernen Reflexbögen und ihrer Überfalltaktik den gotischen Kriegern weit überlegen. Der König selbst, so erzählt es Ammianus Marcellinus, wollte das weder erleben noch verantworten. Nach mehreren Niederlagen, angesichts der Schrecklichkeit der drohenden Gefahren und aus Furcht vor den großen Entscheidungen, setzte er selbst seinem Leben ein Ende. Sein Volk gab den Kampf aber noch nicht auf und wählte aus der Königsfamilie einen Nachfolger. Dieser fiel bereits nach einem Jahr, und der ostrogothische Widerstand brach zusammen. Der Großteil des Volkes geriet unter die Oberherrschaft der Hunnen, doch gelang es einer starken Gruppe von Greutungen und Alanen, sich mit abtrünnigen Hunnen zu verbinden und der Unterwerfung zu entziehen, worauf sie Zuflucht im römischen Reich suchten. Diese Gruppe war es, die den Terwingen/Westgoten ein Jahr später in der Schlacht gegen die Römer zum Sieg verhalf.

Der Großteil der Greutungen, auch die Gepiden, unterwarf sich den Hunnen und wanderte mit ihren Heeren in den Westen. Nur eine Minderheit blieb auf der Krim zurück, welche sich aber äußerst lange als selbständige Kultur behaupten konnte. Noch im 16. Jahrhundert wurde dort Gotisch gesprochen. Der flämische Gesandte Ogier Ghislain de Busbecq traf in Istanbul solche Krimgoten, von denen er einige Wörter überlieferte, wie reghen (Regen), stul (Stuhl) und handa (Hände). Die „Gotenburgen“, die Städte der Krimgoten, sind direkt in den Stein gehauen. In ihrer Hauptstadt Dori sind alle Straßen und Häuser mitten in den Fels gehauen.

Die unter hunnischer Herrschaft lebenden Goten passten sich den neuen Umständen offenbar an. Priskos berichtet, dass die gotische Sprache im Hunnenreich Attilas eine wichtige Verkehrssprache darstellte. Bei den unter den Hunnen lebenden Goten ist auch die Sitte der Schädelverformung nachweisbar. Hunnen nahmen gotische Namen an, wie auch umgekehrt Goten hunnische Namen trugen. Allerdings blieb das Verhältnis zwischen Goten und Hunnen ambivalent, es konnten sich offenbar auch immer wieder einige Gruppen von Goten der hunnischen Herrschaft entziehen oder unternahmen einen Versuch, dies zu erreichen (vgl. Radagaisus).

Ostgoten

Im Zuge des Niedergangs der Hunnenherrschaft nach dem Tode Attilas befreiten sich die Gepiden und andere unterworfene Völker 454 in der Schlacht am Nedao vom hunnischen Joch. Die Goten hatten dabei immer noch auf Seiten der Hunnen gekämpft, gewannen aber durch deren Niederlage ebenfalls ihre Unabhängigkeit (nach Ansicht einiger Forscher bildeten sich erst jetzt die Ostgoten als eigene Gruppe). Während sich die Reste der Hunnen in den Osten zurückzogen, schlossen die Ostgoten schließlich einen Föderatenvertrag mit dem Römerreich und siedelten sich in Pannonien an. 469 schlugen sie eine Allianz mehrerer feindlicher Stämme unter Führung des Donau-Sueben Hunimund in der Schlacht an der Bolia. Der Sohn des Ostgotenkönigs Thiudimir, Theoderich, kam als Geisel an den Hof in Konstantinopel (wohl von 459 bis 469). Nach seiner Entlassung erkämpfte er sich die Herrschaft über einen Teil der Ostgoten auf dem Balkan und wurde 474 deren König.

Dennoch gab es Ostgoten in oströmischen Diensten, wie den Heermeister Theoderich Strabo, den Rivalen des vorher genannten Theoderich. Erst nach dem Unfalltod Strabos 481 konnte sich Theoderich der Große endgültig durchsetzen.

Im Auftrag des Kaisers Zeno, der den Amaler gern loswerden wollte, zog der Heermeister Theoderich 488 mit dem Großteil der Ostgoten nach Italien, um Odoaker zu vertreiben, welcher 476 Romulus Augustulus abgesetzt hatte und als patricius das Land regierte. Die Goten marschierten 489 in Italien ein. Theoderich sollte Rom und Italien für das Imperium zurückerobern, bis der Kaiser selbst in den Westen kommen würde. Nach zweijähriger Belagerung Ravennas konnte Theoderich Odoaker in der Rabenschlacht besiegen. Obwohl beide sich bereits über eine gemeinsame Regierung Italiens geeinigt hatten, ermordete Theoderich seinen Gegenpart am 5. März 493 in Ravenna und herrschte fortan als princeps Romanus und „an Stelle des Kaisers“ über Italien. Zeno war 491 gestorben und sein Nachfolger Anastasius erkannte Theoderich, der sich offenbar nochmals als rex akklamieren ließ, zunächst nicht an. 497/498 kam es zu einer vorläufigen Einigung zwischen Ravenna und Konstantinopel, wobei sich die Duldung der gotischen Herrschaft aus Sicht des Kaisers wohl nur auf Theoderich, nicht auf etwaige Nachkommen bezog. Ob Theoderich fortan eher als König eines italischen Ostgotenreiches zu sehen ist oder eher als weströmischer Regierungschef in der Tradition Ricimers, ist in der Forschung umstritten.

Nach Ausschaltung der Konkurrenz im eigenen Lager war die Herrschaft Theoderichs jedenfalls gekennzeichnet von der Anknüpfung an die spätantike Verwaltungspraxis in Italien, vom Bestreben um einen Ausgleich zwischen Goten und Römern (die Arianer und Katholiken waren) und die Konsolidierung der Macht (Heirats- und Bündnispolitik). Er konnte jedoch nicht die Etablierung der fränkischen Herrschaft über Gallien verhindern und nur die Mittelmeerküste blieb nach 507 zunächst gotisch. 511 machte er sich zum rex über die vier Jahre zuvor von den Franken besiegten Westgoten, während es im Inneren zu einer kulturellen Spätblüte Italiens kam. Die letzten Jahre des Theoderich wurden überschattet von wachsenden Spannungen mit Konstantinopel, die zu Fehlentscheidungen wie der Hinrichtung des Boethius wegen Hochverrats beitrugen. Theoderich starb schließlich am 30. August 526, wobei zahlreiche Legenden über seinen Tod entstanden. Sein Grab in Ravenna ist leer.

Die Zeit danach war chaotisch: Als Vormund des designierten, aber erst zehnjährigen Nachfolgers Athalarich, regierte Theoderichs Tochter Amalasuntha. Ihr Vetter Theodahad entmachtete sie jedoch 534. Ostrom griff unter dem energischen Kaiser Justinian in den Kampf ein: Der oströmische Feldherr Belisar landete 535 auf Sizilien und stieß rasch bis nach Rom vor. Die rebellierenden Goten stürzten Theodahad und erhoben 536 Witichis zum rex, der Belisar bis 540 standhalten konnte. Doch im Mai 540 zog Belisar in Ravenna ein und nahm Witichis gefangen: Die Ostgoten schienen besiegt.

Die Reste des Gotenheeres erhoben aber 541 Totila zum rex, dem es dann völlig überraschend gelang, innerhalb kurzer Zeit größere Teile Italiens zurückzuerobern. Offenbar hatten sich die kaiserlichen Beamten in kürzester Zeit so unbeliebt gemacht, dass Totila viele Anhänger fand. In den folgenden zehn Jahren wurde das Land durch den Krieg so gründlich verwüstet, dass diese Katastrophe das Ende der spätantiken Kultur Italiens bedeutete; es tobte ein grausamer Krieg mit wechselndem Glück. Auch der erneut entsandte Belisar konnte aufgrund zu geringer Truppenstärke – die kaiserliche Hauptarmee war durch einen Krieg gegen die persischen Sassaniden gebunden – keine Entscheidung herbeiführen und wurde schließlich wieder abberufen. 552 wurde die neue oströmische Italienarmee (etwa 30.000 Soldaten) von Narses angeführt, der Totila 552 in der Schlacht von Busta Gallorum entscheidend schlug (Tod Totilas).

Mit Teja endete im Herbst 552 in der Schlacht am Milchberg die ostgotische Agonie. Die meisten Goten unterwarfen sich Narses. Die überlebenden Goten wurden teils zu oströmischen Untertanen, teils leisteten sie an einigen Orten noch bis 562 hinhaltenden Widerstand, und teils schlossen sie sich den Franken und Langobarden an.

Terwingen/Visigothen/Westgoten

Terwingen

Gegen Ende des 3. Jahrhunderts begannen die Terwingen, das von den Römern aus strategischen Gründen aufgegebene Dakien zu besiedeln. Bis kurz vor Beginn der Hunnengefahr blieb die Situation, bis auf kleinere gelegentliche Raubzüge der Terwingen, ruhig. Konstantin der Große hatte 332 einen Vertrag mit den Donaugoten geschlossen, die sich damit zur Waffenhilfe verpflichteten. Mit der Ära Athanarichs verschärften sich jedoch ab 365 die römisch-terwingischen Auseinandersetzungen wegen der schlechten Behandlung durch die römische Verwaltung. Athanarich, der einen römischen Usurpator unterstützt hatte, wurde 369 vom oströmischen Kaiser Valens entscheidend geschlagen, konnte aber dennoch einen günstigen Vertrag aushandeln. Die mittlerweile begonnene Christianisierung der Terwingen (hervorzuheben ist hier besonders Wulfila) führte zu Christenverfolgungen und der Bildung einer Opposition unter dem zum Arianismus übergetretenen Fritigern gegen Athanarich.

Obwohl Fritigern von Valens unterstützt wurde, behielt Athanarich vorerst die Oberhand. Dies änderte sich jedoch mit dem Anwachsen der Hunnengefahr, die Athanarich nicht abwenden konnte. Große Teile der Terwingen flohen 376 unter Fritigern mit Erlaubnis der Römer unter chaotischen Bedingungen ins Reich.

Visigothen

Die ungefähre Route des Zugs der Visigothen/Westgoten – innerhalb von zwei Generationen durchquerten sie zwischen 376 und 418 das halbe Römische Reich, bis sie schließlich in den Westprovinzen sesshaft wurden.

Die Visigothen, die im Rahmen eines Ethnogeneseprozesses auf oströmischen Boden nach diesem Donauübergang im Jahr 376 entstanden, unterschieden sich von den Terwingen (sowie den Greutungen). Die Visigothen wurden bereits in den Getica des Jordanes fälschlicherweise als „Westgoten“ gedeutet. Allein in der deutschen Geschichtsforschung setzte sich die Bezeichnung „Westgoten“ für die Visigothen durch, international wird die Bezeichnung „Visigothen“ verwendet.

Kaiser Valens hatte im Jahr 376 den Terwingen unter Fritigern erlaubt, die Donau zu überschreiten und sich in Teilen Thrakiens anzusiedeln. Sie wurden jedoch wegen des Versagens der dortigen Verwaltung nicht entwaffnet; dadurch gelangten schließlich zehntausende Terwingen über die Donau, sodass die Römer aufgrund von logistischen Problemen mit der Versorgung vollkommen überfordert waren, zumal es auch zu Misswirtschaft auf römischer Seite kam. Die römische Armee war ebenfalls völlig überfordert und konnte nicht verhindern, dass mit den Terwingen Fritigerns etliche andere Stämme teils ungeordnet die Donau passierten; und kurz darauf kam es zu Kampfhandlungen. Die römische Regionalarmee wurde geschlagen und römische Sklaven und bereits früher romanisierte Goten gingen zu Fritigern über. Eine Gruppe von Greutungen, die sich zum selben Zeitpunkt ganz in der Nähe befand, nahm mit den Terwingen Kontakt auf, ebenso wie einige Alanen und flüchtige Hunnen. Gegen diese Drei-Völker-Konföderation führte Kaiser Valens die gesamte östliche Hofarmee von etwa 30.000 Mann nach Thrakien. Sein Neffe Gratian sollte von Norden her mit seinen Elitetruppen anrücken, wurde jedoch durch einen plötzlichen Einfall der Alamannen aufgehalten und traf erst verspätet im Nordwesten des heutigen Bulgarien ein.

Da die Römer Kunde erhielten, dass das Heer der Visigothen nur aus 10.000 Mann bestehen würde, entschloss sich Valens trotz der fehlenden Verstärkung am Morgen des 9. August 378 zum Angriff. Bei Adrianopel trafen beide Heere aufeinander. Die Römer fanden entgegen ihrer Annahme jedoch einen zahlenmäßig viel stärkeren Gegner vor, der sich zudem hinter einer gewaltigen Wagenburg verschanzt hatte. Mittels Verhandlungen wollten beide Seiten einen Kampf vermeiden und eine friedliche Lösung herbeiführen, doch begannen zwei römische Einheiten wegen Disziplinlosigkeit ohne Befehl den Angriff. Die restlichen Truppen folgten daraufhin, so dass es zur Schlacht kam. Nachdem die Visigothen eine erste Attacke abgewehrt hatte, formierten sich die Römer neu und begannen einen zweiten Angriff auf die Wagenburg. Mitten im Kampfgeschehen kehrten jedoch die Reiter der Greutungen von ihrer Nahrungssuche zurück, die sich augenblicklich in die Schlacht stürzten. Da nun auch Fritigern einen Ausfall startete, befanden die Römer sich unvermittelt in der Zange und wurden von zwei Seiten angegriffen. Der linke Flügel konnte zwar zunächst weiter vordringen, wurde aber von den greutungischen Reitern abgefangen, woraufhin die römische Kavallerie und die taktische Armeereserve flohen.

Zwei Drittel des römischen Heers, Kaiser Valens und fast alle Generäle und Stabsoffiziere wurden getötet. Die kampfstärksten Teile der römischen Armee im Osten waren damit weitgehend vernichtet. Die Folgen der Schlacht waren vielfältig: Die terwingischen Visigothen wurden zu Reitern, die Christianisierung gefördert, und die römische Politik gegenüber reichsangehörigen Barbaren musste geändert werden, sie wurden von nun an integriert und dementsprechend wurden wirtschaftliche, politische und rechtliche Maßnahmen getroffen. Dass Adrianopel der Anfang vom Ende des Imperiums war, wie manchmal in der älteren Forschung vermutet, wird inzwischen stark angezweifelt. Allerdings kam es in der Folge zu einer Umorientierung der römischen Außenpolitik, die nun weniger als zuvor auf Präventivschläge und stärker auf Diplomatie und Tribute setzen musste. Grund war ein akuter Mangel an Soldaten, was die Barbarisierung des Heeres förderte.

Im Oktober 382 kam es zu einer vertraglichen Einigung zwischen den Visigothen und dem römischen Kaiser Theodosius I., der seit 379 als Mitkaiser Gratians den Osten beherrschte. Demnach wurden die Visigothen als Foederaten zwischen Donau und Balkangebirge angesiedelt, erhielten steuerfrei Land (welches aber römisches Staatsgebiet blieb) und Jahrgelder, mussten dafür aber als Soldaten dienen. Außerdem wurde ein Eheverbot zwischen Römern und Visigothen erlassen. Dieser Vertrag setzte eine Entwicklung in Gang, die letztendlich dazu führte, dass die Visigothen zu einem „Staat im Staate“ wurden, wobei diese Entwicklung allerdings nicht vorher in ihrer ganzen Tragweite absehbar gewesen war – zumal Theodosius das Gotenproblem wenigstens vorläufig gelöst hatte und nun wieder über eine schlagkräftige Armee verfügte, in welche die Visigothen eingebunden wurden. Insgesamt betrachtet, wich dieser „Gotenvertrag“ nicht wesentlich von der römischen Vertragspraxis ab. Es war vielmehr die spätere Entwicklung, welche die Auswirkung des foedus offen zu Tage treten ließ. Genauer Inhalt und Bedeutung des Gotenvertrages von 382 sind aufgrund der schlechten Quellenlage umstritten.

Möglicherweise aufgrund des immer stärker gewordenen hunnischen Drucks drangen ab dem Jahr 391 visigothische Verbände plündernd nach Süden vor; dabei tötete der gegenüber Rom loyale Stammesführer Fravitta seinen Rivalen Eriulf. Als im Jahr 395 die Hunnen in großem Stil die Donau überschritten, verließen die meisten seit 382 angesiedelten Visigothen ihre Wohnsitze und zogen unter Alarich I. plündernd über den Balkan und die Peloponnes, zumal sie sich nach dem Tod des Kaisers Theodosius I. nicht mehr an ihre mit ihm geschlossenen Verträge gebunden fühlten. Noch im Jahr 394 hatten sie Theodosius im Bürgerkrieg gegen Eugenius unterstützt und dabei einen immensen Blutzoll entrichtet. Nachdem sie von dem römischen Feldherrn Stilicho geschlagen worden waren, erhielten sie 397 drei Jahre später ein neues foedus und wurden in Makedonien angesiedelt.

Dort blieben sie nur vier Jahre, denn Alarich hatte noch immer keine Position im römischen Staat erlangt, die seinen Vorstellungen entsprach und seine Stellung legalisiert und abgesichert hätte. Er und seine Männer fühlten sich um den Lohn für ihre Hilfe im Kampf gegen Eugenius betrogen. Im Jahr 401 gingen Alarichs Visigothen daher erneut auf Wanderschaft und zogen kreuz und quer durch das Ostreich (Balkan) und Italien, um sich schließlich sieben Jahre später (408) nach dem Tod Stilichos, vor Rom festzusetzen. Alarichs zunehmend verzweifelte Bitten an den Kaiser Honorius, ihn und seine Männer zu versorgen und zu entlohnen, wurden von den Römern in falscher Einschätzung der Lage wiederholt abgelehnt. Am 24. August 410 nahmen Alarichs Truppen, die bereits zuvor zweimal mit einer solchen Aktion gedroht hatten, daher fast ohne Gegenwehr Rom ein und plünderten es drei Tage lang. Wegen der weiterhin prekären Versorgungslage versuchte Alarich vergeblich, in das reiche Nordafrika zu gelangen, doch fehlte es an Schiffen. Auf dem Rückzug nach Norditalien starb er. Sein Nachfolger Athaulf führte die Visigothen nach Gallien.

Nach weiteren militärischen Konflikten (Vorstöße nach Hispanien, ein weiterer Versuch, nach Nordafrika vorzustoßen) erhielten die Visigothen nach einer Niederlage gegen kaiserliche Truppen im Jahr 418 erneut einen Föderatenvertrag und wurden von Constantius III. in Aquitanien angesiedelt. Dies war der Anfang des gallischen Reichs der Visigothen um Tolosa (das heutige Toulouse).

Das Tolosanische Reich

In den nächsten Jahrzehnten kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Römern und Westgoten sowie zwischen Römern und diversen anderen Germanenstämmen und schließlich zu der immer massiver werdenden Hunnengefahr. 451 kam es zur Schlacht auf den Katalaunischen Feldern. Dort standen sich auf der einen Seite die Hunnen, Gepiden, verschiedene andere Germanenstämme sowie Ostgoten, auf der anderen Seite Römer, Gallier, ebenfalls diverse Germanenstämme und Westgoten gegenüber. Die Schlacht endete zwar unentschieden, aber der Nimbus der Unbesiegbarkeit Attilas war dahin. Der Legende nach starb der damalige König der Westgoten Theoderid durch einen Speerwurf des Ostgoten Andagis. Es ist allerdings fraglich, ob der Schlacht weltgeschichtliche Bedeutung zugemessen werden kann.

In der Folgezeit konsolidierte sich das Westgotenreich zunehmend. Theoderich II. nahm Einfluss auf die weströmische Politik und setzte seinen Bekannten, den vornehmen Gallo-Römer Avitus, als Kaiser durch. Nach dessen Tod kämpfte Theoderich II. gegen den weströmischen Heermeister Aegidius, der 458 die westgotische Belagerung von Arles aufhob. Als sich Aegidius 461 mit der Regierung in Ravenna zerstritt und sich nach Nordgallien absetzte, griffen die Westgoten im Auftrag des mächtigen Heermeisters Ricimer Aegidius an, der sie jedoch mit fränkischer Unterstützung 463 bei Orléans schlagen konnte. Eine römische Enklave in Nordgallien hielt sich unter Syagrius, dem Sohn des Aegidius, noch bis 486.

Besonders unter dem bedeutenden König Eurich, der in den 460er Jahren angesichts der Schwäche des weströmischen Kaisers den Föderatenvertrag kündigte und sich an die Eroberung der umliegenden gallischen Gebiete machte, erstarkte das Westgotenreich zusehends. Dabei trafen die Goten offenbar auf wenig Widerstand; vielmehr rückten sie vielerorts wohl einfach in die Position, die der Kaiser nicht mehr ausfüllen konnte. Es kam sowohl zur Konfrontation als auch zur Kooperation mit der gallorömischen Oberschicht. Spanien geriet zunehmend in den Fokus westgotischer Aktivitäten, wo Eurich sich festsetzen konnte. Mit dem Ende des Weströmischen Kaisertums im Jahre 476 wurde das Tolosanische Reich faktisch eigenständig und reichte in der Zeit seiner größten Ausdehnung von Hispanien, das in den 490er Jahren zwei große Einwanderungswellen erlebte, bis ins Mittelfrankreich an der Loire.

Gegen die vordringenden Franken unter dem Merowinger Chlodwig I., die 486 das nordgallische Reich des Syagrius erobert hatten, verloren die Westgoten unter König Alarich II. nach der Niederlage in der Schlacht von Vouillé im Jahr 507 weitgehend ihre gallischen Länder. Danach waren sie auf die Iberische Halbinsel und einen schmalen, sehr wertvollen Streifen an der französischen Mittelmeerküste (Septimanien und die westlich anschließende Küste) beschränkt. Auch Tolosa ging verloren. Offenbar hatte Alarich II. die Bedrohung durch Chlodwig völlig unterschätzt und den Fall des Syagrius, den er noch an Chlodwig ausgeliefert hatte, nicht als Warnhinweis ernst genommen. Auch die Unterstützung durch gallo-römische Kontingente unter dem Senator Apollinaris konnte das Blatt nicht wenden. Alarich wurde in der Schlacht getötet, und zunächst übernahm sein Sohn Amalarich die Herrschaft. Das Westgotenreich befand sich aber in Auflösung und konnte nur mit ostgotischer Hilfe gegen die Franken verteidigt werden. 511 gerieten die Westgoten zeitweilig unter ostgotische Herrschaft: Theoderich, die westgotische Anarchie ausnutzend, erklärte sich zu ihrem König.

Das Toledanische Reich

Nach Theoderichs Tod wurden die Westgoten 526 wieder unabhängig, neue Residenz wurde Toledo. 531 musste erneut eine schwere Niederlage gegen die Franken hingenommen werden und der Verlust aller noch verbliebenen gallischen Gebiete bis auf Septimanien. Erst König Leovigild gelang es nach einer längeren Zeit der Wirren, ab den späten 560er Jahren das Reich zu konsolidieren und die Iberische Halbinsel schrittweise fast völlig unter westgotische Kontrolle zu bringen. Er unterwarf die Kantabrer und die Sueben im Nordwesten und drängte auch die Oströmer zurück, die unter Justinian seit 552 Gebiete im Süden um Cordoba und Carthago Nova erobert hatten. Die letzten kaiserlichen Festungen in Spanien kapitulierten aber erst in den 620er Jahren.

Leovigild (568 bis 586) war der erste Westgotenkönig, der sich ganz offen als souveräner Herrscher gab: Er hörte auf, das Bild des Kaisers auf seine Goldmünzen zu setzen und signalisierte damit, dass er die formale Oberhoheit Konstantinopels nicht mehr anerkannte. Zudem trug er als erster Westgote Krone und Purpur, und nach der Art der römischen Kaiser gründete er eine neue Stadt, Reccopolis, die nach seinem Sohn Rekkared benannt wurde. Doch die folgenden Jahrzehnte waren von häufigen Auseinandersetzungen um die Thronfolge geprägt. Es hatte sich unter römischem Einfluss ein Wahlkönigtum entwickelt und mächtige Adelsfamilien kämpften um die Krone. Das jeweilige Königshaus versuchte dagegen, eine Erbmonarchie durchzusetzen.

Ein weiterer Machtfaktor war die katholische Kirche. Nachdem wiederholte Versuche der Könige gescheitert waren, die Mehrheit der Bevölkerung zum Arianismus zu bekehren, wählten sie schließlich den umgekehrten Weg: Nachdem König Rekkared I. bereits 587 zum Katholizismus übergetreten war, wurde auf dem 3. Konzil von Toledo 589 der Katholizismus Reichsreligion, worauf der Arianismus offenbar bald verschwand. Dadurch wurde die früher verbotene (wenn auch oft praktizierte) Vermischung der bisher arianischen Westgoten (wohl nur etwa zwei bis drei Prozent der Gesamtbevölkerung Hispaniens) mit den übrigen Bevölkerungsgruppen möglich. Als Folge schwand der Gebrauch der gotischen Sprache schnell zugunsten einer spätlateinischen oder frühspanischen Umgangssprache. Zum Zeitpunkt der arabischen Invasion 711 wird mit Ausnahme der höchsten Adelskreise niemand mehr die gotische Sprache verwendet haben. Die westgotischen Könige geboten in der Folgezeit faktisch uneingeschränkt über die Kirche, ohne Einmischung durch den Papst, womit die spanischen Bischöfe offenbar einverstanden waren.

Das späte 6. Jahrhundert war eine kulturelle Blütezeit des Westgotenreichs, die durch eine zunehmende Verdrängung der visigothischen zugunsten der spätantiken römischen Elemente gekennzeichnet war. So war es kein Zufall, dass in diesem Umfeld Isidor von Sevilla wirken konnte, der sich bemühte, das ihm noch zugängliche Wissen der Antike zu bewahren. Auch sorgten Könige für die Fortsetzung der Rechtskodifikation, die bereits Eurich begonnen hatte und die sich bis ins 7. Jahrhundert fortsetzte. Doch brachen in der darauffolgenden Zeit die Thronkämpfe nicht ab. König Wamba (672–680) war dabei der erste westeuropäische Herrscher, von dem sicher bekannt ist, dass er sich nach alttestamentarischem Vorbild zum König salben ließ – ein Weg, die eigene Position zu stärken, der einige Jahrzehnte später im Frankenreich eingeschlagen wurde.

Nach dem Tod König Witizas wurde im Jahr 710 Roderich (Rodrigo) zum König gewählt. Aber die Muslime, die ganz Nordafrika erobert hatten, überquerten mit einem Expeditionskorps von mindestens 8000 Mann die Meerenge von Gibraltar. König Roderich befand sich gerade auf einem Feldzug gegen aufständische Basken. Er eilte mit nahezu dem gesamten gotischen Heer nach Süden. Entgegen anders lautenden Behauptungen in späteren Quellen steht nach derzeitigem Forschungsstand fest, dass der König nicht von Adligen aus den eigenen Reihen verraten wurde. Allerdings wurde er von den gotischen Großen offenbar dazu genötigt, die Schlacht anzunehmen, bevor sein Heer vollzählig versammelt war. In der Schlacht am Río Guadalete unterlag er den Invasoren. Die westgotische Hauptstadt Toledo fiel kampflos. Sevilla und einige große Städte konnten sich noch fast zwei Jahre gegen die in der Folge in großer Zahl ins Land strömenden Muslime halten. 719 war die muslimische Eroberung der Iberischen Halbinsel abgeschlossen. 725 wurde der letzte Rest des Reichsteils Septimanien nördlich der Pyrenäen von den Muslimen eingenommen. Der westgotische Adlige Theodemir schloss mit den Muslimen Frieden und konnte sich so ein erbliches Fürstentum unter muslimischer Oberhoheit sichern, diese Landschaft wurde nach ihm Tudmir benannt.

Von Asturien aus begann ab 722 unter dem westgotischen Adligen Pelagius (Pelayo) die später so genannte Reconquista (Rückeroberung der Iberischen Halbinsel durch die Christen). Nach dem Zusammenbruch des Westgotenreichs war auch Asturien vollständig unter muslimische Herrschaft geraten, doch im Jahr 718 wurde Pelayo von Aufständischen zum König oder Fürsten gewählt. Er gründete das Reich Asturien, dessen Herrscher sich später als Nachfolger der Westgotenkönige betrachteten.

Die westgotischen Spuren in der spanischen Kultur sind minimal, zumal die Zahl der Westgoten nie besonders groß war. Allerdings führten nicht wenige Granden noch sehr lange – zum Teil bis heute – ihr Geschlecht mit Stolz auf tatsächliche oder vermeintliche germanische Vorfahren zurück.

Die Kultur der Goten

Zu beachten ist, dass es nach der Ansiedlung der Westgoten und der Ostgoten auf römischem Gebiet zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Aneignung der römischen Kultur durch die Goten kam, wenngleich freilich immer noch Unterschiede bestanden. Umgekehrt hat die islamische Kultur im mittelalterlichen Spanien viel von den Westgoten übernommen, so die Form der Säulenkapitelle in ihren Moscheen. Das lässt sich besonders gut in Andalusien nachvollziehen.

Sprache

Das Gotische ist Hauptvertreter des ostgermanischen Sprachzweiges, zu dem auch Vandalisch und Burgundisch gezählt werden. Da es durch Wulfila mehrere Jahrhunderte früher als alle anderen germanischen Sprachen eine Schrift erhielt und somit als erste germanische Sprache den Rang einer Schriftsprache erreichte, ist das überlieferte Gotisch altertümlicher als etwa das Altenglische oder das Altnordische. Es steht wohl in manchem dem Gemeingermanischen näher.

Das Gotische ist bis auf Spuren, die es im Wortschatz romanischer Sprachen hinterlassen hat, ausgestorben. Bis zum 17./18. Jahrhundert existierten auf der Krim noch Reste: das Krimgotische.

Religion

Die ursprüngliche Religion der Goten ist den Germanischen Religionen zuzuordnen. Wie für andere germanische Religionen ist für die Religion der Goten die Quellenlage schlecht.

Jordanes berichtet, dass die Goten ihre Könige nach einem Sieg nicht mehr als gewöhnliche Menschen betrachteten, sondern sie als Halbgötter (semidei), auf Gotisch ansis, bezeichneten (Getica 13). Beim Namen „ansis“ scheint es sich um die gotische Form des Namens der Asen zu handeln. Bei den Westgoten stand möglicherweise der Kriegsgott Tyz an erster Stelle. Ein gotischer Wodan-Odin ist nicht sicher überliefert. Daneben wurden die Donau und andere Flüsse als Gottheiten verehrt. Der Flussgott empfing Menschenopfer, und Eide wurden auf seinen Namen geleistet. Schlachten wurden mit Preisliedern auf die Ahnen und die Götter und dem Trinken von Met eröffnet. Die Priester und Schamanen (auch Priesterinnen) der einzelnen Stämme verehrten lokale Gottheiten. Einen gemeinsamen Kult aller Goten (oder auch nur aller Westgoten) gab es anscheinend nicht.

Schon im 3. Jahrhundert kamen die Goten mit dem Christentum in Berührung, da sich unter den Gefangenen, die sie bei ihren Raubzügen auf römischem Gebiet machten, auch Christen befanden, die bei den Goten Bekehrungsversuche unternahmen. Der erklärte Feind Roms Athanarich, der bis 375 als Richter (lateinisch iudex) der gewählte Sprecher der westgotischen Kleinkönige war, verfolgte vor 346 und 369–372 die gotischen Christen im Namen der gotischen Gottheiten.

Das Christentum verbreitete sich sozial gesehen von unten nach oben. Die terwingische Oberschicht sah darin eine Bedrohung der religiösen und sozialen Ordnung und verdächtigte die Christen der Kollaboration mit den Römern. Daher kam es zu Christenverfolgungen. So ließ Athanarich Christen mitsamt ihren Häusern verbrennen, der Gote Wingurich zündete volle Kirchen an.

Im Laufe dieser Konflikte, die eine starke innenpolitische Zerrüttung zur Folge hatten, verbündete sich Athanarichs Gegenspieler, der zum arianischen Christentum übergetretene Fritigern, mit Kaiser Valens und stand damit auf Seiten Roms. Bei innergotischen Kämpfen im Jahre 367 zwischen Athanarich und Fritigern konnte sich ersterer durchsetzen. Dies hatte folgenreiche Auswirkungen auf das Verhältnis zu Rom und auch die Christen mussten stark darunter leiden.

Der gotische Bischof Wulfila schrieb mit seinen Helfern die erste germanische Bibel (Wulfilabibel), nachdem er bei der ersten Christenverfolgung aus dem Gotenreich vertrieben und vom römischen Kaiser Konstantius II. im Landstreifen östlich der unteren Donau angesiedelt worden war. Er schrieb sie teils mit Hilfe von bereits von lateinischen und griechischen Missionaren übersetzten Stücken, ab 350 bis zum Jahre seines Todes 383.

Das besterhaltene Exemplar ist der Codex Argenteus – ein königliches Stück auf purpurn gefärbtem Kalbspergament, mit silberner und goldener Tinte geschrieben. Es beweist die Wertschätzung, die diesen identitätsstiftenden Bemühungen noch im 6. Jahrhundert entgegengebracht wurden. Wulfila selbst wurde wahrscheinlich schon bei seiner Geburt getauft, dreisprachig erzogen und erhielt eine rhetorische Bildung. Um 341 etwa muss er seine Weihe zum Bischof der Christen im gotischen Land erhalten haben.

Über die Christianisierung der Ostgoten ist nicht viel bekannt. Spätestens die pannonischen Goten unter Theoderich galten als arianisch.

Sippen

Es sind dank Jordanes vier Königssippen der Goten überliefert: die Amaler, die Balthen, die Berig- und die Geberich-Sippe. Umstritten ist, wie alt diese Geschlechter tatsächlich waren; inzwischen gehen viele Forscher davon aus, dass sich ein regelrechtes Königtum bei den gotischen Verbänden erst spät etablierte und die Vorgeschichte der Geschlechter Fiktion ist. Stammvater der halbgöttlichen Amaler war laut Joardanes Amal, legendärer Urenkel des Gapt, dessen Urenkel wiederum ein gewisser Ostrogotha war, der „Vater der Ostgoten“. Cassiodor bringt sie mit den A(n)ses (vgl. die nordischen Asen), den Göttern, in Verbindung. Der erste historische Amaler war Ermanarich, ein weiterer prominenter Vertreter dieses Geschlechts war Theoderich der Große. Die deutsche Heldensage bewahrt den Namen des Königsgeschlechts als Amelungen. Die visigotischen Balthen (die „Kühnen“, englisch bold) nahmen den zweiten Rang ein. Zu ihnen zählten Alarich I., Ricimer und Gesalech. Aus der Berig-Sippe sind nur Berig selbst, ein ansonsten unbekannter Gadarig sowie Filimer bekannt. Zur Sippe von Geberich gehörte neben dem Namensgeber möglicherweise auch Kniva. Die politisch motivierte Überlieferung des 6. Jahrhunderts sieht die Amaler und Balthen als legitime Herrscher der Ost- und Westgoten an.

Herrschaftsaufbau

Das Herrschaftsgebiet der Goten war die gutþiuda, unterteilt in Kleinstämme, die kunja. Letzteren standen die Häuptlinge (reiks) vor, die in dem Rat (gafaúrds) zusammentraten. Bei Gefahr wurde ein Richter (kindins) bestellt. Richter oder Rat bestellten für militärische Unternehmungen einen Heerführer (drauhtins). Das Land wurde beherrscht von der Aristokratie in Haus (gards) und Burg (baúrgs) in Konkurrenz zum genossenschaftlichen Dorf (haims).

Im Laufe der Zeit, besonders mit den Wanderungen, setzten sich immer stärker die Elemente des germanischen Heerkönigtums durch: Der König þiudans wurde von der Versammlung der Krieger auf den Schild gehoben (was zum geflügelten Wort wurde). Diese Entwicklung mündete schließlich in der Konkurrenz von Wahlkönigtum und Erbmonarchie der spanischen Westgoten. Der Ostgotenkönig Theoderich („der Große“) verstand sich hingegen als römischer Bürger und latinischer König, Flavius rex. Sein Bestreben war es, die gotische Geschichte zu einem Teil der römischen zu machen.

Nachwirkung

  • Die Flucht westgotischer Adliger nach Asturien wurde zum Teil der spanischen Geschichte. Der spanische Thronfolger trägt noch den Titel „Fürst von Asturien“. Asturien war aber nie westgotisches Siedlungsgebiet. Bereits zuvor waren die im Kernland um Toledo siedelnden Westgoten weitestgehend romanisiert gewesen, was durch das Fehlen eines für die Westgoten typischen archäologischen Fundhorizonts im 7. und 8. Jahrhundert belegt wird. Die im Westgotenreich entstandene Mischbevölkerung wurde im Emirat und späteren Kalifat von Córdoba teilweise islamisiert.
  • Im Mittelalter diente die Berufung auf die Goten dazu, die Reconquista (Wiedereroberung) und die Wiederbesiedlung entvölkerter Regionen historisch zu legitimieren. Ab dem 15. Jahrhundert und bis in die Moderne wurden die Goten auch von Schweden vereinnahmt (mit Berufung auf Jordanes). Jedoch ist eine Verbindung mit den in Südschweden siedelnden Guten (Gotland) und Gauten (Östragötha und Västragötha) sowie eine Verbindung zum Epos Beowulf umstritten.

    Das Grabmal Theoderichs des Großen in Ravenna.
    Dr. Wilfred Krause, Theoderich-Grabmal 2010, CC BY-SA 3.0 DE
  • Das Mausoleum des Theoderich in Ravenna ähnelt ein wenig dem Grabmal Konstantins. Theoderichs Gebeine sind jedoch verschollen.
  • Das berühmteste Kunstwerk der Goten ist sicher der Codex Argenteus, die Silberbibel, geschrieben mit Silber- und Goldtinte auf Pergamentseiten, die mit dem Rot der Purpurschnecke gefärbt wurden: ein unschätzbar wertvolles Manuskript und eine der wichtigsten Handschriften der Spätantike. Es entstand im frühen 6. Jahrhundert in Italien und liegt heute in Uppsala. Ein einzelnes Blatt dieses Werkes wurde 1970 in einem Schrein im Dom zu Speyer gefunden.
  • Der 1837 entdeckte Schatz von Pietroasa, im Nationalmuseum von Bukarest, gehört zu den prachtvollsten Funden, welche den Goten zugeschrieben werden. Möglicherweise wurde er vor den Hunnen verborgen. Im Schatz enthalten sind zahlreiche spätantike Silbergefäße und die berühmten Adlerfibeln. Der Adler war seit der Zeit am Schwarzen Meer das gotische Symbol schlechthin.
  • Der Schatzfund von Guarrazar bei Toledo enthält unter anderem Weihekronen zweier westgotischer Könige.

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Nordseereich, das letzte Reich der Wikinger

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Das Nordseereich (1014–1035).
Cnut_lands.svg: Hel-hama derivative work: Furfur, Cnut lands de, CC BY-SA 3.0

Das Nordseereich oder auch Anglo-Skandinavische Reich war ein unter König Knut dem Großen geeintes Großreich, das England, Dänemark, Norwegen und Teile Schwedens umfasste. Es entstand durch die Krönung Knuts zum König von England im Jahr 1016, brach nach seinem Tod 1035 auseinander und erlosch mit dem Tod seines Sohnes Hardiknut im Jahr 1042.

Vorgeschichte

Der dänische König Sven Gabelbart herrschte seit der Seeschlacht von Svold am 9. September 1000 über Norwegen mittels zweier Jarle. Nach der Teilnahme an einigen von Norwegen geleiteten Raubzügen in den Jahren 994–995 führte Sven einige groß angelegte Invasionen gegen England durch (1003–1005, 1006–1007, 1009–1012 und 1013), in denen er das Danegeld eintrieb. Zuvor hatte der englische König Æthelred II. das St. Brice’s Day Massaker befohlen, bei dem am 13. November 1002 alle dänischen Bewohner Englands getötet werden sollten. Dabei kam auch Gabelbarts Schwester Gunhilde ums Leben. Im Jahr 1013 gelang Gabelbart die Eroberung Englands und die Vertreibung Æthelreds II. in die Normandie. Am 25. Dezember 1013 wurde er zum König von England erklärt und er war bis zu seinem Tode der tatsächliche Herrscher in England.

Gliederung

England

Knut der Große war der zweite Sohn des dänischen (und für kurze Zeit englischen) Königs Sven Gabelbart, der auf seinem Englandfeldzug am 3. Februar 1014 in Gainsborough starb. Knut lagerte zu diesem Zeitpunkt als Kommandant der Flotte am Trent und wurde von den Dänen als Svens Nachfolger bestätigt. Mit Svens Tod war die Invasion Englands aber vorerst gescheitert. Die englischen Adligen erkannten Knut nicht als ihren König an und riefen im Gegenzug für politische Reformen den von Sven 1013 in die Normandie vertriebenen König Æthelred zurück. Knuts verbündete Krieger von Lindsey waren noch nicht zum Kampf gerüstet, und so floh Knut vor Æthelreds Heer kampflos nach Dänemark.

Im Sommer 1015 stellte Knut eine neue Invasionsflotte auf und segelte mit Hilfe des norwegischen Jarls Erik Håkonsson wieder gegen England. Die Engländer waren untereinander zerstritten, und mit Hilfe eines Sohnes Æthelred eroberte Knut Wessex. Noch vor der entscheidenden Schlacht starb Æthelred am 23. April 1016. Die Londoner erkoren seinen Sohn Edmund zum König, während sich die meisten Adligen in Southampton trafen und Knut die Gefolgschaft schworen. Dieser zog zunächst nach Norden und besetzte Northumbria und anschließend wieder nach Süden, um London zu belagern. Um ihre Vorräte aufzufüllen, mussten die Belagerer aber wieder abziehen und wurden bei Otford von Edmund geschlagen. Bei der Verfolgung der Dänen durch Essex wurde Edmund wiederum in der Schlacht von Assandun von den Dänen geschlagen. Dadurch war er gezwungen, Knut die Herrschaft über alle englischen Territorien bis auf Wessex zu überlassen. Es wurde vereinbart, dass beim Tod eines der beiden Könige der jeweils andere die Krone über das gesamte Reich erhalten sollte. Als am 30. November 1016 Edmund starb, wurde Knut zu Weihnachten als König von England gekrönt.

Im Sommer 1017 festigte Knut seinen Herrschaftsanspruch, indem er Æthelreds Witwe, Emma von der Normandie heiratete, obwohl er zuvor schon die englische Adlige Ælfgifu von Northampton geheiratet hatte. Im selben Jahr teilte er sein Herrschaftsgebiet in die Grafschaften Wessex, Mercia, Northumbria und East Anglia auf.

Dänemark

Knut der Große und seine Frau Ælfgifu (1031).

Knuts älterer Bruder wurde nach Sven Gabelbarts Tod 1014 König Harald II. von Dänemark. Als dieser 1018 kinderlos starb, wurde Knut 1019 König und setzte seinen Schwager Ulf Jarl als Stellvertreter ein. Eine dänische Chronik besagt, dass die Dänen bereits zuvor Harald zu Gunsten Knuts entthronten, ihn aber wegen Knuts häufiger Abwesenheit wieder einsetzten, bevor Knut nach Haralds Tod endgültig König wurde.

König Olav II. Haraldsson von Norwegen und sein Schwager König Anund Jakob von Schweden fühlten sich durch das Anglo-Dänische Königreich bedroht. Sie nutzten durch Knuts Aufenthalt in England die Gelegenheit und Olav griff im Jahr 1025 oder 1026 Dänemark in Sjælland an, während Anund Jakob Dänemark von Osten angriff. Dabei wurden sie von Knuts Statthalter Ulf Jarl unterstützt, der Knuts Sohn Hardiknut zum König von Dänemark wählen lassen wollte. Knut segelte von England mit seiner Flotte zum Limfjord und es kam in Schonen zur Schlacht am Helgeå zwischen Knut und der norwegisch-schwedischen Koalition. Der Ausgang der Schlacht ist umstritten, aber Olaf und Anund Jakob mussten sich zurückziehen. Knut ließ Ulf Jarl zu Weihnachten 1026 wegen Kollaboration töten, obwohl er in der Schlacht an Knuts Seite gekämpft hatte.

1025 wurde Knuts und Emmas Tochter Gunhild dem Sohn Kaiser Konrads II. und seiner Frau Gisela von Schwaben, dem zukünftigen Kaiser Heinrich III. versprochen. Im Gegenzug wurde Knut als Herrscher über Schleswig anerkannt. Die Eider wurde damit zur Südgrenze seines Reiches.

Norwegen

Olav II unterstützte Æthelred 1014 bei seiner Rückeroberung Englands und zog so die Feindschaft Knuts auf sich. Im Herbst 1015 segelte er nach Norwegen und nutzte die Abwesenheit des Jarls Erik aus, der mit Knut in England kämpfte und Norwegen seinem Sohn Håkon Eiriksson überließ, und übernahm dort die Macht. Nach Sigvat Tordsson ist die Machtübernahme friedlich verlaufen, während Ottar Svarte und Snorri Sturluson von einer feindlichen Auseinandersetzung mit einer vorübergehenden Gefangennahme Håkons berichtete. Håkon ging daraufhin nach England. Olav gewann im darauffolgenden Jahr in der Schlacht bei Nesjar gegen den an Zahl unterlegenen Jarl Sven, Håkons Onkel väterlicherseits. Möglicherweise bestand ein gutes Verhältnis zwischen Olav und Knut oder sogar eine Absprache zwischen Olav, Knut und Håkon, dass Olav Norwegen erhalten und Håkon Jarl in England werden sollte. Die Überfahrt Olavs nach Norwegen mit nur zwei Handelsschiffen und die friedliche Aussprache mit Håkon sprechen dafür. Eine solche Absprache zwischen Knut und Olav erkläre auch, warum Sven 1016 so wenig Unterstützung für die Schlacht bei Nesjar fand.

Nach 1020 wurde Olav aufgefordert, sich Knut als Lehnsmann zu unterwerfen, da auch die vorherigen Könige Dänemarks Oberkönige in Norwegen gewesen waren. Aber Olav weigerte sich und es kam zum Konflikt, der in die Schlacht am Helgeå mündete.

Nach der Schlacht verlor Olav mehr und mehr an Ansehen bei der norwegischen Aristokratie, teils durch alte Bündnisse zwischen den Ladejarlen und dem dänischen König, teils durch die Tötung des norwegischen Häuptlings Erling Skjalgsson nach der Schlacht im Boknfjord und auch durch Zahlung großer Geldbeträge Knuts an die norwegischen Aristokraten. 1028 segelte Knut mit einer großen Flotte englischer und dänischer Schiffe nach Norwegen, um Olav zu bezwingen. Olav hatte nur wenig Verbündete, floh nach Nowgorod und Knut wurde auf den Thingversammlungen des Landes als König gehuldigt.

Håkon Eiriksson wurde wieder als Jarl eingesetzt, da Knut nach England zurückkehrte. Als Håkon 1029 nach einer Englandreise auf der Nordsee verschollen war, war Norwegen ohne einen starken Herrscher, da Knut seinen 13-jährigen Sohn Sven Alfivason als Jarl über Norwegen ernannte. Dies bewog Olav dazu, Anfang 1030 nach Norwegen zurückzukehren, um seine Krone zurückzugewinnen. Er wurde dabei vom schwedischen König Anund Jakob und auch von seinem Halbbruder Harald Sigurdsson unterstützt. Seine Gegner aber sammelten ein gewaltiges Bauernheer, es kam zur Schlacht von Stiklestad, in der Olav schließlich fiel.

Schweden

Nach der Schlacht von Helgeå beanspruchte Knut auch einen Teil von Schweden. Er ließ Münzen mit der Inschrift „CNVT REX SW“ (Knut, König der Schweden) in der schwedischen Hauptstadt Sigtuna, in Lund und auch in Dänemark prägen. West-Götaland und Blekinge galten als neuerworbene Territorien des Reiches. Aber Münzen sind keine eindeutigen Beweise, dass Knut tatsächlich Herrscher über Teile Schwedens war; so existieren Münzen, die Knut als Herrscher Irlands zeigen. Die schwedische Geschichte ist zu diesem frühen Zeitpunkt nicht sehr klar umrissen.

Tributpflichtige Gebiete

Das Nordseereich mit seinen Vasallenstaaten und Verbündeten.
Das Nordseereich (Rot)
Tributpflichtige Gebiete (Orange)
Verbündete Gebiete (Gelb) Briangotts, Canute, CC BY-SA 3.0

Die Dänen herrschten von Jomsburg über die wendischen Gebiete an der Oder. 1022 unternahm Knut mit Godwin und Ulf Jarl eine Expedition durch die Ostsee, um seine Ansprüche über diese Gebiete zu bekräftigen. Als Statthalter setzte er dort seine erste Frau Ælfgifu und seinen ältesten, noch minderjährigen Sohn Sven ein, der 1029 Jarl von Norwegen wurde.

In der Schlacht bei Carham im Jahr 1018 besiegte der schottische König Malcolm II. die Angelsachsen unter dem Ealdorman of Bamburgh Eadwulf Cudel, dem Bruder des von Knut 1016 besiegten Uhtred von Northumbria. Damit fiel das Land zwischen Dunbar und dem Tweed an Schottland. Knut fiel 1031 mit einer Armee in Schottland ein und unterwarf Malcolm II. und zwei weitere Könige. Einer der beiden, Echmarcach mac Ragnaill, war König von Galloway und der Isle of Man und wurde 1036 König von Dublin. Diese und möglicherweise auch die Waliser leisteten Tributzahlungen nach dem Vorbild des Danegeld, das Æthelred bereits den Dänen zahlen musste. Knut gelang es, seine Macht auf die keltischen Länder auszubauen, konnte sie aber nicht endgültig in sein Reich zwingen.

Verbündete Gebiete

Wegen der Wikinger-Vergangenheit und durch die Ehe Knuts mit Emma von der Normandie galt die Normandie als verbündetes Herzogtum.

Ob Polen mit den Dänen liiert war, ist nicht gesichert, da die Quellen über Knuts Mutter Sigrid die Stolze, die angeblich aus Polen stammte, nicht eindeutig sind.

Herrschaft

Knuts ‚Quatrefoil‘ type penny mit der Inschrift „CNUT REX ANGLORU[M]“ (Knut, König der Engländer), geprägt in London von dem Münzmeister Edwin.
Im Jahr 1017, zu Beginn von Knuts Regentschaft über England, teilte er das Land nach skandinavischem Vorbild in vier Grafschaften ein: Wessex, das er zunächst selbst regierte, East Anglia übergab er dem Jomswikinger Torkel der Hohe, der wichtigste Mann in England nach Knut, Erik Håkonsson erhielt bereits 1016 Northumbria, wo er 1023 von Siward abgelöst wurde, und Eadric Streona wurde Earl von Mercia, der aber noch im selben Jahr in Ungnade fiel und hingerichtet wurde. Auf ihn folgte Leofric. In Wessex wurde 1022 Godwin als Earl eingesetzt. Im Jahre 1017 heiratete Knut Emma von der Normandie, was seinen Herrschaftsanspruch bekräftigte und die Gefahr von Angriffen aus Æthelreds Familie bannte. Er gründete 1018 in Wessex noch mindestens zwei Grafschaften und wurde noch im selben Jahr auf einem Treffen englischer Repräsentanten in Oxford als Herrscher nach den Gesetzen König Edgars anerkannt. Zum Ende seines Lebens ersetzte Knut seinen engsten skandinavischen Vertrautenkreis beinah gänzlich durch Engländer.

Den Angelsachsen gegenüber war Knut ganz auf Verständigung und Ausgleich bedacht, nachdem 1018 das letzte Danegeld eingetrieben worden war. Durch eine umfangreiche Kodifikation des Erzbischofs Wulfstan von York sicherte er ihr hergebrachtes Recht und behandelte an seinem Hof und bei der Ämtervergabe Angelsachsen und Dänen vollkommen gleich.

Die Angelsächsische Chronik erzählt von Knuts häufigen Reisen ins Ausland. Torkel vertrat ihn währenddessen, bis es zum Bruch zwischen den beiden kam und Torkel 1021 geächtet wurde und nach Dänemark floh. Dort versöhnten sich die beiden 1023 wieder und Torkel wurde Knuts Jarl in Dänemark, was wohl auf starken militärischen Rückhalt auf seiner Seite schließen lässt. Nach Torkel ist bis 1045 kein Earl mehr in East Anglia verzeichnet.

Knut hatte aus England stammende Münzmeister nach Dänemark kommen lassen und brachte das englische Währungssystem mit dorthin. Das englische Währungssystem beruhte auf dem frühmittelalterlichen, karolingischen System (siehe Karlspfund).

Die Dänen hatten mehr Grund zur Klage über Knuts häufige Abwesenheit, da er hauptsächlich von England aus regierte und in Dänemark Statthalter einsetzte. In England ersetzte er Torkel durch Godwin, den er zum Earl von Wessex ernannt hatte, und im Jahr 1023 folgte in Dänemark Knuts Schwager Ulf Jarl auf Torkel. Ulf wurde auch Vormund von Hardiknut, Knuts Sohn aus seiner Ehe mit Emma. Ulf konspirierte wenig später mit den Königen von Schweden und Norwegen und ließ den Adligen Dänemarks ihre Gefolgschaft zu Hardiknut schwören, was tatsächlich bedeutete, auf ihn selbst. Knut kehrte nach Dänemark zurück und wies nach der Schlacht am Helgeå seine Huscarle an, Ulf zu töten. Diese Tat ereignete sich zu Weihnachten 1026 in der Dreifaltigkeitskirche in Roskilde.

Nach der Machtübernahme in Norwegen erklärte Knut 1028 auf einem Thing in Nidaros Håkon Eiriksson zu seinem Stellvertreter in Norwegen, eine Position, die er bereits unter Sven Gabelbart innehatte, und seinen Sohn Hardiknut zum König von Dänemark. Als Håkon aber im darauffolgenden Jahr starb, berief Knut seinen Sohn Sven Alfivason zum Regenten Norwegens zusammen mit Ælfgifu von Northampton, Knuts erster Frau. Olav II. wurde bei seinem Versuch der Rückeroberung Norwegens zwar noch zurückgeschlagen, aber Sven und Ælfgifu wurden noch unbeliebter als es Olav jemals gewesen war. Ælfgifu führte neue Steuern ein, unterdrückte das Volk, das dadurch stärker nach Unabhängigkeit strebte und die dänische Vorherrschaft missbilligte.

Der britische Historiker Stenton führte an, dass es nicht Knuts Absicht gewesen war, ein Großreich zu schaffen, das seinen Tod überdauern sollte, da er die einzelnen Länder seinen verschiedenen Söhnen zur Nachfolge überließ. Aber dies mag einfach durch die Bräuche jener Zeit begründet gewesen sein. Außerdem lag die größte Schwäche dieses Großreiches in der Schwierigkeit, loyale und kompetente Stellvertreter zu finden, die in Abwesenheit des Herrschers das Land regierten. Und Knuts Söhne vermochten es nicht, diese Aufgabe zu bewältigen.

Sprachen

Die im Nordseereich gesprochenen Sprachen waren in Skandinavien Altnordisch, das die Wikinger auf ihren Feldzügen auch auf die Britischen Inseln brachten, und Altenglisch, eine in England gesprochene Sprache mit angelsächsischen Wurzeln. Es wird vermutet, dass diese Sprachen zu der Zeit recht ähnlich waren, so dass man sich untereinander verständigen konnte.

Religion

Im frühen elften Jahrhundert war England längst christianisiert. Das Danelag war im Übergang vom nordgermanischen Glauben zum Christentum, aber die skandinavischen Völker waren immer noch überwiegend heidnisch. Knuts Vater Sven hing zu Beginn noch dem alten Glauben an und wurde zum Ende seines Lebens Christ. In England unterstützte Knut die Interessen der katholischen Kirche, wofür er die Anerkennung der europäischen Herrscher erhielt wie noch kein skandinavischer König vor ihm. Im Jahr 1027 reiste Knut nach Rom, um der Kaiserkrönung Konrads II. beizuwohnen. Dort erlangte er auch die Anerkennung seiner Herrschaft durch den Papst Johannes XIX. sowie eine Minderung der Abgaben seiner Bischöfe bei der Verleihung des Palliums.

In Dänemark ließ Knut durch Erzbischof Ethelnod von Canterbury Gerbrand zum Bischof von Seeland, Bernhard zum Bischof von Schonen und Reginbert zum Bischof von Fünen weihen und erhob den Peterspfennig. Dadurch versuchte Knut die dänische Kirche an die englische zu binden, um beiden Landesteilen Zusammengehörigkeit zu vermitteln. Skandinavien stand aber weiterhin unter dem Einfluss des Erzbistums Bremen-Hamburg.

In Norwegen ließ Knut Kirchen erbauen und achtete und förderte die Kleriker. Gleichzeitig aber verbündete er sich mit den heidnischen Stammesfürsten und beschloss, anders als Olaf, keine Gesetze zugunsten der Kirche, bis seine Macht genügend gefestigt war. In der Schlacht von Stiklestad ging es, entgegen der damaligen Kirchenlehre, nicht um die Verteidigung des Christentums gegen die Heiden, da Knut bereits früh zum Christentum übergetreten war.

Untergang des Reiches

Das Nordseereich zerfiel nach Knuts Tod 1035 wieder in seine ehemaligen Territorien. In Norwegen waren Sven und Ælfgifu im Winter 1033 gezwungen, Nidaros zu verlassen, da sie durch ihre rigorose Regentschaft unbeliebt waren. 1034 verbündete sich der Anführer der Armee, die König Olav in der Schlacht von Stiklestad besiegt und getötet hatte, mit den Anhängern Magnus’, des Sohnes Olavs, um ihn zurück aus Nowgorod und an die Herrschaft Norwegens zu bringen. Im Herbst 1035, einige Wochen vor Knuts Tod, mussten Sven und seine Mutter nach Dänemark fliehen. Kurz darauf starb auch Sven.

In Dänemark war Hardiknut König, wurde aber durch Magnus von Norwegen bedroht. Die Berichte, nach denen es einen Erbvertrag zwischen Hardiknut und Magnus gab, entsprechen wahrscheinlich nicht den Tatsachen. Knuts zweiter Sohn Harald Harefoot sollte über England herrschen und wurde dabei von Leofric von Mercia unterstützt. Er wurde 1035 in Oxford zum König gewählt. Aber auch Hardiknut, der in Dänemark gebunden war, erhob mit Hilfe von Königin Emma und Earl Godwin Anspruch auf England. Daraufhin teilten die englischen Adligen das Land: Hardiknut bekam den südlichen, Harald den nördlichen Teil. Im Jahr 1037 hatte Harald genug Anhänger gefunden, vertrieb Emma nach Flandern und ließ sich zum König über ganz England krönen.

Hardiknut folgte seiner Mutter Emma 1039 nach Flandern, um mit einem Heer den englischen Thron zu erobern, als sein Halbbruder Harald im März 1040 in Oxford starb. Im Juni 1040 landete Hardiknut mit 62 Kriegsschiffen bei Sandwich und bestieg unangefochten den englischen Thron. Dadurch wurden England und Dänemark wieder vereint. Die Angelsächsische Chronik berichtet über ihn, dass er nie irgendetwas Königliches getan hatte. Er belegte England mit drückenden Steuern. Nachdem zwei seiner Steuereintreiber vom Mob in Worcester ermordet wurden, ließ er die Stadt niederbrennen, etliche Einwohner töten und das Umland verwüsten. Hardiknut ermordete 1041 seinen Verwandten Eadwulf III, Earl of Bernicia, und gab dessen Earldom an Siward, dem Earl of York und Northumbria, auch verkaufte er freigewordene Bistümer. Innerhalb kurzer Zeit hatte er sich den Engländern, die ihren neuen König freudig begrüßt hatten, völlig entfremdet. Zwei Jahre später, im Jahre 1042, brach Hardiknut plötzlich auf einer Hochzeit eines seiner Gefolgsleute zusammen und starb bald darauf. Damit löste sich die dänisch-englische Königsherrschaft auf und mit Hardiknut erlosch auch das Nordseereich.

In England wurde Edward der Bekenner, der ältere Halbbruder Haralds mütterlicherseits und letzte Sohn Æthelreds, König. Noch bevor Hardiknut in England gestorben war, war Magnus bereits mit einem Heer in Dänemark einmarschiert und wurde nach dessen Tod als König über Dänemark angenommen.

Versuch der Restauration

Als dänischer und norwegischer König erhob Magnus als Nachfolger Sven Gabelbarts und Knuts des Großen auch Anspruch auf das englische Königtum und soll von Edward dem Bekenner eine Unterwerfungserklärung verlangt haben. Die Drohung, möglicherweise kriegerisch nach England zu fahren, wurde offenbar ernst genommen, denn die Angelsächsische Chronik berichtet davon, dass Edward 1044 vorsorglich eine Flotte bei Sandwich sammelte, um Magnus Widerstand zu leisten. Gleiches tat er mit einem gewaltigen Heer im folgenden Jahr an derselben Stelle. Aber Auseinandersetzungen mit Sven Estridsson zwangen Magnus die Invasionspläne aufzugeben.

Auch der spätere norwegische König Harald Hardråde leitete 1066 nach Edwards Tod Anspruch auf die englische Krone aus der Nachfolge von Knut dem Großen her. Nach seinem Einfall in England kam es zur Schlacht bei Fulford und zur Schlacht von Stamford Bridge, wo er schließlich geschlagen und getötet wurde.

Auch Sven Estridsson und sein Sohn Knut IV. unternahmen 1069-1070 (gegen York) bzw. 1075 vergebliche Feldzüge gegen England, doch erst mit Knuts Ermordung während der Vorbereitung zu einem erneuten dänisch-norwegischen Feldzug endeten 1085 die dänischen Rückeroberungsversuche endgültig.

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Germanische Stämme – Die Langobarden

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Gemälde von Thomas Cole

Die Langobarden waren ein Teilstamm der Stammesgruppe der Sueben, eng mit den Semnonen verwandt, und damit ein elbgermanischer Stamm, der ursprünglich an der unteren Elbe siedelte.

Wanderung der Langobarden (blau) zwischen dem 4. und dem 8. Jahrhundert n. Chr.
Sansculotte, Karte völkerwanderung, CC BY-SA 3.0

Woher der Name der Langobarden stammt, ist unklar. Der langobardische Chronist Paulus Diaconus berichtet im 8. Jahrhundert von einer alten Sage (siehe Origo gentis). Demnach hießen die Langobarden einstmals Winniler. Diese wurden von den Vandalen bedroht, und beide Völker rüsteten zum Kampfe. Die Vandalen beteten zu Wodan, und er sagte ihnen, dass jene den Sieg erhielten, die er frühmorgens als erste erspähe. Gambara, die Mutter der winnilischen Herzöge Ibor und Agio, riet aber, zur Göttin Frea, der Frau Wodans, zu beten. Frea gab die Anweisung, dass die Frauen der Winniler frühmorgens sich im Osten aufstellen und ihre langen Haare wie Bärte vor das Gesicht binden sollten. Frühmorgens stand Frea zeitig auf und wendete das Bett Wodans nach Osten, und als er erwachte, sah er die Winnilerinnen und fragte erstaunt: „Wer sind diese Langbärte?“ Da entgegnete Frea: „Du hast ihnen den Namen gegeben, nun gib ihnen den Sieg!“ So siegten die Winniler über die Vandalen, und seither nennen sie sich Langobarden.

Auch in der Forschung ist die Herleitung des Namens umstritten. Klar ist, dass die Schilderung des Paulus Diaconus topische Elemente enthält, zumal lange Barttracht kein besonderes Kennzeichen nur der Langobarden war. Dennoch wird auch in der neueren Forschung die Herleitung Langobarden von Langbärte aus philologischen Gründen für durchaus wahrscheinlich gehalten, wobei von einer ursprünglichen Fremdbezeichnung ausgegangen wird. Eine in der Forschung erwogene alternative Bezeichnung nach einer stammestypischen Streitaxt wird hingegen als problematischer angesehen.

Geschichte

Die Frühgeschichte der Langobarden ist historisch wenig erforscht, gesichert ist erst ihre Präsenz an der unteren Elbe im späten 1. Jahrhundert v. Chr. Die Langobarden wurden bereits 3 v. Chr. als Teil des Marbod-Bundes erwähnt. Während eines Feldzuges des Tiberius im Jahre 5 n. Chr. zur Elbe im Zuge des immensum bellum werden die Langobarden erneut erwähnt: Der Geschichtsschreiber Velleius Paterculus schrieb „Die Macht der Langobarden wurde gebrochen, eines Stammes, der noch wilder als die germanische Wildheit ist.“ Strabon erwähnt, dass die eigentlich auf dem linken (südlichen) Elbufer siedelnden Langobarden auf das rechte (nördliche) Elbufer übersiedelten. Dies scheint auch durch den Abbruch der Belegung von lokalen Friedhöfen unterstützt. Durch den anschließenden Rückzug der Römer an den Rhein verschwanden die Langobarden für die nächsten ca. 150 Jahre aus der Historie. Die Archäologie zeigt eine als elbgermanisch bezeichnete Fundgruppe beiderseits der unteren und mittleren Elbe und in Böhmen.

Langobarden drangen 166 n. Chr. zu Beginn der Markomannenkriege als Teil eines Plünderungszuges ins Römische Reich ein. Nach den Markomannenkriegen verlagerte sich nach archäologischen Erkenntnissen der Siedlungsschwerpunkt von Mecklenburg in die westelbische Altmark. Archäologisch als Elbgermanen zu identifizierende Bevölkerungsgruppen besetzten ab 250–260 das Gebiet an der mittleren Donau, in dem vorher die Rugier siedelten (heute Niederösterreich). Um 490 zog eine Gruppe, die die Quellen als Langobarden bezeichnen, nach Mähren und zu Beginn des 6. Jahrhunderts nach Pannonien. Im Jahr 510 vernichteten sie dort endgültig das von Rudolf regierte Herulerreich. Es ist aber unsicher, ob ein Bevölkerungsverband der Langobarden in der Zeit zwischen der in antiken Quellen überlieferten Phase der Langobarden an der unteren Elbe und diesem Auftauchen an der mittleren Donau wirklich existiert hat. Möglicherweise wurde erst an der Donau eine gemischte Bevölkerungsgruppe in Auseinandersetzungen mit den Herulern neu formiert und nahm einen alten, bekannten und ruhmträchtigen Namen an. Kaiser Justinian I. überließ den Langobarden laut Prokop „die pannonischen Festungen und die norische Polis“.

552 begleiteten viele langobardische Krieger den oströmischen Heerführer Narses nach Italien, um gegen die Ostgoten zu kämpfen. Sie wurden aber aufgrund ihrer Disziplinlosigkeit bald entlassen.

Das Langobardenreich in Italien.

Im Jahr 567 vernichteten die Langobarden nach langen Kämpfen zusammen mit den Awaren das Gepidenreich. Bereits im folgenden Jahr zogen die meisten Langobarden nach Italien. Ob sie, wie man früher zumeist annahm, awarischem Druck weichen mussten, ob sie von vornherein die reiche Halbinsel im Blick hatten oder gar von Narses eingeladen wurden, ist umstritten. Sie eroberten jedenfalls ab 568 unter König Alboin große Teile Italiens, das sie ja 552 als immer noch relativ reiches Land kennengelernt hatten. Gemeinsam mit anderen germanischen Stämmen drangen sie weiter nach Süden vor, konnten aber nicht die ganze Halbinsel erobern: Etwa die Hälfte des Landes blieb unter der Kontrolle des Oströmischen Reiches. Die langobardische Landnahme in Italien gilt als der letzte Zug der spätantiken Völkerwanderung und mithin als ein mögliches Datum für das Ende der Antike und den Beginn des Frühmittelalters in diesem Raum. Anhand der Gräberfelder lassen sich die wichtigsten langobardischen Siedlungsgebiete in Italien festmachen. Diese konzentrierten sich vor allem auf die Gebiete nördlich des Po von Piemont bis Friaul, in dem Gebiet zwischen Lago Maggiore und Gardasee (hier hatte sich bereits vor 550 die ostgotische Besiedlung konzentriert). Nach Süden hin stößt man auf bedeutend weniger Gräberfelder. Der Großteil der in Italien ansässigen Langobarden nahm das arianische Christentum an. Das Langobardenreich mit der Hauptstadt Pavia umfasste Norditalien und Teile Mittel- und Süditaliens. Es gliederte sich in mehrere Dukate (Teilherzogtümer).

Wie groß die Zahl der nach Italien eingewanderten Langobarden war, lässt sich angesichts der ungünstigen Quellenlage nicht exakt bestimmen. Schätzungen gehen von etwa 100.000 bis ca. 150.000 Menschen aus, eingeschlossen andere ethnische Gruppen, die sich dem langobardischen Stammeskern angeschlossen hatten (u. a. Sachsen und Reste der Gepiden). Die vom langobardischen Geschichtsschreiber Paulus Diaconus genannte Zahl von 500.000 Menschen ist vollkommen unrealistisch, wie das bei Zahlenangaben antiker und mittelalterlicher Autoren nicht selten der Fall ist. Schon die Versorgung einer derart gewaltigen wandernden Menschenmenge wäre auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen.

Authari (584–589) heiratete Theudelinde, Tochter des verbündeten Herzogs von Bayern. Nach dem Tode Autharis heiratete die katholische Theudelinde nun Agilulf, der zwar selbst Arianer war, aber unter dem Einfluss seiner Frau die Annäherung an den katholischen Papst in Rom suchte. So gestattete er einigen vor den Langobarden geflohenen Bischöfen die Rückkehr und gab auch in Besitz genommene Kirchengüter zurück. Erst 662 verdrängte der Katholizismus den Arianismus endgültig unter den die katholische einheimische Bevölkerungsmehrheit beherrschenden Langobarden. Vermutlich gaben die Langobarden zu dieser Zeit auch ihre gemeinsame Sprache auf und integrierten sich rasch und vollständig in die römische Bevölkerung. In der Forschung markiert der Langobardeneinfall, mit dem die Halbinsel für 1300 Jahre ihre politische Einheit verlor, übrigens in der Regel den Punkt, ab dem man von „italienisch“ statt von „italisch“ (wie in der Antike) zu sprechen habe.

Im ausgehenden 7. Jahrhundert herrschte Bürgerkrieg, in dem Cunincpert sich gegen Alahis durchsetzen konnte.

Unter Grimoald (662–671) und Liutprand (712–744) erreichte das Langobardenreich seine größte räumliche Ausdehnung. Karl der Große eroberte 774 Pavia unter dem letzten Langobardenkönig Desiderius und ließ sich selbst zum König der Langobarden krönen.

Im Süden blieb das Herzogtum Benevent unter Arichis II., der den Titel princeps annahm und seit 774 mit königsgleicher Macht regierte, selbstständig. Vereinzelt gab es noch Widerstand gegen Karls Herrschaft. Hrodgaud, der dux (Herzog) von Friaul, beanspruchte 776 die langobardische Krone für sich und mehrere Städte schlossen sich ihm an. Er wurde von Karl dem Großen, der in Eilmärschen nach Italien kam, rasch besiegt und getötet. Auch Desiderius’ Sohn Adelchis versuchte, die langobardische Königskrone zurückzugewinnen, scheiterte aber 788 endgültig, als seine in Kalabrien gelandeten byzantinischen Truppen von Grimoald III., dem dux von Benevent, geschlagen wurden.

Die langobardische Sprache war um 1000 ausgestorben. Mit der Eroberung durch die Normannen im 11. Jahrhundert verlor auch der Dukat Benevent seine Selbständigkeit. Der Name „Langobarden“ ist im Namen der norditalienischen Region Lombardei (ital. Lombardia) erhalten geblieben.

Die Königskrone der Langobarden war die Eiserne Krone. Zahlreiche römisch-deutsche Herrscher des Mittelalters, etwa Konrad II., Heinrich VII. oder Karl IV., ließen sich mit dieser Krone krönen, um ihren Anspruch auf Reichsitalien zu unterstreichen. Jahrhunderte später ließ Napoleon I. sich mit der eisernen Krone zum König von Italien krönen, um seine Herrschaft zu legitimieren.

Herrschaftsstruktur

Bis zum 8. Jahrhundert hatte sich eine Verwaltungsstruktur herausgebildet an deren Spitze der rex (König) stand. Ihm unterstanden die iudices („Richter“, Oberbeamte), die sich aus den duces (Herzöge) und gastalden bzw. comes („Pfalzgrafen“, Grafen) zusammensetzten. Das Amt des dux war auf Lebenszeit verliehen, oftmals auch erblich, während die Gastalden oft nach einiger Zeit ausgewechselt wurden. Den iudices unterstanden die actores („Geschäftsführer“, Unterbeamte), die sich in sculdahis (Schultheiß, auch rector loci ), centenarius (Zentgraf, Gograf) und locopositus (örtlicher Vorgesetzter) gliedern, ohne dass deren Unterscheidungsmerkmal klar zu Tage tritt. Noch eine Stufe tiefer in der Hierarchie standen die decani (Vorsteher), saltarii („Weide“-Aufseher) und scariones, oviscariones und scaffardi (Vorgesetzte einer „Schar“) die als untergeordnete Amtsträger eher „polizeiliche“ Aufgaben erfüllten.

Als gasindi ‚königliche Hofbeamte‘ gab es den marpahis oder strator ‚Marschall, Stallmeister‘, den stolesaz oder maior domus ‚Kämmerer‘, vesterarius ‚Schatzmeister‘ und spatharius ‚Schwertträger‘, während der sonst an germanischen Höfen wichtige Mundschenk bei den Langobarden offenbar nur eine untergeordnete Rolle spielte. Der referendarius ‚Kanzleischreiber‘ bekleidete ebenfalls ein wichtiges Hofamt.

Sprache und Kultur

Langobarden Schildbuckel
Ein Umbo (Schildbuckel) der Langobarden, Norditalien, 7. Jahrhundert.
MapMaster, Langobard Shield Boss 7th Century, CC BY-SA 3.0

Langobardisch wurde vom 6. Jahrhundert bis Anfang des 11. Jahrhunderts von den in Norditalien eingewanderten Langobarden gesprochen. Überliefert sind im Wesentlichen nur Personennamen, Ortsnamen sowie Einzelwörter, die in der Frühzeit als Runeninschriften, später dann in lateinischen Urkunden auftauchen. Man geht allgemein davon aus, dass die langobardische Grammatik weitgehend den Strukturen des Althochdeutschen entsprach.

Kulturell bedeutete die Herrschaft der noch recht wenig zivilisierten germanischen Langobarden in dem bis dahin unter dem Einfluss der spätantiken und vor allem der byzantinischen Kunst und Kultur stehenden Norditalien zunächst einen erheblichen Rückschlag.

Das von germanischer ornamentaler Geometrik herrührende Hauptelement der langobardisch-arianischen Kunst war das Flechtbandornament, das diese zu wahrer Formvollendung brachte.

Die langobardischen Herrscher übernahmen jedoch – ebenso wie die katholische Religion – zunehmend die lateinische Sprache und adaptierten die römischen und byzantinischen kulturellen Einflüsse. Auch das alte römische Schulwesen soll unter den Langobardenkönigen noch zu großer Blüte gekommen sein. Mit der byzantinischen Kunst waren sie schon in Pannonien in Berührung gekommen. Den byzantinischen Bauformen der Basilika und des Zentralbaus fügten sie neue Stilelemente bei, insbesondere die Verzierung der Außenwände durch Blendarkaden, Pilaster oder Lisenen und Bogenfriese. So wurde der byzantinische Baustil weiterentwickelt und gelangte als „lombardischer“ Stil zu einer neuen Blüte und Verbreitung in Westeuropa.

Als Spuren der kulturellen Leistungen der Langobarden haben sich etliche Kirchen und Klöster sowie Grabbeigaben erhalten.

Recht und Gesetz zeugen vom regen Ordnungswillen der Langobarden. König Rothari zeichnete im Edictus Rothari 643 – der ersten Kodifikation eines allerdings schon stark vom römischen beeinflussten germanischen Rechts – das langobardische Recht, ein bislang mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht, lateinisch auf und vereinheitlichte es.

Der Geschichtsschreiber Paulus Diaconus verfasste – bereits unter der Herrschaft Karls des Großen – unter anderem die „Geschichte der Langobarden“.

Einige Forscher gehen seit Bruno Schweizer mit der Langobardentheorie des Zimbrischen davon aus, dass die letzten Reste der Langobarden in den heutigen Zimbern und ihrer altertümlichen Sprache fortleben. Diese These ist allerdings sehr umstritten und findet heute nur wenige Fürsprecher. In der Germanistik wird zudem mitunter die These vertreten, langobardischer Einfluss habe um 600 die Zweite Lautverschiebung bewirkt, durch die sich die südlichen, hochdeutschen Dialekte von den nördlichen, niederdeutschen trennten. Gestützt wird diese These nach Ansicht ihrer Vertreter dadurch, dass sich eines der frühesten Zeugnisse für die Lautverschiebung im 643 verschriftlichten Edictus Rothari findet. Auch für diese Hypothese fehlen bislang aber nach Ansicht anderer Forscher ausreichende Beweise – schon allein wegen unserer letztlich unzureichenden Kenntnisse des Langobardischen.

Herzöge der Langobarden

Die ersten Herzöge bis Wacho lassen sich historisch nicht belegen, sie sind nur in der Stammes-Sage enthalten. Die Regierungszeiten bis Alboin sind nicht gesichert.

  •  ???–??? Ibor und Agio (auch Aio)
  •  ???–??? Agelmund (Sohn des Agio; aus dem Geschlecht des Gugingus)
  •  ???–??? Lamissio (auch Laiamicho; aus dem Geschlecht des Gugingus)
  •  ???–??? Lethuc (auch Lethu)
  •  ???–??? Hildeoc (auch Hildehoc, Aldihoc; Sohn des Lethuc)
  •  ???–??? Godeoc (auch Godehoc)
  • 478–490 Claffo (Sohn des Godeoc)
  • 490–510 Tato (Sohn des Claffo)
  • 510–540 Wacho (Sohn des Unichis, Neffe des Tato)
  • 540–545 Walthari
  • 545–560 Audoin
  • 560–572 Alboin

Könige der Langobarden

  • 568–572 Alboin
  • 572–574 Cleph
  • 574–584 Interregnum
  • 584–590 Authari
  • 590–615 Agilulf
  • 615–626 Adaloald
  • 626–636 Arioald
  • 636–652 Rothari
  • 652–653 Rodoald
  • 653–661 Aripert I.
  • 661–662 Godepert und Perctarit
  • 662–671 Grimoald
  • 671 Garibald
  • 671–688 Perctarit (2. Mal)
  • 688–700 Cunincpert
  • 700–701 Liutpert
  • 701 Raginpert
  • 701 Rotharit (dux von Bergamo)
  • 701–712 Aripert II.
  • 712 Ansprand
  • 712–744 Liutprand
  • 744 Hildeprand
  • 744–749 Ratchis
  • 749–756 Aistulf
  • 756–757 Ratchis (2. Mal)
  • 757–774 Desiderius (letzter langobardischer König der Langobarden)
  • 774–781 Karl der Große in Personalunion
  • 781–810 Pippin
  • 810–812 Karl der Große (2. Mal) in Personalunion
  • 812–818 Bernhard
  • 818–822 Ludwig der Fromme
  • 822–855 Lothar I. in Personalunion
  • 844–875 Ludwig II.

Hier endet die Liste, da mit Ludwig II. der Begriff Herzog der Langobarden synonym mit dem Titel König von Italien verbunden war, den Ludwig schon im Jahr 839/840 von seinem Vater erhielt.

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Magische Gegenstände der Nordischen Götter

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Andvaranaut

Andvaranaut ist in der nordischen Mythologie ein Goldring, das berühmteste Stück aus Andvaris Schatz. Der Ring hat die Fähigkeit, Gold zu mehren, doch liegt auf ihm ein Fluch, jedem den Tod zu bringen, der ihn erwirbt.

In der Lieder-Edda und in der Snorra Edda wird die Geschichte des Rings fast übereinstimmend geschildert, und zwar so: Die drei Asen (Götter) Odin, Loki und Hönir gehen über die Welt. Als sie hungrig werden, erschlägt Loki einen Fischotter; sie gehen zu einem Bauern, Hreidmar, um Nachtquartier und um den Otter zuzubereiten. Hreidmar erkennt in dem Erschlagenen seinen Sohn Otr (das heißt „Otter“), der nicht nur diesen Namen trug, sondern auch die magische Fähigkeit besaß, sich in einen Fischotter zu verwandeln, und in dieser Gestalt Fische in einem Wasserfall fing. Hreidmar und seine beiden anderen Söhne, Fafnir und Reginn, fordern von den Göttern Totschlagsbuße für Otr. Die Götter haben kein Gold; Loki muss es ihnen verschaffen, indem er einen Zwerg namens Andvari fängt, der einen großen Schatz besitzt und im Wasser als Fisch lebt. Loki verlangt von Andvari als Lösegeld den Schatz und als letztes Stück eben auch den Ring, den Andvari behalten wollte, um den Schatz wieder vermehren zu können. Da verflucht Andvari seinen Ring: Er solle zwei Brüdern den Tod und acht Fürsten Fehde (das heißt ebenfalls: den Tod) bringen und niemandem von Nutzen sein. Loki gibt den Schatz mitsamt dem Ring weiter an Odin, dieser an Hreidmar als Wergeld für dessen erschlagenen Sohn Otr. Hreidmar wird von seinem Sohn Fafnir erschlagen, da er das Wergeld nicht teilen will. Fafnir verwandelt sich in einen Lindwurm und legt sich auf das Gold, um den Schatz, und auch den Ring, besser bewachen zu können. Reginn, der Bruder Fafnirs, von diesem ebenfalls um seinen Anteil am Gold betrogen, sieht in dem jungen Sigurd, seinem Ziehsohn, eine Chance, Fafnir den Schatz abzunehmen. Sigurd schafft es tatsächlich, den Drachen Fafnir zu töten, und gelangt so in den Besitz des Ringes, des Schatzes und des Oegishelms. Reginn will aber Sigurd töten und alles für sich haben. Durch Vögel gewarnt (durch den Genuss des Drachenblutes versteht Sigurd die Vogelsprache) kommt Sigurd ihm zuvor und erschlägt Reginn. Die Snorra Edda fügt noch hinzu, dass Sigurd den Ring als Liebespfand schließlich Brynhild weitergibt; er nimmt ihr ihn wieder, als er in Gestalt Gunnars um Brynhild wirbt, und schenkt ihn seiner Frau Gudrun. Im Streit mit Brynhild dient ihr der Ring als Beweismittel.

Das Motiv des Rings zieht sich noch durch mehrere deutsche Sagen. Im Nibelungenlied und in der Thidrekssaga spielt er nur im Hintergrund eine Rolle; dagegen machte Richard Wagner in seinem Opernzyklus Der Ring des Nibelungen aus ihm ein zentrales Motiv.

Brisingamen

Heimdall übergibt Freyja das Brisingamen.

Das Brisingamen ist der Halsschmuck der germanischen Göttin Freya. Er soll aus durchbohrten Gelenken geschlungen gewesen sein. Freya bekam ihn von vier Zwergen. Loki raubte den Schmuck, dieser wurde ihm aber von Heimdall wieder abgenommen. Über das Brisingamen ist wenig bekannt. Freya zeigte es nie dem Menschengeschlecht. Allerdings gibt es zahlreiche Nachbildungen, die von Archäologen gefunden wurden. Das Brisingamen verstärkte Freyas Zauberkräfte und war ein wichtiger Gegenstand in ihrer Magie.

Als vormalige Besitzer des Brisingamen werden die Brisinger (Bristlinger) genannt, deren Identität unklar ist. Dieses kostbare Halsband wurde von den vier Zwergen (Dvergr) Alfrigg, Dvalin, Grerr und Berlingr geschmiedet. Um an Brisingamen zu gelangen, musste Freyja mit jedem dieser Zwerge eine Nacht verbringen. Dies missfiel Odin, der die Liebesgöttin zwang, in der Menschenwelt für Krieg zu sorgen. Dies ist vielleicht ein Hinweis auf die leidenschaftliche Seite der Liebe, wo Glück und Trauer nahe beisammenliegen – ohne Liebe kein Hass. Im Auftrag Odins raubte Loki der Freyja diesen Halsschmuck; Loki heißt darum bei Dichtern auch „Brîsîngs Þiofr“. Brisingamen wird mit der Regenbogenbrücke Bifröst in Verbindung gebracht, dem Verbindungsweg von Himmel und Erde. An Freyjas Hals wurde Brisingamen zu einem Symbol der Früchte des Himmels und der Erde. Freyja bescherte die Erde mit Schätzen, wann immer sie weinte. Wenn ihre Tränen auf Felsen auftrafen, verwandelten die sich in Gold; fielen sie ins Wasser, so wurden sie zu Bernstein. Der Brisingamen ging später in den Besitz der beiden Harlungen-Brüder Edgar und Ake, Söhne des Herzogs Ake Harlungertrost, die nach der einen Lesart von Odin selbst, nach anderer Überlieferung von ihrem Onkel Ermanarich unter anderem dieses Besitzes wegen ermordet wurden.

Markanten Bodenerhebungen, wie zum Beispiel dem Harlunger Berg in Brandenburg an der Havel, schreibt die Sage laut dem Brandenburger Historiker Otto Tschirch zu, das Brisingamen sei in ihnen deponiert worden.

Der Brisingamen hat verwandte Vorläufer im Halsschmuck der Harmonia, einer Tochter der Aphrodite, den Hephaistos schmiedete und auch der Halsschmuck der Dolmengöttin dürfte ein Pendant darstellen.

Draupnir

Draupnir ist in der nordischen Mythologie der Zauberring Odins, von dem in jeder neunten Nacht acht gleich schwere Ringe abtropfen. Der Zwerg Sindri schuf ihn gemeinsam mit seinem Bruder Brokkr. Der Ring wurde von den beiden zusammen mit dem goldenen Eber Freyrs, Gullinborsti, und dem Hammer Thors, Mjölnir, geschmiedet anlässlich einer Wette Lokis mit den Zwergen, die in der jüngeren Edda im Skáldskaparmál beschrieben ist.

Draupnir ist ein Symbol für Reichtum und Überfluss, aber auch für wiederkehrende Fruchtbarkeit. Odin warf den Ring in das Bestattungsfeuer seines Sohnes Balder, Hermod brachte den Ring wieder von seiner Unterweltreise zur Hel zurück.

Gjallarhorn

Gjallarhorn ist das Horn des Gottes Heimdall in der germanischen Mythologie, beziehungsweise in den mythologischen Schriften der altwestnordischen Edda.

Die Darstellung des Gjallarhorn in der Funktion und Nutzung schwankt bei Snorri Sturluson (Gylfaginning) zwischen dem Signalhorn, das die Götter Asgards ruft (Gylf. 26; 50) und dem Gebrauch als Trinkhorn (Gylf. 14). In der Grímnismál (Strophe 13) wird ebenfalls die Nutzung als Trinkhorn beschrieben. Rudolf Simek vergleicht die Darstellung als eine aus der germanischen Alltagskultur entnommenen Plot, den er zur Funktion des Olifant, dem Horn des Sagenhelden Roland, stellt (siehe Rolandslied).

Gleipnir

Gleipnir ist in der nordischen Mythologie ein besonderer magischer Faden, der von Zwergen gefertigt wurde, um den Fenriswolf an einen Felsen zu ketten. Schon vorher hatten die Götter versucht ihn zu fesseln, Fenris zerriss aber die vorherigen Seile. Hergestellt wurde er laut der Überlieferung aus Dingen, die es seither nicht mehr gibt: dem Geräusch des Tritts der Katzen, den Bärten der Frauen, den Sehnen der Bären (vermutlich sind hiermit allerdings nicht die Sehnen, sondern die Nerven, bzw. die Schmerzempfindung, der Bären gemeint), den Wurzeln der Berge, dem Atem der Fische und dem Speichel der Vögel. Der Fenriswolf ließ sich das Seil erst umlegen, als Tyr ihm seine Hand ins Maul legte. Befreien kann sich der Fenriswolf erst zu Ragnarök, wenn er gegen Odin in den Kampf zieht und ihn tötet.

Gram

Sigurd prüft das Schwert Gram.

Gram ist in der nordischen/germanischen Mythologie das Schwert von Sigurd (Siegfried), dem Drachentöter. Im Nibelungenlied hat Siegfrieds Schwert eine gänzlich andere Vorgeschichte und heißt Balmung.

Die Sage berichtet, dass Odin im Apfelbaum in der Halle von Sigmund, Sigurds Vater, ein Schwert platziert hatte mit dem Hinweis, nur der, für den es bestimmt sei, könne es herausziehen. Sigmund gelingt es, das Schwert aus dem Apfelbaum zu ziehen. Sehr zu Sigmunds Leidwesen entzieht ihm Odin in der Schlacht gegen Hundings Söhne seine Gunst und zerstört persönlich Sigmunds Klinge. Bevor Sigmund nach Walhall gelangt, beauftragt er seine Frau Hjördis, die Trümmer des Schwertes für ihren ungeborenen Sohn Sigurd aufzubewahren. Sigurd schmiedet mit Reginns Hilfe aus den Trümmern ein neues Schwert und nennt es „Gram“.

Mit Gram rächt er erst seinen Vater und besiegt dann den Drachen Fafnir sowie den hinterhältigen Reginn. Nach seinem Tod nimmt Högni (Hagen) die Waffe an sich und führt sie auch in der letzten Schlacht der Burgunden an Atlis Hof (Etzel im Nibelungenlied und historisch Attila zugeordnet). In manchen Erzählungen bekommt Hildebrand das Schwert, in anderen verschwindet es an diesem Punkt aus der Handlung.

Gungnir

Odin auf Sleipnir
Vendelzeitliche Bronzeplatte, auf der vermutlich Odin auf seinem Pferd Sleipnir mit seinen beiden Raben Hugin und Munin und seinem Speer Gungnir dargestellt ist.

Gungnir ist der Name des Speeres von Odin, dem höchsten Gott der nordischen Mythologie. Mit diesem Speer brachte er den Krieg in die Welt, indem er ihn ins Heer der Wanen warf.

Die Söhne des Zwerges Ivaldi stellten Gungnir her und schenkten ihn Odin. Loki war der Überbringer. Der Speer verfehlte nie sein Ziel und kehrte immer zu seinem Besitzer zurück, genau wie Thors Hammer Mjölnir.

Hlidskialf

Hliðskialf auch Lidskialf oder Lidskjälf, ist in der nordischen Mythologie der Thron des Hauptgottes Odin beziehungsweise der Ort, an dem sich dieser befindet. Er steht im Götterpalast Valaskjalf in Asgard, der in manchen Darstellungen mit Odins großem Saal Walhall gleichgesetzt wird.

Odin auf dem Hlidskialf.
Odin auf dem Hlidskialf.

Von seinem Thron aus kann Odin alle neun Welten des germanischen Weltbildes überblicken, was als Fähigkeit, alles sehen und alles hören (erlauschen) zu können, gedeutet wird. Die Vorstellung einer Allwissenheit für die oberste Gottheit ist in der Mythologie nicht unüblich. Bemerkenswert ist aber, dass diese göttliche Fähigkeit strikt ortsgebunden gedacht ist. Da Odin auch Loki von seinem Thron aus nicht sucht, aber doch entdeckt, erscheint diese Gabe zudem auch auf andere Gottheiten anwendbar. Selten, etwa in der Grimnismál, wird auch berichtet, dass die Göttin Frigg neben Odin sitze. Auch Freyr besteigt in der Skírnismál kurzfristig den Thron.

„[…] da ist ferner ein großer Saal, der Walaskialf heißt: das ist Odins Saal. […] In diesem Saal ist der Hochsitz, der Hlidskialf heißt, und wenn Allvater [das ist Odin] auf diesem Hochsitz sitzt, so übersieht er die ganze Welt.“

Ringhorn

Ringhorn ist in der nordischen Mythologie das Schiff des Balder.

Auf dem Schiff Ringhorn wurde der Leichnam Balders bestattet. Es war das größte der Schiffe und so schwer, dass allein die JötinHyrrokkin es in die See zu stoßen vermochte.

Megingiard

Der Megingiard ist in der nordischen Mythologie der kraftverleihende Gürtel des Gottes Thor (Þórr). Nach Kapitel 21, Gylfaginning, aus der Prosa-Edda von Snorri Sturluson, besitzt Thor drei attributive Ausrüstungsgegenstände, oder Kleinode, neben dem bekannten Hammer Mjölnir und dem Handschuh Járngreipr, den Megingiard. Der Gürtel verlieh seinem Träger unerschöpfliche Kraft. So war es Thor gewohnt, seine Stärke dadurch zu demonstrieren, indem er Gegenstände von hohem Gewicht anhob.

„Hann á ok þrjá kostgripi. Einn þeira er hamarrinn Mjöllnir, er hrímþursar ok bergrisar kenna, þá er hann kemr á loft, ok er þat eigi undarligt. Hann hefir lamit margan haus á feðrum eða frændum þeira. Annan grip á hann beztan, megingjarðar, ok er hann spennir þeim um sik, þá vex honum ásmegin hálfu. Inn þriðja hlut á hann, þann er mikill gripr er í. Þat eru járnglófar. Þeira má hann eigi missa við hamarskaftit. En engi er svá fróðr, at telja kunni öll stórvirki hans, en segja kann ek þér svá mörg tíðendi frá honum, at dveljast munu stundirnar, áðr en sagt er allt, þat er ek veit.“
„Er besitzt drei Kleinode, den Hammer Mjölnir, den Hrimthursen und Bergriesen kennen, wenn er geworfen wird; was nicht überrascht, ist, dass er vielen Vätern oder Freunden damit den Kopf zerschlagen hat. Sein zweites Kleinod ist Megingiard; wenn er sich den umschnallt, wächst ihm doppelte Asen-Kraft. Das dritte Kleinod von großem Wert ist Járnglófar; denn den kann er nicht missen, um den Stiel des Hammers zu fassen. Keiner ist so klug, dass er alle seine großen Taten zu erzählen weiß. Ich könnte so manche Nachricht von ihm berichten, dass der Tag vergeht, bis ich alles gesagt habe, was ich weiß.“

Mjölnir

Mjölnir, Mjöllnir, Mjolnir, Mjölner, Mjølner oder Mjölnar (Bedeutung umstritten, womöglich „Malmer“, „Blitz“ oder „glänzende Blitzwaffe“) heißt in der germanischen Mythologie ein Kriegshammer, die magische Waffe des Gottes Thor, mit der dieser die Feinde der Götter, vor allem die Thursen (Riesen) und die Midgardschlange, bekämpfte.

Snorri Sturluson berichtet in seiner Snorra-Edda (in den Skáldskaparmál) von der Erschaffung des Hammers. Mjölnir wurde von den beiden Zwergen Sindri und Brokk geschmiedet und besitzt die Eigenschaft, dass er, wenn er geworfen wird, nie sein Ziel verfehlt und wieder in die Hand des Werfers zurückkehrt (Vgl.Gungnir).

Die þrymskviða, ein Lied der Älteren Edda, erzählt vom Diebstahl des Hammers durch den Riesen Thrym (an. þrymr „Lärm“). Im Tausch gegen das für die Götter unverzichtbare Utensil fordert der Riese die Göttin Freyja als Braut. Da diese den Handel rundheraus ablehnt, werden Thor und Loki mit Frauenkleidern als Braut und Brautjungfer getarnt ins Reich der Riesen geschickt. Fast entdecken die Riesen den Betrug, da Thor viel zu schnell beinahe alles hinunterschlingt, was als Festmahl gereicht wird. Doch Loki behauptet geistesgegenwärtig, die Braut hätte sehr lange gefastet und deswegen so großen Appetit. Auf diese Weise gelingt es, Thrym zu überlisten, bis der „Braut“ nach altem Brauch der Hammer als Zeichen der Segnung in den Schoß gelegt wird. Wieder im Besitz seiner Wunderwaffe erschlägt Thor den Riesen und seine Sippe und kehrt siegreich nach Asgard zurück.

Mjölnir war zugleich auch das Symbol für Thor und wurde als Amulett um den Hals getragen (siehe Bild). Eiserne Thorshämmer an eisernen Halsreifen fand man in Brandgräbern des 9. und 10. Jahrhunderts, hauptsächlich im Gebiet der Svea, in Mittelschweden, auf Åland und in Russland. Etwa 50 silberne Thorshämmer kennt man aus Schatz-, Grab- oder Siedlungsfunden. Sie konzentrieren sich auf Süd- und Mittelskandinavien und Island. Sie können in das 10. und auf Gotland bis ans Ende des Jahrhunderts datiert werden. Einige Funde stammen aus Polen und England, von denen einige aus Bernstein bestehen. Es gibt viele verschiedene Formen von Hammer-Amuletten, z. B. den Schonenhammer. Aus der Übergangszeit zwischen heidnischem und christlichem Glauben in Skandinavien wurden Amulette gefunden, die möglicherweise eine Reaktion auf das christliche Kreuz darstellen könnten. Tatsächlich sind die Funde mehrheitlich in Gräbern weiblicher Personen festgestellt worden und stehen unter Umständen eher mit Fruchtbarkeitsriten und Eheweihungen in Verbindung. Eine weitere gleichsinnige Verwendung ist die des Thorhammers auf einigen Runensteinen in Dänemark und Schweden in der Übergangszeit.

Thorshammer Schmuck
Thorshammer als neuzeitlicher Schmuck.
Vulkan Uwe H. Friese, Bremerhaven, 100 2613thorshammer weisser hintergrund, CC BY-SA 3.0

Der Runen-Thorshammer von Købelev, 2014 gefunden bei Købelev auf der dänischen Insel Lolland, ist der bisher einzige mit einer Runeninschrift. Diese bestätigt erstmals den Gegenstand als Hammer. Lis Imer, Kuratorin am Dänischen Nationalmuseum, versteht H M A R x I S als eine fehlerhafte Schreibung von hamar is, „Hammer ist“, wobei das x ein Worttrenner sei, und ordnet die Inschrift einem wenig schreibkundigen Menschen zu. Näher betrachtet, stellen wir jedoch fest, dass die R-Rune durch Auslassung (links) und Ergänzung (rechts) übergroß in die Mitte rückt, womit sich die Runenfolge um den Angelpunkt R dreht. Der Runenname *raiðo beschreibt die ‚Ausfahrt’ und im Nordischen speziell, mit dem Ausdruck þunorrad, Thors (Þunors) Ausfahrt mit seinem gewappneten Wagen über die Wolken. So wie der geschleuderte Hammer Mjölnir Blitze erzeugt, so verursacht die Ausfahrt dumpfes Grollen bis zum Donnerschlag.

Wenn die Inschrift runenmagisch konzipiert ist, dann ist auch eine numerische Absicht denkbar: Der Runenwert von R ist 5 (nach ihrem Platz in der Runenreihe); der Runenwert der Inschrift beträgt 50, wobei das Zehnfache stets eine Potenzierung der Kraft bedeutet. Wenn die Rune R (ähnlich wie auf dem Runenkästchen von Auzon) Schutz beim Ausritt in den Kampf – vielleicht sogar Thors Beistand – bewirken soll, dann würde diese Formel entsprechend bekräftigt.

Wie Becker darlegt, kann man auch in der Folge der Runenbegriffe eine Schicksal lenkende magische Formel vermuten. Diese beginnt mit H (Unglück) und wendet sich über R mit I und S zu Tod und Auferstehung nach Walhall, wozu der Valknut, der sich auf diesem Thorshammer ebenso wie auf vielen anderen findet, sinnvoll in Verbindung steht.

Heutzutage werden solche Hammer-Amulette in verschiedensten Formen als originalgetreue Replik historischen Vorbildern nachempfunden oder als fantasievolle Neuschöpfung angeboten. Sie werden oftmals von Anhängern des Asatru (germanisches Neuheidentum) ebenfalls als Zeichen ihres Glaubens getragen. In der Metalszene wird dieses Symbol hauptsächlich von Anhängern der Musikrichtungen Pagan Metal und Viking Metal getragen und gilt dort als ein positives Symbol innerer Stärke und Tatkraft und als Zeichen der Verbundenheit untereinander. Beliebt ist der Thorshammer außerdem bei Angehörigen der „Schwarzen Szene“ und traditionell bei Rockern (Bikern). Zahlreiche Menschen, insbesondere in Skandinavien und Norddeutschland, tragen Thorshämmer allerdings auch als reinen Schmuck ohne religiösen oder ideologischen Symbolgehalt, abgesehen von einer Verbundenheit mit nordischer bzw. skandinavischer Kultur und Geschichte und Interesse an der Wikingerzeit.

Naglfar

Naglfar ist in der Nordischen Mythologie das Totenschiff. Es wird als das größte Schiff aller Zeiten beschrieben und gehört dem Muspell.

Naglfar wird vor allem im Zusammenhang mit dem Weltuntergang Ragnarök erwähnt. Flottgemacht durch die Überschwemmungen der Midgardschlange führt es dann die Feinde der Götter zur letzten großen Schlacht heran. Je nach Quelle steht entweder der Riese Hrymir (nach der Gylfaginning) oder der verstoßene Ase Loki (nach der Völuspá) am Steuer.

Naglfar wird aus den unbeschnittenen Nägeln der Toten gezimmert. Schon Snorri Sturluson erwähnt in der Gylfaginning den Brauch, den Toten die Nägel zu schneiden, um so die Fertigstellung des Schiffs und damit indirekt Ragnarök selbst hinauszuzögern. Die Brüder Grimm greifen diesen Gedanken in ihrer Deutschen Mythologie auf, interpretieren ihn aber stärker hinsichtlich der weiten Ferne des Weltuntergangs:

Dadurch soll die ungeheure Ferne und das langsame Zustandekommen des Weltendes ausgedrückt sein: Bis ein solches Schiff aus schmalen Nägelschnitzen der Leichen zusammengesetzt wird, verstreicht lange lange Zeit, und sie leidet noch durch die warnende Vorschrift Aufschub, allen Toten die Nägel vor der Bestattung oder Verbrennung zu schneiden.

Der Name Naglfar war vermutlich schon zu Snorris Zeiten volksetymologisch aus dem altnordischen nagli für ‚Nagel‘ und far für ‚Fahrzeug‘, ‚Schiff‘ abgeleitet und als „Nagelschiff“ interpretiert worden. Wahrscheinlicher ist aber eine Herleitung in der Bedeutung „Totenschiff“, wobei das erste Glied der Zusammensetzung etymologisch zu gotisch naus ‚tot‘ und altgriechisch nékus ‚Leiche‘ zu stellen wäre.

Óðrœrir

Der Skaldenmet ist ein Mythos aus der nordischen Mythologie. Er ist der Honigwein, nach dessen Genuss ein jeder gut singen und dichten kann.

Am ausführlichsten finden sich Quellen über den Skaldenmet in den Werken von Snorri Sturluson, etwas abweichend in jenen Dichtungen der Hávamál und schließlich in einer Reihe von Kenningar, die sich auf die wesentlichsten Inhalte des Mythos beziehen. Auch in den Skaldendichtungen bezeugt der Skaldenmet seine Beliebtheit. Daneben gibt es bildliche Darstellungen einiger gotländischer Bildhauer aus dem 7. Jahrhundert.

Die Bekanntheit dieses Mythos ist in Europa für über 500 Jahre belegt, lässt sich jedoch global gesehen wesentlich weiter zurückverfolgen. Wir treffen auf das Getränk Soma und den Gott Indra in der indischen Mythologie der Rigveda, die wesentliche Gemeinsamkeiten mit diesem Mythos aufweist. Die Verwandtschaft dieses Mythos mit der griechischen Mythologie ist jedoch eher Zufall.

Skaldenmet nach Snorri Sturluson

Nach dem Krieg (Wanenkrieg) zwischen den beiden Göttervölkern, den Wanen und den Asen, spieen alle Götter zur Friedensbesiegelung in ein Fass. In der Bronzezeit war bei verschiedenen Völkern die Speichelbeimengung von Friedensgetränken ein fester Bestandteil. Das Gleiche gilt für den gemeinschaftlichen Genuss von Rauschtränken bei Zeremonien, Bundes- und Friedensabschlüssen. Aus diesem Speichel wurde ein außerordentlich weises Wesen namens Kvasir geboren. Dieses wurde von den beiden Schwarzalben Fjallarr und Galarr ermordet und sein Blut in einem mächtigen und zwei kleinen Kesseln aufgefangen. Aus dem Blut brauten sie unter Beimischung von Honig einen Met, durch dessen Genuss jeder zum Dichter werden konnte.

In der zweiten Episode der Geschichte töteten die beiden Zwerge den Riesen Gillingr und dessen Frau, wurden aber vom Sohn des Riesen, Suttungr, gefasst und konnten ihr Leben nur retten, indem sie ihm den Met anboten. Suttungr nahm das Angebot an und bewahrte den Skaldenmet im Berg Hnitbjörg auf, wo ihn seine Tochter Gunnlöð bewachte.

Um an den Skaldenmet zu kommen, zog Odin, der als Gott der Dichtkunst und als Verwalter des Mets angesehen wurde, aus und traf auf die Knechte des Riesen Baugi. Mit List brachte er sie dazu, einander zu töten, und arbeitete dann selbst als Mäher unter anderem Namen bei ihm. Er ersetzte in seiner Tätigkeit neun Knechte, und als Lohn dafür sollte er einen Schluck des Skaldenmets erhalten. Baugi lief darauf mit seinem Knecht zu seinem Bruder Suttungr, dieser aber weigerte sich, ihm auch nur einen Tropfen zu geben.

Odin veranlasste Baugi, mit einem Bohrer ein Loch in den Berg Hnitbjörg zu bohren, durch das Odin in Schlangengestalt schlüpfte. Nachdem er drei Nächte mit der Riesentochter Gunnlöð verbracht hatte, gab sie ihm zum Dank drei Schluck des Mets. Daraufhin verwandelte sich Odin in einen Adler und flog nach Asgard. Dort spie er den Met in die Schüsseln der Asen.

Skaldenmet nach den Hávamál (104 – 110)

Diese Erzählung scheint auf den ersten Blick die gleiche wie die von Snorri, nur in einigen Punkten weicht sie davon ab:

  • Nach dem Raub des Skaldenmets durch Odin, der in dieser Dichtung weder in Schlangen- noch in Adlergestalt auftritt, veranstalteten die Reifriesen eine Suche nach dem Metkessel.
  • Der Riese heißt hier nicht Suttungr, sondern gleich wie bei Snorri das Fass des Mets, nämlich Óðrœrir.
  • Hnitbjörg kommt in der Dichtung gar nicht vor.
  • Odin hat sich bei der Gunnlöð, die hier die Tochter eines anderen (nämlich von Fjallarr) ist, betrunken.

Skaldenmet nach der Kenningar

Die meisten Details von Snorris Erzählungen bestätigen sich durch alte Kenningar. Nämlich:

  • Kvasirs Blut
  • Gillingrs Ermordung
  • Trank der Zwerge
  • Die im Berg verborgene Flut der Zwerge
  • Odins Diebstahl
  • Saat des Adlerschnabels

Skidbladnir

Skidbladnir  ist das Schiff des Gottes Freyr aus der nordischen Mythologie. Es wurde vom Zwerg Dvalin und seinen Brüdern im Auftrag des Gottes Loki gebaut.

Das Schiff war groß genug, um alle Götter aus Asgard transportieren zu können. Aufgrund seiner besonderen Bauweise ließ es sich sehr klein falten und so in einem Beutel mitführen. Außerdem hatte es immer günstigen Wind, egal in welcher Richtung man segeln wollte.

Tyrfing

Tyrfing ist der Name eines magischen Schwertes in der Nordischen Mythologie. Die ursprünglich wohl aus Schweden stammende Sage des Schwertes Tyrfing ist überliefert in der isländischen Hervarar-Saga und den darin eingebetteten vier Liedern: Hjalmars Sterbelied, Hervörlied (Hervararkviða), Heidreksrätsel (Heiðreks gátur bzw. Gátur Gestumblinda) und Hunnenschlachtlied (Hlöðskviða), die auch zu den Eddica minora (den Liedern der Lieder-Edda, die nicht im Codex Regius stehen), gezählt werden.

Svafrlami (oder auch Sigrlami) ist König von Gardarike und Enkel von Odin. Ihm gelingt es, die Zwerge Dvalinn und Durinn gefangen zu nehmen und zu zwingen, ihm ein Schwert mit goldenem Griff zu schmieden, das sein Ziel nie verfehlen werde, nie rosten und Stein und Metall so leicht wie Kleidung durchschneiden könne. Sie schmieden das Schwert, verfluchen es aber: Es solle dreimal großes Übel seinem Träger bringen.

Svafrlami wird durch den Berserker Arngrim (Arngrímr), der das Schwert an sich nimmt, getötet. Er vererbt es seinem Sohn Angantyr (Angantýr), der mit seinen elf Brüdern auf der Insel Samsø (Sámsey) im Duell mit dem Schweden Hjalmar (Hjálmarr) und dessen norwegischen Bruder Örvar-Odd (dem Held der Örvar-Odds saga) getötet wird. In diesem Kampf geht es um die Gunst von Ingibjörg, der Tochter von Yngvi, dem König der Schweden. Der schwer verwundete Hjalmar stirbt, und Örvar-Odd bringt seinen Leichnam zu Ingibjörg nach Uppsala (Hjalmars Sterbelied, auch »Kampf auf Samsey« genannt). Tyrfing wird mit Angantyr begraben.

Angantyrs Tochter Hervör macht sich, als sie davon erfährt, auf nach Samsø und fordert Tyrfing von ihrem toten Vater (Hervörlied, auch »Erweckung Agantyrs« genannt). Sie heiratete Hofund, mit dem sie zwei Söhne hat: Heidrek (Heiðrek) und Angantýr (Hofundson). Hervör gibt Tyrfing an Angantyr. Bei einem Spaziergang bittet Heidrek darum, das Schwert sehen zu dürfen. Dieses jedoch bringt ihn dazu, seinen Bruder Angantyr zu töten.

Heidrek verlässt sein Land, heiratet die Prinzessin von Reidgotaland und wird Gotenkönig. Auf einer Reise lagert Heidrek in den Karpaten, wo er eines Nachts von acht Leibeigenen ermordet und Tyrfings beraubt wird. Dies ist die letzte der drei bösen Taten Tyrfings, der Fluch ist gebannt. Heidreks Sohn Angantyr (Heidrekson) tötet die Diebe und holt das Schwert zurück.

Angantyr wird der neue König, jedoch verlangt sein bei den Hunnen aufgewachsener Halbbruder Hlöd (Hlöðr), den Heidrek mit der Prinzessin von Húnaland gezeugt hat, die Hälfte des Königreichs. Als Angantyr dies verweigert, kommt es zu einer Völkerschlacht zwischen Goten und Hunnen, bei der die 343 200 Hunnen den Goten zahlenmäßig weit überlegen sind. Die Goten gewinnen diese Schlacht, da Angantyr Tyrfing benutzt und seinen Bruder Hlöd tötet (Hunnenschlachtlied).

In der Hervararsagar ok Heidreks konungs wird Tyrfing als Schwert geschildert, das töten muss, sobald es aus seiner Scheide gezogen wird, denn Dvalins Fluch lautet:„Dieses Schwert wird eines Mannes Mörders, sooft es gezückt wird.[…]“. Das würde den Tod des einen der oben erwähnten Brüder erklären.

Snorri Sturluson erwähnt Tyrfing in seiner Edda als Umschreibung (kenning) für Schwert.

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Arminius und die Schlacht am Angrivarierwall

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The Hermannsschlacht, von Friedrich Gunkel. Gemälde wurde während WW2 zerstört.

Die Schlacht am Angrivarierwall fand während des Feldzugs des Germanicus im Jahre 16 n. Chr. statt. Im Sommer lieferten sich hier die Legionen des Nero Claudius Germanicus und das Koalitionsheer des Arminius ihre letzte kriegerische Auseinandersetzung. Laut Tacitus entschied Germanicus die Schlacht zu seinen Gunsten. Die Lokalisierung der Schlacht ist unsicher. Die meisten Forscher gehen von einem Weser-nahen Ort nördlich der Porta Westfalica aus.

Quellen

Die Schlacht am Angrivarierwall ist einzig bei Tacitus überliefert. Trotz ausführlicher Schilderung bleibt der genaue Schlachtverlauf unklar, eine genaue Schlachtbeschreibung wollte Tacitus allerdings nicht liefern. Der Verlauf der Schlacht kann deshalb nur in Umrissen dargestellt werden.

Teilnehmer und Truppenstärken

Römer und Verbündete

Vor der Schlacht von Idistaviso, die sich einige Tage oder Wochen davor ereignet hatte, verfügte Germanicus über acht Legionen mit Hilfstruppen: Darunter sind von Tacitus germanische Verbündete wie die Bataver (v.a. Reiter), Chauken, sowie keltische Kontingente wie die Raeter, Vindeliker und Gallier bezeugt. Möglicherweise befanden sich auch Ampsivarier, Belger und Friesen unter den Hilfsvölkern. Zusätzlich wurden Bogenschützen und berittene Bogenschützen erwähnt. Die Größe der Verbündeten-Kontingente ist unbekannt, sie dürfte jedoch beträchtlich gewesen sein. Ein Rätsel ergeben die Hilfstruppen in der Schlacht am Angrivarierwall, denn sie werden hierbei mit keiner Silbe mehr erwähnt. Einige Forscher gehen davon aus, dass keine mehr vorhanden waren. Der spätere Angriff auf den Wall spricht sehr dafür, weil in der römischen Kriegskunst die gefährliche Angriffe mit zu erwartenden hohen Verluste, wie z.B. in der Schlacht in Idistaviso (an der vorderster Front), i.d.R. den Bündnispartnern zugeteilt wurden.

Die Legions-Sollstärken von je rund 6.000 Mann wurden am Angrivarierwall keinesfalls erreicht. Es müssen Truppenzahlen in unklarer Höhe abgezogen werden für die in den Garnisonen verbliebenen Besatzungen, für Truppen zur Sicherung der Nachschub- und Kommunikationswege sowie für Verluste in den vorangegangenen Gefechten (s.u. Vorgeschichte).

Für die Truppenstärke des Feldzug-Heeres im Jahr 16 geht Hans Delbrück von „nicht unter 50.000“ aus. Klaus-Peter Johne nennt 80.000. Explizit für die Schlacht am Angrivarierwall setzt Wolfgang Jungandreas viel zu hoch 100.000 Mann an.

Arminius-Koalition

Noch schwieriger gestaltet sich die Angabe der Truppenstärke, die den Cheruskern unter Arminius zur Verfügung stand. Insgesamt dürfte die Koalition stärker als im Vorjahr gewesen zu sein.

Im Wesentlichen wird es sich bei den Verbündeten der Cherusker um die Stämme gehandelt haben, die im Jahr 9 n.Chr. an der Varus-Schlacht beteiligt waren. Gegen diese richteten sich die Militäroperationen des Germanicus in besonderem Maße. Man wird deshalb davon ausgehen können, dass die Brukterer und Marser der Koalition angehört haben. Bei beiden Stämmen konnten Legionsadler sichergestellt werden, die im Jahr 9 erbeutet worden waren. Überdies werden Usipeter, Tenkterer und Tubanten zu den Bundesgenossen gezählt.

Die Chatten gehören neben den Cheruskern und Angrivariern (zu diesen unten mehr) zu den drei Stämmen, die Tacitus in seinem Bericht vom Germanicus-Triumphzug des Jahres 17 besonders hervorhebt: Caesar (Germanicus) hielt seinen Triumph „über die Cherusker, Chatten und Angrivarier sowie die anderen Stämme, die (das Land) bis zur Elbe bewohnten“. Es ist unklar, ob und in welcher Weise sich die Chatten im Sommer des Jahres 16 in das Bündnis des Arminius eingefügt haben. Aufgrund ihrer Rivalität zu den Cheruskern dürften sie allenfalls eigenständig operierend an den Kämpfen teilgenommen haben.

Die Angrivarier schienen im Sommer des Jahres zunächst befriedet, dann jedoch sieht sich Germanicus gezwungen, seinen Reiterlegaten Stertinius zu den Angrivariern entsenden, um deren Abfall „mit Feuer und Mord“ zu bestrafen. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass Teile der römischen Kavallerie die Erhebung eines ganzen Stammes hätten niederschlagen können – laut Sangl immerhin rund 7.500 Krieger –, noch dazu in offenbar kurzer Zeit. Dies legt den Gedanken nahe, dass es sich bei den Aufrührern lediglich um abtrünnige Stammesteile handelte. Diese mögen sich später, der erlittenen Strafexpedition zum Trotz, an der Schlacht am Angrivarierwall beteiligt haben.

Es können weitere kleinere Stämme oder einzelne Gefolgschaften Arminius unterstützt haben. So wird bei Strabon berichtet, der Sugambrer Deudorix (ein Neffe des Lollius-Besiegers Maelo) sei im Triumphzug des Germanicus im Jahr 17 mitgeführt worden. Deudorix könnte Sugambrern vorgestanden haben, die sich der Umsiedlung des Jahres 8 v. Chr. entzogen hatten und auf rechtsrheinischem Gebiet verblieben waren. Er mag dem Arminius eine Gefolgschaft oder ein (sicherlich nicht großes) Stammesaufgebot zugeführt haben.

Strabon zählt weitere Stämme auf (Lander, Kaulker, Kampsaner), die aber entweder unbekannte, kleinere Gruppierungen darstellten oder hinter deren Namen sich lediglich alternative Bezeichnungen für bereits genannte Stämme verbergen. Errechnet man mit Hilfe der bei STANGL für die einzelnen Stämme genannten Daten die Kriegerzahl der Koalition, so erhält man 40.000 bis rund 75.000. Die obere Zahl markiert eine kaum erreichbare Obergrenze. Für die Schlacht am Angrivarierwall könnte selbst die untere Zahl noch zu hoch angesetzt sein wegen des unklaren Status von Chatten, Angrivariern und Gefolgschaften/kleinere Stämme sowie wegen der germanischen Verluste in unbekannter Höhe in den Gefechten zuvor.

Vorgeschichte

Nach der Varus-Katastrophe im Jahr 9 n.Chr. eilte Tiberius, designierter Nachfolger des Augustus, nach Germanien und stabilisierte die Lage. Im Jahr 13 übernahm Germanicus den Oberbefehl und kämpfte möglicherweise noch im gleichen Jahr, sicher jedoch im nächsten. Im Jahr 15 führt er ein Heer wohl bis zu Weser, musste aber große Verluste hinnehmen (u.a. Rückmarsch-Schlacht an den pontes longi). Im Jahr 16 stand Germanicus unter gewaltigem Erfolgsdruck: Tiberius, seit 14 n.Chr. Kaiser, drängte vehement auf den Abbruch der riskanten und verlustreichen Offensiven. Dessen ungeachtet transportierte Germanicus im Sommer des Jahres 16 mit rund 1.000 Schiffen insgesamt acht Legionen mit Hilfstruppen vom Niederrhein über Drususkanal, Ijsselmeer und Nordsee zur Mündung der Ems. Teile der Forschung vermuten eine Fahrt zur Weser statt zur Ems. Der Marsch nach der Landung wird von Tacitus nicht beschrieben.

Am Mittellauf der Weser, wohl bei Minden, trafen die Legionen auf Arminius. Es folgten eine Niederlage batavischer Hilfstruppen in einem Reitergefecht, die Schlacht bei Idistaviso sowie weitere Marschgefechte, von denen lediglich überliefert ist, dass sie die Römer in Bedrängnis brachten („turbant“).

Womöglich befand sich Germanicus bereits in einer Rückwärtsbewegung, als er im Spätsommer auf eine befestigte Stellung der Germanen auflief, die später von der Geschichtsforschung als „Angrivarierwall“ bezeichnet werden sollte.

Verlauf

Aufstellung

Die Germanen hatten die Stelle gut vorbereitet: „Schließlich wählten sie einen Ort aus, der von Fluss und Wäldern eingeschlossen war und im Innern eine enge, feuchte Ebene (bildete)“, berichtet Tacitus; „auch die Wälder umgab ein tiefer Sumpf, nur an einer Seite hatten die Angrivarier einen breiten Wall aufgeschüttet, durch den sie von den Cheruskern getrennt wurden.“

Die germanischen Fußtruppen postierten sich zur Verteidigung des Walles, die Reiterei verbarg sich in benachbarten Hainen oder Lichtungen, um die Legionen in den Rücken zu fassen, sobald sie den Wald betreten würden. Bereits diese Aufstellung ist unklar und kann auch aus dem weiteren Schlachtverlauf heraus nicht sicher gedeutet werden.

Germanicus teilt seine Truppen in drei Teile auf: Der Reiterei unter Seius Tubero übergab er die „Ebene“. Ein (offenbar kleinerer) Teil der Fußtruppen drang problemlos in den Wald vor. Es bleibt unklar, wie man sich diese Anordnung vorzustellen hat und warum diese beiden Truppenteile von der germanischen Kavallerie offenbar nicht attackiert wurden.

Erstürmung des Walles

Den dritten Teil der Truppen, den Hauptteil der Legionen, übernahm Germanicus selbst. Er ließ den Wall angreifen, zunächst erfolglos. „Der Feldherr bemerkte den ungleichen Nahkampf, zog die Legionen etwas zurück und ließ Schleuderer und Wurfschützen Geschosse entsenden und den Feind vertreiben; aus den Wurfmaschinen entsandte man Lanzen, und je mehr Verteidiger sichtbar wurden, desto mehr sanken unter Wunden nieder.“

Es ist unklar, warum Germanicus die Fernwaffen erst im zweiten Anlauf einsetzen ließ. Nicht befriedigen kann die Erklärung von Paul HÖFER, dem zufolge der Einsatz ein Ablenkungsmanöver war, um eine Umgehung der germanischen Front zu verbergen. Unverständlich ist, warum ein Verteidigungswall nicht Schutz vor Fernwaffenbeschuss hätte bieten sollen. Möglicherweise mussten die Legionäre (entgegen der Angabe bei Tacitus, der von Zurücknahme der Legionen spricht) den Wall gleichzeitig zum Beschuss angreifen, um die Verteidiger auf die Wallkrone und hinter eine (möglicherweise unzureichend gegen Katapultbeschuss schützende) Brustwehr aus Flechtwerk zu locken. Dies wäre jedoch ein für die Angreifer riskantes Verfahren gewesen, das wohl kaum ohne römische Verluste durch „friendly fire“ abgelaufen sein dürfte. Möglicherweise lag hierin auch der Grund für den anfänglichen Verzicht auf die Fernwaffen. Ihr schließlicher Einsatz könnte auf eine gewisse Verzweiflung der römischen Führung hindeuten.

Kampf in den Wäldern

Nachdem der Wall beschädigt war, griff der junge Cäsar persönlich mit seinen prätorischen Kohorten den Wall an. Er bemächtigte sich dem Wall und drang in den dahinterliegenden Wald ein. Der Einsatz der Prätorianer, die Leibgarde des Kaisererben, sowie der Einsatz von Germanicus selbst, stellt kein normales Verfahren nach gängiger römischer Schlachtstrategie dar und ergab für die Römer eine höchst kritische Schlachtsituation.

Im Wald entbrannte ein für beide Seiten mörderischer Kampf: „Den Feind schlossen im Rücken der Sumpf, die Römer[,] Fluss oder Berge ein: Für beide (war) der Ort unabänderlich, (lag) die Hoffnung in der Tapferkeit, (kam) das Heil aus dem Sieg.“ Der Nahkampf wogt hin und her, die germanischen Anführer Arminius und Inguiomerus verlässt, so Tacitus, das Kriegsglück.

Schlachtausgang

Germanicus befahl keine Gefangenen zu machen. Nach einem langen Kampf bis zum späten Abend gab Germanicus den Befehl zum Rückzug sowie die „Ausrottung des Volkes“ auf. Eine Legion wurde für das Errichten eines Lagers abkommandiert, während die anderen Legionen zur Deckung des Lagersbau noch bis tief in die Nacht kämpfen mussten. Am nächsten Morgen ließ Germanicus als Trophäe Waffen der Gegner aufschichten (nach Tacitus kein Tropaion oder Tumulus!) und lobte die Sieger in einer öffentlichen Versammlung. Die Rolle der Kavallerietruppen blieb bis zum Schluss unklar. Tacitus bemerkt lapidar: „Die Reiter kämpften ohne Entscheidung“.

Germanicus hatte sich zwar mit einer erfolgreichen Lagerbau behauptet, befahl jedoch anschließend „da aber der Sommer sich bereits dem Ende zuneigte“ die Rückkehr in die Winterquartiere an den Rhein. Diese Maßnahme erscheint angesichts des Sieges sowie des Erfolgsdrucks, der auf Germanicus lastete, befremdlich. Die Forschung hat verschiedene Gründe angeführt. Zum Beispiel: Eine Wiederbesetzung des Angrivarierwalles durch die Germanen in der Nacht, das bedrohliche Vorrücken des zwar geschlagenen, aber nicht vernichteten Arminius-Heeres in Richtung der Flottenbasis oder die Ansicht, dass es sich beim Sieg des Germanicus lediglich um eine erfolgreiche Durchbruchschlacht des sich zurückziehenden römischen Heeres gehandelt habe. Möglicherweise hat es sich um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt, um bei der Rückführung der Truppen per Schiff nicht in Herbststürme zu geraten.

An der Ems angekommen folgte die Rückfahrt zur See, wodurch ein Sturm zur Seekatastrophe des Germanicus mit hohen Verlusten an Mensch und Material führte. Nach Tacitus überstand nur die Triere des Germanicus von eintausend Schiffe. Am Ende musste Legat Stertinius, Nachfolger von Aulus Caecina Severus, mit Hilfe der Angrivarier „eine große Zahl“ von römischen Kriegsgefangenen freikaufen.

Folgen

Tiberius ging zu einer defensiveren Politik in Germanien über. Die von Kaiser Tiberius 16 n. Chr. gegenüber dem Germanicus ausgegebene Doktrin, die Germanen ihren inneren Streitigkeiten zu überlassen, anstatt sie unter hohen römischen Verlusten in ihren Wäldern und Sümpfen zu bekämpfen, ging auf: Nach dem Tod des Arminius (ca. 21 n. Chr.) löschte sich die cheruskische Aristokratie durch Bruderfehden zunehmend aus, so dass im Jahr 47 n. Chr. die Cherusker in Rom um einen geeigneten Fürsten nachsuchten. Rom gewährte ihnen daraufhin den Italicus. Sein Erfolg bei der Befriedung der Blutfehden war jedoch begrenzt. Tacitus konnte um 100 n. Chr. schreiben, dass das vor kurzem noch so starke und wichtige Cheruskergeschlecht bis auf einen elenden Haufen nicht mehr existierte, wobei die Cherusker natürlich nur ein Stamm der Germanen waren, die sich mit anderen Stämme zum Volk der Sachsen entwickeln sollten.

Daraufhin hatte Rom weitere Provinzverluste in Germanien – u.a. Chauken, Friesen – was erst unter Kaiser Vespasian im Bataveraufstand sein Ende am Rhein fand. Etwa um 90n.Chr. wurden die Provinzen Germania superior und Germania inferior, sowie das Civitas Taunensium, von Kaiser Domitian erschlossen. Germania Magna blieb unabhängig und wurde von den historischen, meist senatorischen Quellen, gerne als Freies Germanien bezeichnet, bzw. brachten Germania gerne mit Freiheit in Verbindung. Die Hauptquelle Tacitus verwendete es geradezu inflationär. Aus anderen Bündnispartnern(Brukterer, Tenkterer, Chatten etc.) entwickelte sich das Volk der Franken.

Weitere Streifzüge der römischen Legionen blieben nicht aus. So bezeugen Funde am Harzhorn, dass noch im 3. Jahrhundert n. Chr. (über 220 Jahre nach der Varusschlacht) weit im vermeintlich germanischen Gebiet größere römische Verbände tätig waren.

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Stämme der Germanen – Die Angelsachsen

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anonym, Sutton Hoo replica (face), CC BY 2.0

Die Angelsachsen waren ein germanisches Sammelvolk, das ab dem 5. Jahrhundert Großbritannien allmählich besiedelte und zunehmend beherrschte. Ab der Mitte des 6. Jahrhunderts war die angelsächsische Kultur auf der Insel bereits dominant, da die römisch-keltische Bevölkerung entweder verdrängt oder assimiliert worden war. Als angelsächsische Periode wird die Zeit britischer Geschichte von etwa 450 bis 1066 angesehen, als schließlich die Normannen das Land eroberten.

Helm (Rekonstruktion) eines Fürsten (vermutlich König Raedwald) aus Sutton Hoo (British Museum). Der Helm basiert zwar auf dem Spangenhelm, ähnelt aber den Helmen aus der Vendelzeit in Schweden.

Das Sammelvolk der Angelsachsen bestand hauptsächlich aus Sachsen und Angeln. Als Verband treten diese Stämme, mit aus Jüten, Friesen und Niederfranken bestehenden Gruppen, ab dem 5. Jahrhundert auf. Die ethnische Entstehung (Ethnogenese) der Angelsachsen war das Ergebnis eines längeren Vorganges der Einwanderung und der Aufnahme von Teilen der keltisch-romanischen Vorbevölkerung Britanniens.

Aus diesem Völkerverband bildete sich zunächst eine angelsächsische Kultur heraus. Später, ergänzt um Skandinavier, Dänen und im 11. Jahrhundert frankophone Normannen, formierte sich im Laufe der Zeit und dieser Entwicklungen im Hochmittelalter eine kulturell-ethnische Konstellation, die später als englische Nation und Kultur interpretiert wurde. Das Angelsächsische hat in der altsächsischen Sprache seine wesentlichen sprachlichen Wurzeln. Noch heute, trotz 1500-jähriger unterschiedlicher Entwicklung, finden sich viele Gemeinsamkeiten zwischen der englischen und der niedersächsischen Sprache.

Oft wird der Begriff heute im übertragenen Sinn in Bezug auf die Bewohner der Britischen Inseln und auf die englischen Sprachvölker in Nordamerika und Ozeanien angewendet.

Herkunft der Angelsachsen

Stammesverteilung der Germanen um 50 n. Chr.
anonym, Germanen 50 n. Chr, CC BY-SA 3.0

Die Angelsachsen sind im Wesentlichen die Nachkommen zweier kontinentalgermanischer Stämme: Die Angeln wurden schon während der hohen römischen Kaiserzeit bei Tacitus 98 n. Chr. als Anglii und später bei Claudius Ptolemäus (2. Jahrhundert) als Άγγειλοί (Angeiloi) schriftlich erwähnt und siedelten wohl im Nordosten des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein, wo es noch heute die Landschaft Angeln gibt. Die Angeln werden von Tacitus in dessen Beschreibung der historisch-geografischen Verhältnisse Nordgermaniens mit anderen Stämmen zusammen aufgezählt. Stämme, die auf den dänischen Inseln, an der Ostseeküste und an der unteren Elbe zu lokalisieren sind und zusammen eine nördliche politisch-kultische Gruppe im Suebenverband bildeten, bei Ptolemaios eben als Συηβοι οί Άγγειλοί.

Die antiken Sachsen sind nicht zu verwechseln mit den späteren Sachsen des Hochmittelalters und den Bewohnern des heutigen Bundeslandes Sachsen. Vielmehr handelt es sich um die Vorläufer des späteren Stammesherzogtums Sachsen (Altsachsen), welches im Gebiet des heutigen Niedersachsen sowie in Holstein und Westfalen angesiedelt war. Die Altsachsen der beginnenden Völkerwanderungszeit waren sprachlich und in ihrer materiellen Kultur sehr viel enger mit den Friesen verwandt. Tacitus erwähnt in seiner Germania die Sachsen nicht, aber er zählt den Stamm der Chauken auf, die an der unterelbischen Nordseeküste siedelten und die auch Plinius der Ältere kennt, während Ptolemaios die eigentlichen Sachsen (Σαξονες) „…im Nacken der kimbrischen Halbinsel“ (wohl das heutige Holstein) lokalisiert. Im 3. Jahrhundert war die Vereinigung beider Völker zum nun größeren Stammesverband der Sachsen vollzogen. Der Wandel beschleunigte sich mit der Vereinigung zum großen sächsischen Stammes- und Volksverband mit der Assimilierung kleiner Stämme und Überreste einstiger bedeutender Stämme, wie der Cherusker im 3./4. Jahrhundert. Die sächsischen Gruppen, die später einen Teil der Angelsachsen bildeten, trennten sich bereits vor der Bildung des Großvolks der frühmittelalterlichen Sachsen durch die Übersiedlung nach Britannien ab.

Angeln und Sachsen waren wahrscheinlich eng miteinander verwandt, da sie der gleichen kontinentalgermanischen Kultgruppe der Ingwäonen angehörten oder entstammten, trotz bestehender kultureller Unterschiede wie unter anderem bei den Bestattungsriten. Der genaue Verlauf der angelsächsischen Ethnogenese ist wie bei allen germanischen gentes der Völkerwanderungszeit Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Diskussion.

Die germanische Völkerwanderung.
Sansculotte, Karte völkerwanderung, CC BY-SA 3.0

Die Siedlergruppe der Jüten waren zur damaligen Zeit von der Sprache und vom Kultus her offenbar den westgermanischen Stämmen zugehörig. Die heutigen Jüten, auf dänisch Jyder, sind nordgermanischen Ursprungs und mit diesen Jüten nicht zu verwechseln. Die Friesen sind aus ihrer angestammten Heimat wohl nur mit Kleinstgruppen an der Bildung der Angelsachsen beteiligt gewesen. Besonders die Ortsnamenforschung hat Siedlungsräume dieser friesischen Siedlergruppen fixiert. Der spätantike Historiker Prokop (6. Jahrhundert) erwähnt die Friesen in seinem Werk über die Gotenkriege Justinians und nennt sie Φρισσονες.

Ein fränkischer Anteil wird nur vermutet, unter anderem auf Basis unsicherer Ableitungen von Ortsnamen und der Analyse altenglischer Literatur und daran festgemachter Indizien – wie zum Beispiel im Beowulf-Epos. Diese fränkischen Siedler kamen aber vermutlich erst mit der letzten Einwanderungswelle gegen Ende des 5. Jahrhunderts auf die britische Insel.

Der Name

Die Herkunft und die Entwicklung hin zur Namensbildung „Angelsachsen“ ist heute nicht mehr nachvollziehbar; dennoch lassen die vorhandenen Quellen Rückschlüsse zu, die daraus abgeleitete Annahmen plausibel machen. Grundsätzlich scheint bei den Kolonisten, besonders bei den Jüten und Angeln, die Bindung zu den kontinentalen Verwandten recht schnell Lockerungen unterworfen gewesen zu sein – bis hin zum Abbruch.

Ziko-C, 2004 sutton hoo 03, CC BY-SA 3.0

Beda Venerabilis (gest. 735), ein bedeutender angelsächsischer Gelehrter, lokalisierte die Jüten nach der Wanderung in Kent und gab sie in der Namensform Iutae wieder, die nicht aus heimischer altenglischer Überlieferung stammt. Die altenglische Form wäre *Eotas (vgl. Eotenas, bezeugt in Beowulf, Zeilen 1068–1159), wobei diese aber nirgends überliefert ist. Beda kannte also den korrekten Namen nicht mehr. Um 700 dürften nur noch schwache Erinnerungen an den Namen und die damit in Verbindung stehende „Urheimat“ existiert haben. Alfred der Große gab in seiner Übersetzung von Bedas Kirchengeschichte dann Iutae mit Gēatas wieder, dem Namen der Gauten aus Schweden.

Die häufige altenglische Form Ongle für Angle gab Alfred statt mit der korrekten Form Angli mit dem Namen der Landschaft wieder, Angel. Auch er kannte somit selbst nicht mehr die Namen für die alten Stämme.

Die Sachsen in Britannien behielten dagegen Kontakte zum Festland im Zusammenhang mit der dominanten kontinentalen Ausbreitung des Stammesverbandes. Die Sachsen der Insel nannten zur Unterscheidung des englischen Zweiges diese Eald-seaxan, Altsachsen.

Beda war nicht mehr klar, dass Angeln und Sachsen unterschiedliche Stämme waren. Er bezeichnete sie als Angli sive (vel) Saxones, als seien sie ein und dieselben unter verschiedenen Namen. Alfred berichtigte Beda hierin durch ein ond beziehungsweise durch ein „oder“. Bedas Grundlage für seine Wiedergaben und Annahmen mögen tradierte Sprüche und Merkreime in der Form des Stabreims gewesen sein.

of Englum ond Eotum (Iutum) ond of Ealdseaxum
„von den Angeln und den Jüten und den Altsachsen stammen die Angelsachsen“
– Beda Hist. ecc. gen. Ang. I,15

Dieser Typus eines Dreiklangs passt zu dem alten Muster germanischer Abstammungssagen wie beispielsweise der Stammbaum des Mannus in Tacitus Germania, Kapitel 2.

Der Name der Angeln dominierte schließlich den der Sachsen als vereinheitlichter Name für alle Germanen auf der britischen Insel, vielleicht zur besseren Unterscheidung von den kontinentalen Sachsen (denn jene Angeln, die nicht nach Britannien gezogen waren, waren von anderen Stämmen assimiliert worden, so dass keine Verwechslungsgefahr bestand). Die angelsächsischen Könige nannten sich rex Anglorum, oder rex Anglorum Saxonum. Papst Gregor I. nannte den König Æthelberht von Kent – selbst jütischer Abstammung – in einem Brief von 601 rex Anglorum. Um 1000 verdrängte der aus dem altnordischen und von den Wikingern eingeführte Begriff für Land und Volk, Englar und Englaland dann die älteren einheimischen Bezeichnungen wie unter anderem Āngelþeod („Angelvolk“). Diese neue Form tritt sowohl in den altnordischen Texten als auch in den angelsächsischen auf und führte schließlich zur Herausbildung der Kurzform England.

Die romanisierten Kelten haben die eindringenden Germanen dagegen insgesamt nach den Sachsen benannt, kymrisch Sais („Engländer“) für die Menschen und saesneg für die Sprache. Auch die lateinischen Schreiber des Kontinents haben anfänglich die Begriffe Saxones und lingua Saxonica verwendet.

Ein Hauptgrund für die Durchsetzung des Angelnamens mag ein politisch-kulturelles Übergewicht der Angeln in den ersten Jahrhunderten gewesen sein. Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, wurde auch durch die Außenwahrnehmung sehr früh der Begriff Angelsachsen gebildet – bei Beda noch nicht direkt und klar, bei Paulus Diaconus um 775 Angli Saxones in der Bedeutung von „Die englischen Sachsen“, um eine Unterscheidung zu den festländischen Sachsen darzustellen. Letztlich ist die Bildung des Namens Angelsachsen ein Produkt aus mehreren zusammenfließenden Faktoren: Zuerst ist es eine gelehrte lateinische Form und dann ist es eine Folge des Verlustes der angestammten kontinentalen Wurzeln und schließlich hat auch das Vergessen der ursprünglich klaren Stammesidentität und die Außenwahrnehmung noch Anteil daran.

Anfänge bis zur Besiedlung der britischen Insel

Das römische Britannien um das Jahr 410 n. Chr.

Erste kriegerische Invasionen von sächsischen Gruppen ins römische Britannien fanden nachweislich in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts statt. Sächsische Gefolgschaften (neben fränkischen Gruppen) auf Beutezug und Piraten landeten auf beiden Seiten der Kanalküste. Einfälle von iro-schottischen Stämmen zwangen die römische Militärverwaltung zur Reform der militärischen Infrastruktur, des Verteidigungs- und Befestigungswesens. Das führte nach Ansicht vieler Forscher unter anderem dazu, dass Befehls- und strategische Verantwortlichkeiten auf sächsische Führer übertragen wurden; sie dienten demnach unter dem comes litoris Saxonici (Befehlshaber der sächsischen Küste) als Foederaten. Der Schluss liegt nahe, dass zumindest seit dem späten 4. Jahrhundert germanische Verteidiger in römischen Diensten samt ihren Familien in Südbritannien siedelten, also vor dem eigentlichen Hauptstrom der germanischen Besiedlung, respektive Eroberung, ab der Mitte des 5. Jahrhunderts. Diese siedelten südlich entlang der Themse im heutigen Großraum London, in Essex, Kent und waren an der Ostküste stationiert. Andere Forscher dagegen gehen davon aus, dass die „Sachsenküste“ der Abwehr sächsischer Angriffe diente und daher nicht mit sächsischen foederati besetzt gewesen sei, nehmen aber ebenfalls an, dass erste sächsische Söldner schon im späten 4. Jahrhundert in Britannien dienten.

Britannien um 500 n. Chr. mit dem eroberten angelsächsischen südöstlichen Gebiet.

Eskalierende Bürgerkriege im weströmischen Reich und der zeitweilige Zusammenbruch der römischen Rheingrenze im Jahre 406/407 n. Chr. durch den Rheinübergang einiger germanischer Kriegergruppen führten unter Kaiser Honorius (regierte 395-423) und dem Usurpator Konstantin III. (regierte 407-411) zum Abzug der meisten regulären römischen Truppen aus Britannien um das Jahr 407. Obwohl Honorius Britannien nicht aufgab, sah er sich gezwungen, die Insel weitgehend sich selbst zu überlassen. Das entstandene Machtvakuum und die ungeregelten politischen Verhältnisse boten idealen Raum und Möglichkeiten für eine Zuwanderung vom Festland.

Ab Beginn des 5. Jahrhunderts gab es offenbar zunehmend Übersiedlungen auf die britischen Inseln von der norddeutschen-niederrheinischen Tiefebene aus, die sich im Laufe der Zeit verstärkten und sich ab etwa 450 zum Hauptstrom der Auswanderung nach Britannien entwickelten, wobei das Ausmaß der Zuwanderung umstritten ist. Für den Zeitraum vom frühen 5. Jahrhundert bis in die Zeit um 600 liegen aber auch Quellen für die Vorgänge in Britannien vor. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt (im Anschluss an den Bericht des Gildas), dass die römisch-keltische Zivilbevölkerung der Insel nach dem Abzug der kaiserlichen Truppen auf eigene Faust angelsächsische foederati anwarb, um ihr Land gegen Pikten und Skoten zu verteidigen. Vielleicht hat dabei der „Tyrann“ Vortigern eine Rolle gespielt, der gemäß späterer Tradition zwei (wohl nicht historische) sächsische Anführer namens Hengest und Horsa (‚Hengst‘ und ‚Pferd‘) ins Land gerufen haben soll. Um 440 scheint es dann zu einem Aufstand der sächsischen Söldner gekommen zu sein, die in der Folgezeit weiteren Zuzug vom Kontinent erhielten und die Romano-Kelten langsam zurückdrängten.

Die Briten hatten sehr lange unter römischem Kultureinfluss gelebt und wurden im 4. Jahrhundert schrittweise Christen. Sie waren zwar vermutlich nicht in dem hohen Maße romanisiert wie etwa die gallischen Kelten, und zudem gab es in Britannien auch große soziale und geografische Unterschiede in der Annahme der lateinischen Sprache und Zivilisation. Die Angeln und Sachsen aber stammten überwiegend aus Gebieten, die kaum von der römischen Zivilisation berührt worden waren. Die Briten waren für diese anlandenden Krieger demzufolge romanische Fremdvölker (altengl. Wealh, nhd. Welsch – daher auch der Name von Wales). Für viele christliche Romano-Briten wiederum waren die überwiegend heidnischen Angelsachsen Barbaren. Es kam zu einer teilweisen Verdrängung durch die vorrückenden Angelsachsen, aber auch einem freiwilligen Zurückweichen der keltischstämmigen Bevölkerung im Südosten.

Um 500 konnten die Romano-Briten unter Führung des Ambrosius Aurelianus den Vormarsch der Angreifer für einige Jahrzehnte stoppen (vielleicht ein Ursprung der Artussage), doch war dies nur eine Atempause. Ein Teil von ihnen wich in die Bretagne aus oder zog sich in die Höhen- und Erdbefestigungen zurück (Wansdyke, Bokerly Dyke). Teile der Briten wurden versklavt (ags. Wealas), eine große Zahl scheint auch übergelaufen zu sein und die Sitten und Sprache der Eindringlinge übernommen zu haben. Es soll auch zu Blutbädern unter der römisch-britischen Stadtbevölkerung gekommen sein (unter anderem in Chester im Jahre 491), wenngleich es neueren Befunden zu keiner massenhaften Vertreibung der Romano-Briten kam. Es kam auch durchaus zu militärischen Rückschlägen für die germanischen Eroberer, beispielsweise in der (nicht genau datierbaren oder lokalisierbaren) Schlacht von Mons Badonicus um 500; anschließend, so Gildas, stoppte die weitere angelsächsische Landnahme zunächst. Nach der entscheidenden Schlacht von Deorham 577 wurden die Gebiete der cornischen und der walisischen Kelten durch die wieder vordringenden Angelsachsen aufgespalten. In Städten wie London, York und Lincoln blieb ein Teil der romano-keltischen Bevölkerung sesshaft, da die Angelsachsen diese Orte anfangs offenbar mieden. Die Orte wurden später von den Briten geräumt, die römischen Villen hingegen wurden von den nachrückenden Germanen kaum weitergenutzt.

Im 8. Jahrhundert profilierte sich schließlich Mercia als Vormacht, König Offa von Mercia gilt manchen als erster König von England. Die mercische Vorherrschaft wurde jedoch im frühen 9. Jahrhundert durch Wessex gebrochen, das unter Egbert von Wessex zum mächtigsten angelsächsischen Reich aufstieg.

Siedlungsgeschichte in England

Die angelsächsischen Königreiche und Stammesgebiete.
Britain_peoples_circa_600.svg: User:Wereon derivative work: Furfur, Britain peoples circa 600 de, CC BY-SA 3.0

Die Germanen besiedelten anfangs ein geschlossenes Gebiet, dessen Keimzelle ihnen mutmaßlich im Rahmen ihrer Anwerbung als foederati zugewiesen worden war. Nach linguistischen (unter anderem die Ortsnamenforschung) und archäologischen Befunden blieb nach dem Beginn der angelsächsischen Revolte nur ein geringer Rest der romanokeltischen Bevölkerung ansässig (andere Forscher erklären das Verschwinden römisch-keltischer Gräber hingegen damit, dass sich die Vorbevölkerung schnell assimiliert habe). Als Einfallstore gelten die Themse, der Humber, der Wash und entlang der alten Römerstraße der Icknield-Way. Am Anfang des 6. Jahrhunderts wurde das germanisch beherrschte Gebiet des Südostens durch die heutigen Grafschaften Hampshire, das östliche Berkshire, das südliche Buckinghamshire, das nordöstliche Bedfordshire und Huntingdonshire umgrenzt. Westlich dieser Linie lag keltisch besiedeltes Land, und die weitere Ausweitung der angelsächsischen Machtsphäre auf jene westlichen und in der Folge auf weitere Gebiete bezog dann die keltische Bevölkerung in die sich herausbildenden germanischen Staaten oder angelsächsischen Königreiche mit ein.

Grundsätzlich gilt, dass das Ausmaß der angelsächsischen Einwanderung in Britannien unklar ist, zumal die Interpretation des archäologischen Befundes, wie erwähnt, umstritten ist. In jüngster Zeit wird sogar bezweifelt, dass die englische Sprache auf die Angelsachsen zurückzuführen sei: Vielmehr seien es erst die Wikinger gewesen (siehe unten), die in so großer Zahl auf die Insel gekommen seien, dass sich germanische Dialekte durchsetzten. Fest steht, dass in Britannien noch im 6. Jahrhundert lateinische Inschriften gesetzt wurden.

Angelsächsische Stämme

Nach Beda siedelten die gentes ethnisch getrennt. Die Angeln ließen sich primär nördlich der Themse in East Anglia, dem Gebiet der Mittelangeln, Mercia und an der Ostküste bis südlich von Edinburgh nieder. Die Sachsen gründeten Essex, Wessex und Sussex im Tal der Themse und südlich bis zum Ärmelkanal. Die Jüten siedelten vornehmlich in Kent und auf der Insel Wight. Diese strikte ethnische Aufteilung ist aber umstritten, da man eher von einer ethnisch vermischten Siedlung bzw. Eroberung unter Führung von Gefolgschaften ausgehen muss und dies dem germanischen Brauch und Vorgehen eher entspricht.

Siedlungswesen und -formen

Ähnlich wie am Rhein übernahmen die Neuankömmlinge offenbar nur selten die römischen Siedlungsformen. In ihren Gebieten waren die Germanen aus den oben geschilderten Umständen auf eine eher mobile Siedlungsweise in Siedlungen von weilerartigem Typus angewiesen. In diesen Siedlungen herrschten von der Art und Anzahl her das Grubenhaus und das Hallenhaus vor. Die Grubenhäuser dienten vermutlich mehrheitlich als Lagerräume bzw. als Webhäuser und seltener als Wohnraum. Zu den größten Siedlungen des 4. bis 5. Jahrhunderts gehört der Fundort Mucking in Essex mit 200 Grubenhäusern und 30 Hallenhäusern. Die „mobile“ Anlage der Gebäude zeigt sich besonders daran, dass die repräsentativeren als Pfostenbauten errichteten Hallenhäuser von der Größe nicht mit den kontinentalen sächsisch-niedergermanischen Wohnstallhäusern vergleichbar sind. Diese anfänglichen Siedlungen, die später zum Teil städtisches Wesen erlangten, wurden oft neben alten zerstörten und verödeten Römerstädten angelegt.

Die Landwirtschaft wurde in derselben Weise wie auf dem Kontinent betrieben, archäologisch nachgewiesen ist der Anbau von Gerste, Hafer und Flachs sowie Waid als Grundstoff für das Färben von Leinen und anderen Bekleidungsstoffen. Die Viehhaltung umfasste Schweine, Schafe und Rinder sowie Pferde, Ziegen und Haushühner. Katzen und Hunde wurden als zusätzliche Haustiere gehalten. Die Feldarbeit wurde durch einscharige Pflüge bestellt, geerntet wurde mit Sicheln, Hippen und Sensen.

Aus dem 5. Jahrhundert sind zahlreiche Keramiken gefunden worden, die reichhaltig an ornamentalen Verzierungen sind, aber ohne Nutzung einer Töpferscheibe hergestellt wurden. Bedeutend ist hierbei die auf einem Standfuss stehende Buckelkeramik. Diese Form fand besonders in den Midlands und im Themsegebiet die größte Verbreitung und wird in der Regel den Sachsen zugewiesen. Die sich unterscheidenden regional eingeschränkten Keramikformen den jeweiligen Teilvölkern wie den Angeln und Jüten und deren Siedlungsräume zuzuweisen, ist nur bedingt möglich. Nachweisbar ist aber ein reger Austausch und enge Beziehungen mit dem Festland anhand der Gefässformen in Ostengland und aus dem Elbe-Weser-Gebiet des 5. Jahrhunderts. Anglische Formen finden sich hingegen im nordöstlichen England.

Die an den Keramiken erkennbaren regionalen Unterschiede setzten sich in der Kleidung und kunsthandwerklichem Schmuck fort, besonders die deutliche Stilisierung der Kleidung als Tracht durch die unterschiedliche Verwendung und Anzahl der verwendeten Fibeln. Im nördlichen anglischen Bereich wurde eine „Drei-Fibel-Tracht“ getragen, gegenüber einer „Zwei-Fibel-Tracht“ im südlichen sächsischen Siedlungsgebiet. Die daraus abgeleitete Grenze, die sogenannte Anglo-Saxon-Line, die grob zwischen Angeln und Sachsen trennte, ist erst nach den Phasen der Landnahme anzusetzen. Erst die spätere kontrollierte Einnahme der Ländereien führte zu einer deutlich erkennbaren Trennung zwischen mehrheitlich sächsisch oder anglisch besiedelten Regionen.

Die Toten wurden im sächsischen Raum wie auf dem Festland unverbrannt in ihrer Tracht beigesetzt. In den anglischen Siedlungsräumen und auch in Wessex wurde teilweise die Totenverbrennung durchgeführt, und in Kent wurden die Toten in Hügelgräbern beigesetzt.

Wikingerzeit

Gebiet des Danelag um 878.
England_878.svg: Hel-hama derivative work: Furfur, England 878 de, CC BY-SA 3.0

Zu Beginn des 9. Jahrhunderts nahmen die gewaltsamen Einfälle und Raubzüge der Wikinger zu, die Epoche der Wikingerzeit in den angelsächsischen Reichen begann. Zunächst gelangen den Angelsachsen durchaus auch einige Abwehrerfolge, bevor die Intensität der Angriffe zunahm. Besonders verheerend waren die Folgen des großen Wikingereinfalls von 866 (Großes Heidnisches Heer). Im Norden Englands etablierten sich die Dänen im Danelag. Die angelsächsische Sprache wurde deshalb auch durch das Dänische beeinflusst.

Alfred der Große konnte die Wikinger 878 zwar zurückschlagen und weite Teile des angelsächsischen Englands vereinen, die Wikingergefahr blieb aber auch in der Folgezeit bestehen. Dennoch stellt Alfreds Regierungszeit einen Höhepunkt der angelsächsischen Geschichte dar, in der es auch zu einer kulturellen Neuentfaltung kam. Die folgenden angelsächsischen Könige Englands mussten sich aber wieder mit äußeren Bedrohungen und inneren Konflikten beschäftigen. Im frühen 11. Jahrhundert beherrschte Knut der Große ein Nordseereich, zu dem auch England gehörte, wenngleich Knuts Reich mit seinem Tod wieder zerfiel. Im Jahre 1066 wurde das Gebiet der Angelsachsen von den Normannen erobert. Gleichwohl hielten sich angelsächsische Kultur und Sprache noch längere Zeit, bis eine Vermischung mit der französischen Sprache der Normannen eintrat. Ein Beispiel für die Auseinandersetzung zwischen Angelsachsen und Normannen ist die Legendenfigur Robin Hood, der die Angelsachsen im Widerstand gegen die Normannenherrschaft symbolisierte.

Kultur der Angelsachsen

Die Kulturfrage der Angelsachsen ist untrennbar verbunden mit der Entstehung des frühen, christlichen Englands. Durch den Primat des Christentums wurde die Staatsorganisation nach römischem Vorbild vom Adel, wie vergleichbar zuvor bei den merowingischen Franken, angenommen; ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Baustein für die angelsächsischen Kleinkönigreiche. Das aufblühende klerikale Schrifttum (für das 8. Jahrhundert besonders hervorzuheben sind die umfassenden Werke des gelehrten Geistlichen Beda Venerabilis), die Mission, die auch immer staatspolitische Berührungen und daher streckenweise symbiotische Züge aufwies, bildet den Abschluss der heidnischen angelsächsischen Zeit der Besiedlung und Konsolidierung und begleitet und fördert die Bildung dessen, was als englisch identifiziert und verstanden wurde.

Waren die ersten germanischen Übersiedler nach den Föderaten in ihrer Kultur nicht zu unterscheiden von den kontinentalen Stammesmitgliedern, so setzte gerade die Konsolidierung des 6.–7. Jahrhunderts im Gleichklang mit der iro-keltischen christlichen Mission die Schritte der kulturellen Entfremdung hin zur eigenständigen christlichen Kultur germanischer Prägung. Zur selben Zeit, als die Inselangeln- und -sachsen neue Wege beschritten, verblieben die kontinentalen Verwandten in ihrem tradierten und gewohnten Kultus. Die eintretende Entfremdung war die natürliche Folge. An den Keramikfunden des 6. Jahrhunderts wird deutlich, wie sich mit der Form, insbesondere die sich verändernde Ornamentik bis zum Verlust sämtlicher Verzierungen bei Funden in Kent, die Menschen wandelten. Die sakrale Architektur und Formgebung, die bildlichen Darstellungen prägten und formten die Vorstellungen und den Sinn der Menschen für die Beherrschung der neuen christlichen Form mit dem unverkennbaren germanischen Erbe. Hinzu kommt der starke monastische Einfluss aus den Klöstern heraus auf die Alltagskultur der ländlichen Bevölkerung, beispielsweise in der qualitativen Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbautechniken.

Das Runenalphabet, mit dem angelsächsisch geschrieben wurde, bevor die lateinische Schrift eingeführt wurde.

Sprache und Schrift

Das Neuenglische gehört zum anglo-friesischen Zweig der westgermanischen Sprachgruppe. Die drei ethnischen Hauptteile der Angelsachsen sind sprachlich deshalb eng verwandt, da sie der kontinentalgermanischen ingväonischen Kultgruppe angehörten oder entstammten.

Altenglisch, das dem Altsächsischen ähnlich ist, stellt demnach eine wesentliche Wurzel der englischen Sprache dar. Noch heute, trotz 1500-jähriger unterschiedlicher Entwicklung, sind Gemeinsamkeiten zwischen dem Englischen und dem Niederdeutschen zu erkennen, das sich aus dem Altsächsischen entwickelt hat.

Religiöse Bekenntnisse

Heidnische Religion

Die heidnische Periode der Germanen in Britannien dauerte etwa 150 Jahre (ab Mitte des 5. Jahrhunderts betrachtet). Im Wesentlichen führten die ersten Siedler ihren gewohnten religiösen Ritus wie in der alten Heimat fort. Der Ortsnamenforschung zufolge wurden als Hauptgottheiten dieselben verehrt, wie sie für die kontinentalen Sachsen (niedergermanische Stämme) im sächsischen Taufgelöbnis der karolingischen Zeit aufgezählt wurden; Tíw, Þunor und Wóden. Ebenfalls wurde der Kult und die Verehrung von Muttergottheiten, vergleichbar den Matronen der römischen Niederrhein-Region, praktiziert. Kultisch-magische Orte wie Quellen, markante Steine/Felsen und Bäume wurden für öffentliche wie private Opferriten genutzt und Orte mit ehemaliger keltischer Nutzung übernommen. In Verbindung mit dem religiös-kultischen Ritus stehen auch die Vorstellungen von Dämonen/Geisterglauben, Wesen der niederen Mythologie wie Feen, Riesen und anderen. Fragmente beziehungsweise nur spärliche Hinweise aus späterer christlicher Dichtung lassen Rückschlüsse auf die örtlichen heidnischen Vorstellungen zu.

Mythische Sagen als solche sind nicht überliefert, abgesehen vom Epos Beowulf, und sind, wenn es sie gegeben hat, verlorengegangen. Lediglich die Abstammungssage (siehe Origo gentis) der Angelsachsen ist durch Beda erhalten. Er berichtet, dass die Sachsen vom britischen König Vortigern gerufen worden und mit drei Schiffen unter dem mythischen Brüderpaar Hengest und Horsa an der Küste Britanniens anlandeten. Diese Art von Herkunftssagen sind auch bei den Goten oder Langobarden verbreitet, Tacitus berichtete in der Germania (Kap. 2) von der mythischen Abstammung der Germanen.

Christianisierung

Die Christianisierung begann um 597 mit der Entsendung von 40 Missionaren durch Papst Gregor den Großen und dem Ausbau respektive der Reorganisation der englischen Kirche durch Erzbischof Theodor von Canterbury, welche Ende des 7. Jahrhunderts – im Gegensatz zum Festland – weitgehend abgeschlossen war. Sie bildet den eigentlichen Abschluss der angelsächsischen Phase in Bezug auf die kontinentale und pagane Herkunft in Verbindung mit dem Entstehen der frühenglischen Gesellschaft beziehungsweise einer beginnenden englischen Identität. Die diesbezüglich bei weitem wichtigste Quelle ist Bedas umfassende Historia ecclesiastica gentis Anglorum. Die Angelsachsen hatten zuvor mehrere Königreiche gebildet (Heptarchie). Die Hinwendung zum Christentum war wie anderen Ortes im germanischen Kulturraum auch und immer eine Frage der machtpolitischen Opportunität der herrschenden angelsächsischen Adelsschicht. Im Volk erhielten sich die heidnischen Brauchtümer und wurden von klerikaler Seite aus geduldet und teilweise bei empfundener Kompatibilität im kirchlichen Kultus übernommen. Wie überall im germanischen Kontext wurden ebenfalls ehemalig pagane Kultorte in christliche umgewandelt durch die Errichtung von Kapellen und die organisatorische Einsetzung von Kirchspielen um diese Orte.

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Raubzüge der Wikinger in das Rheinland

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Raubzug der Wikinger

Die Raubzüge der Wikinger in das Rheinland waren ein Teil der Einfälle der Wikinger in das Frankenreich und fanden in den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts statt. Vom Rheinland aus, das als die Keimzelle der fränkischen Kultur angesehen werden kann, hatten die Franken zuvor fast das ganze Zentraleuropa erobert und ein Großreich errichtet.

Übersichtskarte der Wikingerraubzüge in den Rheinlanden. Karte: NordNordWest, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de, Karte Wikinger-Raubzüge im Rheinland, CC BY-SA 3.0 DE

Die Wikinger plünderten bei diesen Raubzügen u.a. die alten Römerstädte Köln, Bonn, Xanten, Trier und auch die Kaiserstadt Aachen, in der Karl der Große begraben worden ist und auf dessen Thron im Aachener Dom die fränkischen Könige gekrönt worden sind. Neben diesen Städten wurden auch zahlreiche Klöster zerstört, der Verlust von ganzen Bibliotheken war zu beklagen, in denen Schriftsammlungen aus mehreren Jahrhunderten aufbewahrt worden waren. Dadurch wurde die fränkische Kultur in ihrer Substanz erschüttert.

Das Rheinland

Mit Rheinland bezeichnet man nicht genauer definierte Gebiete am Mittel- und Niederrhein. Es wird erst ab 1798 als solches bezeichnet, als französische Revolutionstruppen dieses Gebiet besetzten. Zuvor war diese Region zumeist Städten oder Grafschaften namentlich zugeordnet worden (Beispiel Gelderland, Klever Land).

Die fränkischen Reiche nach dem Vertrag von Meersen 870 – das Rheinland lag in Lothringen (gelb).

Das heute als Rheinland bezeichnete Gebiet beginnt etwa beim Moseleinfluss in den Rhein und endet bei Emmerich, wo sich der Rhein in den Lek und die Waal zu einem Delta aufspaltet. Im Osten endet das Rheinland unmittelbar in Rheinnähe, es wird begrenzt durch Mittelgebirge wie das Siebengebirge oder das Bergische Land. Nach Westen verläuft die Grenze ungeklärt, im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich die heutige Grenzlinie zu den Niederlanden eingebürgert, also östlich der Maas. Da südlich der Mosel das heutige Bundesland Rheinland-Pfalz liegt, wird das nördlich an die Mosel angrenzende Mittelgebirge Eifel zumeist als zugehörig zum Rheinland benannt. Südlich der Mosel gelegene Gebiete wie der Hunsrück werden ebenfalls als dem Rheinland zugehörig betrachtet.

Das Rheinland in der Karolingerzeit

Das Kernland der Karolinger lag zum größten Teil in Gebieten, die zum Rheinland gehören. Daraus resultiert, dass wichtige Orte der karolingischen Kultur im Rheinland liegen. Zu nennen sind vor allem die Stadt Aachen, in der Karl der Große seine Kaiserpfalz errichten ließ, aber auch die Benediktiner-Abtei in Prüm. Letztere vor allem wegen ihres Scriptoriums mit angeschlossener Bibliothek. Auch die alten Römerstädte Trier, Köln, Xanten und Bonn lagen im Rheinland und wurden von den Franken als Handelszentren und Bischofssitze genutzt. Das fränkische Reich teilte sich 843 in drei Königreiche auf. Die meisten Gebiete des Rheinlandes fielen in das Herrschaftsgebiet Lothars I., das Lothringen genannt worden ist. Es handelte sich hierbei um ein Mittelreich, das von der Nordsee bis zum Mittelmeer verlief, Ost- und Westfranken hatten keine Grenzberührung. Nach dieser Reichsteilung kam es in fast allen Gebieten des ehemaligen Großreiches zu Machtkämpfen mit bürgerkriegsähnlicher Struktur, betroffen war auch das Rheinland. Als Lothar I. 855 ohne Thronerben verstarb, intensivierten sich die Machtkämpfe. Im Vertrag von Meersen wurde das Rheinland 870 dem Ostfrankenreich zugewiesen. Zehn Jahre später wurden beim Vertrag von Ribemont die Grenzverläufe noch einmal präziser festgelegt. Nebenstehende Karte zeigt das Ergebnis.

Wikinger und Franken

Nach der Niederwerfung der Sachsen (772–804) dehnte sich das Reich Karls des Großen bis zur Elbmündung und darüber hinausgehend aus. Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden die ersten Kontakte zu den Wikingern, die wie die Sachsen ein Götterpantheon anbeteten, stattgefunden haben.

Die Kontakte waren oft kriegerischer Natur, betroffen waren die friesischen Inseln aber auch das friesische Festland. Zur Abwehr der Angriffe richtete Karl der Große an der Nordgrenze seines Reiches eine Mark ein, der Name des heutigen Staates Dänemark leitet sich davon ab. Trotz der kriegsähnlichen Zustände an der Nordgrenze verdingten sich manche Wikinger bei fränkischen Feldzügen als Söldner. Taufen ließen sich nur sehr wenige, denn die Religion der Wikinger enthielt, anders als das Christentum, einen Ehrenkodex für Krieger:

Der Sage zufolge bereitete sich der Kriegsgott Odin, aus dem Göttergeschlecht der Asen auf den Kampf um die Welt und deren Fortbestehen vor. Er entsandte seine Botinnen, die Walküren, um nur die tapfersten, in einer Schlacht gefallenen Krieger, nach Walhall zu geleiten. Die dort versammelten Krieger, Einherjer genannt, übten sich tagsüber in der Kriegskunst. Abends, nachdem ihre Wunden geheilt waren, zog das Totenheer zusammen in Odins Halle ein, wo sie stets ein gefülltes Trinkhorn und eine gute Mahlzeit erwartete. Aus diesem Grund kämpften Wikinger bisweilen sehr todesmutig.

Einer der ersten Wikingerkönige, der sich taufen ließ, war Harald Klak, der 826 n. Chr. in Ingelheim am Rhein ein Vasall König Ludwigs wurde und sich mit seiner Frau und seinem Sohn in Mainz taufen ließ.

In dieser Zeit drangen kriegerische Wikinger mit ihren Schiffen über Flusssysteme, die in die Nordsee und den Atlantik mündeten, in das Frankenreich vor. Betroffen von solchen Beutezügen waren vor allem Gebiete an der Seine, die Niederlande und Belgien. Zuvor gingen die Wikinger in England (Lindisfarne, 793) und in Irland (Dublin, 795) auf Raubfahrt. 820 wird der erste Großangriff von Wikingern im Frankenreich verzeichnet, betroffen war die Region der Seinemündung, zeitgleich fielen vermutlich andere Wikinger in Flandern ein. 845 wurde Paris zum ersten Mal mit ungefähr 700 Langschiffen über die Seine angegriffen. Die Pariser erkauften sich mit 7000 Pfund Silber den Abzug der Belagerer. Bis zum Jahr 926 sind dreizehn solcher Zahlungen im Frankenreich belegt. Auch der Elbmündungsraum und das damals schon befestigte Hamburg wurde 845 von dänischen Kriegern heimgesucht.

Anfangs erfolgten die Angriffe überfallartig, und die Wikinger zogen sich nach erfolgreichen Raubzügen in ihre Heimat zurück. In den 860er-Jahren wechselten sie ihre Vorgehensweise und gründeten feste Standorte im Frankenreich, von wo aus sie ihre Raubzüge koordinierten, und überwinterten bisweilen auch in ihren befestigten Heerlagern. Die Rheinlande und somit das Kernland des Frankenreiches waren zu der Zeit davon nur selten betroffen.

Die Wikinger bildeten keine geschlossene Einheit, sie waren ein kriegerisches Volk, Kleinkriege zwischen Wikingerstämmen waren häufig, vereinten Großangriffen gingen grundsätzlich zielgerichtete diplomatische Verhandlungen voraus. Da die Wikinger sich aus den besetzten Gebieten nur unter hohen Verlusten vertreiben ließen, wurde gelegentlich versucht, ihre Anführer durch reichhaltige Geschenke und eine Lehensvergabe in das Reich einzubinden. In der Regel mussten sich diese Wikingerführer zuvor taufen lassen, da das fränkische Reich vom fränkischen Adel als von Gott gegeben betrachtet wurde und es daher keine Throne für hochadelige Ungläubige gab.

Die Raubzüge in das Rheinland 862 und 864

Zwischen 834 und 863 verwüsteten die Wikinger achtmal den am Lek gelegenen Handelsknotenpunkt Dorestad, der mit dem dänischen Haithabu konkurrierte. 862 ruderten Wikinger zum ersten Mal in kriegerischer Absicht den Rhein herauf und plünderten Köln. 863 eroberten die Nordmänner Utrecht und Nimwegen und errichteten in beiden Städten feste Winterlager, Dorestad wurde bei dem Feldzug restlos zerstört. 864 traten sie von dort zu einem zweiten Kriegszug in die niederrheinischen Lande an und überfielen und plünderten die von den Römern gegründete Stadt Xanten.

Handel und Schifffahrt auf dem Rhein zwischen 864 und 881

Die Franken waren keine echten Seefahrer, es gab zwar Schiffstypen (Utrechter Schiff) die bei gutem Wetter dazu geeignet waren, Küstenschifffahrt zu betreiben, da es bislang keine Wrackfunde in der Nordsee gibt, wird die Küstenschifffahrt, wenn überhaupt, nur selten betrieben worden sein. Es gab unterschiedliche Bautypen für Boote. Entweder wurden mächtige Bäume ausgehöhlt oder floßähnliche Kähne zusammen gezimmert. Beide Bootstypen waren schlecht zu manövrieren und wurden zum Transport von schweren Waren wie Steinen eingesetzt. Als Steinbrüche dienten oft ruinöse Bauten der Römer in Rheinnähe, aber es gab auch Steinbrüche in den angrenzenden Mittelgebirgen. Rheinabwärts trieben diese Boote mit der Strömung, stromaufwärts wurden die Kähne von Pferden oder Ochsen gezogen (treideln genannt).

Rekonstruiertes Wikingerschiff Havhingsten fra Glendalough der Mitte des 11. Jahrhunderts. Smudge 9000, Sea Stallion lowering sail, crop, CC BY 2.0

Das Hauptbaumaterial im fränkischen Reich war Holz, geschlagene Stämme wurden zusammen gebunden und flussabwärts zu den Handelsmärkten geflößt, auch andere Handelswaren und Reisende wurden auf den, teilweise sehr langen und breiten Flößen transportiert.

Als die Wikinger sich an den Ufern des Rheindeltas ansiedelten, hatten sie als Händler einen Wettbewerbsvorteil, denn dank ihrer herausragenden Schiffbautechnik konnten auch starke Strömungen wie die des Rheins überwunden werden, so waren sie in der Lage Güter schnell zu verschiffen. Dadurch blühte in der Zeit der Handel im Rheinland auf. Da die Wikinger zur gleichen Zeit auch in Irland, England und Russland siedelten, erweiterte sich das Handelsgut um Produkte aus den und darüber hinaus noch weit entfernteren Regionen.

Raubzüge im Winter 881/882

Die Lage änderte sich, als das so genannte Große Heidnische Heer 878 bei Edington im Südwesten Englands durch die Truppen König Alfreds des Großen (Regierungszeit 871-899) eine empfindliche Niederlage erlitten hatte. Die besiegten Wikinger setzten sich daraufhin nach Kontinentaleuropa ab und verlegten ihre Raubzüge in die Küstenregion des Ärmelkanals, Nordfrankreich und Flandern. Am 3. August 881 siegte auch der westfränkische König Ludwig III. mit seinem Heer über die Normannen bei Saucourt-en-Vimeu in Zentralfrankreich.

Die Wikinger wendeten ihre Angriffslust daraufhin ostwärts Richtung Rheinlande. Karl III. hielt sich zu dieser Zeit wegen seiner Kaiserkrönung in Italien auf, die am 12. Februar 881 in Rom erfolgte. Zur Feierlichkeit wurde er von zahlreichen Panzerreitern begleitet, und so standen viele der wehrhaftesten Krieger zur Verteidigung der Heimat im Winter 881 nicht zur Verfügung.

Trotz der Invasion des Großen Heeres 878 in Westfranken sind im ostfränkischen Rheinland anscheinend keinerlei Verteidigungsmaßnahmen ergriffen worden, denn die Mauern einzelner Städte wurden erst verstärkt, als die Wikinger fast schon vor den Toren standen. Dadurch und wegen der Kaiserkrönung Karls III. in Rom war die rheinische Bevölkerung dem Wikingerangriff nahezu schutzlos ausgeliefert und Flucht die beste Alternative, die Lebens- und Güterrettung versprach. So wurden den Wikingern oftmals ganze Ortschaften und Klöster kampflos überlassen.

Die Überfälle im Rhein-Maasgebiet

Ende des Jahres 881 brachen Wikinger, die in Flandern überwinterten, zu einem Kriegszug in benachbarte Ländereien auf. Sie überfielen zahlreiche Ortschaften in der Umgebung der Maas und brannten die Städte Lüttich, Maastricht und Tongern bis auf die Grundmauern nieder.

Im Dezember 881 fuhren Wikinger dieser Gruppe auf mindestens drei Schiffen unter ihrem Anführer Gottfried (bzw. Godefried) den Rhein stromaufwärts. Dabei plünderten sie Ortschaften und auch Städte oder erpressten von deren Einwohnern Geld (Brandschatzung).

Besonders getroffen wurden die Städte Köln, Bonn, Neuss, Jülich und Andernach. Köln zahlte bei ihrem ersten Besuch im Januar 882 nach zähen Verhandlungen für deren Abzug einen hohen Geldbetrag in Silber (vgl. auch Danegeld). Auf ihrer Rückreise forderte die gleiche Gruppe erneut die Zahlung eines Geldbetrages, den die ausgepressten Kölner aber nicht mehr aufbringen konnten. Die Stadt wurde daraufhin niedergebrannt.

Die vermutlich aus Dänemark stammenden Nordmänner führten auf ihren Wikingerschiffen womöglich auch Pferde mit. Jedenfalls waren sie sehr beweglich, wobei sie auf die alten Römerstraßen des linksrheinischen Rheinlandes zurückgreifen konnten. Die Wikinger wandten sich diesem Straßensystem folgend westwärts und zogen plündernd über Zülpich nach Aachen.

Die Überfälle auf die kulturellen Zentren im Raum Aachen

Als sie die Kaiserstadt erstürmt hatten, funktionierten die Eroberer, vermutlich mit strategisch auf Erniedrigung ausgerichtetem Kalkül, die Aachener Marienkirche (heute Dom), die Grabstätte Karls des Großen, zu Pferdeställen um. Nach diesen Schändungen setzten sie die kaiserliche Pfalz und die Thermen in Brand. Ende Dezember 881 plünderten sie das unweit Aachens gelegene Kloster Kornelimünster sowie die Klöster Stablo und Malmedy in den Ardennen.

Der erste Überfall auf die Abtei Prüm

Am 6. Januar 882, dem Dreikönigstag, griff eine Abteilung Wikinger, die den Angaben nach etwa 300 Krieger umfasste, die größte fränkische Abtei Prüm in der Eifel an. In der Kirche der Abtei lag Kaiser Lothar I. begraben, der hier im Jahr 855 gestorben war. An das Kloster war ein Hospital angeschlossen sowie eine bedeutende Klosterschule, in der der Nachwuchs des fränkischen Hochadels erzogen wurde. Die Abtei beherbergte zudem eine der umfangreichsten Bibliotheken des Reiches mit dazugehörigem Scriptorium. Neben Aachen war Prüm das kulturelle Zentrum des fränkischen Reiches. Das Kloster hatte umfangreiche Besitzungen, über hundert Kirchen standen unter seiner Verwaltung, der Landbesitz erstreckte sich bis weit in die Niederlande, auch die Wälder entlang der Mosel gehörten dem Kloster.

Eine Schar von Bauern aus der Umgebung stellte sich den Angreifern entgegen und wurde restlos aufgerieben. Daraufhin steckten die Wikinger alle Gebäude des Klosters in Brand. Die Abtei brannte bis auf die Grundmauern ab, da niemand mehr lebte, der das Feuer hätte bekämpfen können (Regino von Prüm, 882). Zu den größten Schätzen des Klosters gehörte eine der kostbarsten Reliquien des christlichen Abendlandes, die Sandalen Christi, die vor dem Ansturm der Wikinger rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten. Von der zuvor von Chronisten oft gelobten Handschriftensammlung konnte hingegen nur etwa ein Zehntel des Bestandes vor den anrückenden Wikingern abtransportiert werden, der gesamte Rest wurde Opfer der Flammen.

Der Moselraubzug 882

Der ostfränkische König Ludwig III. stellte ein Heer auf und eilte den Rheinländern zur Hilfe. Am 20. Januar verstarb der König unerwartet in Frankfurt am Main, woraufhin das von ihm gegen die Wikinger angeführte Heer sich auflöste. Die Wikinger zogen daraufhin weiter rheinaufwärts. Im Laufe des Februar und März 882 gelangten sie raubend und mordend bis nach Koblenz, das sich dank der guten, noch aus der Römerzeit stammenden Wehranlagen widersetzen konnte. Die vor den Mauern befindlichen Stadtteile wurden aber verwüstet. Zeitgleich wurden in Mainz in aller Eile die verfallenen römischen Mauern wieder befestigt und die Mainzer Bürger begannen auch damit, einen Graben um die Stadt zu ziehen. Die Wikinger zogen aber von Koblenz nicht Richtung Mainz, sondern wendeten sich moselaufwärts und erreichten in der Osterwoche das Trierer Umland.

Stadttor Porta Nigra in Trier. Trotz der römischen Wehranlagen wurde Trier zweimal von den Wikingern erobert.

In der Karwoche 882 überfielen und zerstörten die nordischen Krieger die extra muros Triers gelegenen Klöster, Kirchen und Gehöfte. So wurden die nördlich der antiken Stadtmauer gelegenen Klöster St. Maximin, St. Martin und St. Symphorian zerstört, wobei letzteres später niemals wieder aufgebaut wurde. Das Kloster St. Paulin blieb dagegen verschont.

Am Gründonnerstag, dem 5. April 882, nahmen sie die Stadt selbst ein. Nach einigen Tagen der Ruhe plünderten die Wikinger Trier am Ostersonntag. Unter anderem wurde der Trierer Dom in Mitleidenschaft gezogen. Regino von Prüm berichtet von zahlreichen Opfern unter der Bevölkerung, Erzbischof Bertolf von Trier war jedoch mit wenigen Gefolgsleuten die Flucht nach Metz gelungen. Danach zog ein Teil der Wikinger mit der Beute moselabwärts in Richtung Koblenz, während der Rest in Richtung Metz zog.

Die auf Metz vorrückenden Wikinger wurden am 11. April 882 in der Schlacht bei Remich von einem Heer unter der Führung des Metzer Bischofs Wala, des Trierer Erzbischofs Bertolf und des Grafen Adalhard II. von Metz gestellt. Diese Schlacht gewannen wieder die Wikinger, neben zahlreichen Panzerreitern und Bauern fiel auch Bischof Wala auf dem Schlachtfeld. Der heftige Widerstand mit den einhergehenden eigenen Verlusten bewegte die Wikinger aber zur Umkehr, und sie zogen durch die Eifel nordwärts in Richtung ihres Heereslagers.

Waffenstillstand von Ascloha im Frühjahr 882

Nach seiner Rückkehr aus Italien hielt Kaiser Karl III. im Mai 882 in Worms einen Reichstag ab und brachte dabei ein großes Heer zusammen, in dem Franken, Baiern, Schwaben, Thüringer, Sachsen, Friesen und Langobarden vertreten waren. Das Heer zog vor das befestigte Wikingerlager, das in einer Quelle Ascloha (Asselt) benannt wird (Annales Fuldenses 882). In einer anderen zeitgenössische Quelle wird dagegen als Verhandlungsort Haslon genannt, das oft mit Elsloo an der Maas gleichgesetzt wird (Regino von Prüm, Chronica 882, namentlich erwähnt im Eintrag zum Jahr 881).

Karl III. belagerte mit seinem Heer die Normannen aus sicherer Entfernung und nahm nach zwölf Tagen Verhandlungen mit den Belagerten auf. Das Ergebnis der Verhandlungen war ein mit Kirchengut erkaufter Abzug der Eindringlinge. Unter der Bedingung, dass der Wikingeranführer Gottfried sich taufen ließ, wurde ihm zudem Friesland (Niederlande) als Lehen übertragen. Der Friedensschluss wurde zusätzlich durch eine Hochzeit mit einer fränkischen Prinzessin besiegelt. Die Prinzessin namens Gisla (Gisela) soll eine Tochter des Königs Lothar II. gewesen sein. Die unter der Führung von Sigfrid in Ascloha zurück gebliebenen Wikinger wurden zunächst durch beträchtliche Geldzahlungen von weiteren Raubüberfällen abgehalten.

Raubzug im Sommer 882

Schon im Sommer 882 kehrte Gottfried mit einem aus der Heimat verstärkten Heer zu einem zweiten Raubzug in das Rheinland zurück und verwüstete Köln, Bonn und Andernach. In der Umgebung von Andernach wurden zahlreiche Kirchen und Klöster geplündert und in Brand gesteckt.

Auch das an der IJssel gelegene Zutphen und der nahegelegene Handelsplatz Deventer wurden während dieses Feldzuges gebrandschatzt. Vor Mainz wurden die Wikinger von einem Heer unter Führung von Graf Heinrich von Babenberg und des Mainzer Erzbischof Liutbert (Episkopat 863-889) zurückgeschlagen, vermutlich brandschatzten sie erst anschließend Köln.

Raubzug im Herbst 883

Die Nachricht von Gottfrieds Erfolgen im Rheinland und der errungenen Herrschaft in Friesland lockte weitere Wikinger aus Dänemark an. Im Herbst 883 landeten sie in Friesland, ruderten mit Gottfrieds Einverständnis den Rhein hinauf und bezogen ein festes Lager bei Duisburg. Sie verwüsteten erneut zahlreiche Ortschaften, die gerade erst wieder errichtet worden waren. Die Kölner hatten zuerst ihre Mauern verstärkt und blieben deshalb diesmal verschont. Als die Wikinger vorbeizogen, waren Kölns Kirchen und Klöster aber immer noch Brandruinen.

Die Wikinger zogen sich in dem Jahr vom Mittelrhein zurück und siedelten sich dauerhaft am Niederrhein an. Sie besetzten Xanten sowie Duisburg und unternahmen von dort aus kleinere Raubzüge in die Umgebung, betroffen war vor allem die Xantener Umgebung und das Ruhrgebiet.

Fränkischer Feldzug gegen die Wikinger 884

884 gelang einem Truppenverband unter der Führung des Grafen Heinrich von Babenberg die Rückeroberung Duisburgs, aus den restlichen niederrheinischen Gebieten zogen sich die Wikinger gegen Zahlungen zurück.

Die Verschwörung Hugos mit den Wikingern im Jahr 885

Zu Anfang des Jahres 885 entschloss sich Hugo, der einzige Sohn König Lothars II. von Lotharingien aus dessen kirchlich nicht anerkannter zweiter Ehe mit Waldrada, das Reich seines Vaters mit Hilfe seines Schwagers Gottfried wiederzugewinnen. Heimlich forderte er Gottfried auf, sein Heer mit weiteren Wikingern aus Dänemark zu verstärken, und versprach ihm im Falle des Sieges die Hälfte des gewonnenen Landes. Gottfried wartete jedoch nicht ab und schickte, während zahlreiche Wikinger an der Rheinmündung zusammenströmten, die friesischen Grafen Gerulf und Gardulf als Gesandte zu Kaiser Karl III. Er forderte als Entlohnung für seine Treue und den Schutz der Grenzen Koblenz, Andernach und Sinzig sowie weitere Krongüter mit Weinanbau am Mittelrhein.

Karl III. erfuhr von den Plänen der Verschwörer, möglicherweise durch den Grafen Gerulf. Auf den Rat Heinrich von Babenbergs entschloss er sich, die Wikinger in einen Hinterhalt zu locken, und schickte die Gesandten mit der Nachricht zurück, er werde selbst einen Boten mit einer angemessenen Antwort auf Gottfrieds Forderungen nach Friesland entsenden.

Heinrich von Babenberg ließ zunächst seine Gefolgsleute heimlich und in kleinen Gruppen durch Sachsen an den von ihm bestimmten Treffpunkt in Friesland ziehen. Er selbst reiste nach Köln zu Erzbischof Willibert, der ihn auf seiner Reise rheinabwärts begleitete. Im Laufe des Mai 885 kamen sie in der Betuwe, einer von den beiden Armen des Rheins umflossenen Landschaft in Friesland, an. Gottfried zog den Franken entgegen und sie trafen in Herwen zusammen.

Während der Verhandlungen veranlasste Heinrich den Erzbischof, Gottfrieds Ehefrau Gisela unter einem Vorwand in das Lager der Franken zu rufen, um sie so der drohenden Rache der Wikinger zu entziehen. Heinrich selbst verhandelte inzwischen in der Sache des sächsischen Grafen Eberhard, dessen Besitzungen von Gottfried geplündert worden waren. Als es zu einem Streit kam, wurde Gottfried von Eberhard niedergestoßen und von Heinrichs Gefolge ermordet. Anschließend wurden alle anderen Wikinger, die sich in der Betuwe befanden, darunter auch ihr Anführer Sigfried, getötet. Wenige Tage später wurde auch Hugo nach Gondreville gelockt, dort gefangengenommen, geblendet und in die Abtei Prüm gebracht, wo er sein restliches Leben verbrachte.

Heinrich von Babenberg geriet während der Belagerung von Paris im Jahr 886 bei einem Ausritt in der Nähe der Stadt in eine von Wikingern gestellte Fallgrube und wurde dort von seinen Feinden erschlagen.

Nach Gottfrieds und Sigfrieds Tod blieben die Rheinlande für einige Jahre von Einfällen der Wikinger verschont.

Raubzug im Frühjahr 892

Im Jahr 891 erlitten die Wikinger gegen den Ostfrankenkönig und späteren Kaiser Arnulf von Kärnten bei Löwen in Belgien eine empfindliche Niederlage und die Besiegten mussten sich aus Brabant komplett zurückziehen. Als sich die versprengten Wikinger südlich der Maas wieder gesammelt hatten, unternahmen sie 892 einen Feldzug ins Moseltal.

Im Februar 892 erreichten sie Trier und plünderten die alte Römerstadt erneut. Anschließend zogen sie flussabwärts und dann den Rhein hinab bis nach Bonn. Bei Lannesdorf trat ihnen ein zahlenmäßig überlegenes Aufgebot der örtlichen Bevölkerung entgegen. Durch die verheerende Niederlage bei Löwen war die Kampfmoral der Wikinger angesichts einer Übermacht nicht ausgeprägt, so scheuten sie den Kampf und zogen im Eilmarsch westwärts durch die Eifel bis zum Kloster Prüm. Wie zehn Jahre zuvor verwüsteten sie Kloster und Ortschaft, töteten und verschleppten zahlreiche Einwohner, nur der Abt des Klosters und einige Mönche konnten fliehen (aus der Chronik des Regino von Prüm, ad a. 892).

Die Kampfkraft der Wikinger war aber nach der Schlacht von Löwen dauerhaft geschwächt. Sie zogen sich in dänisch besetzte Gebiete in Britannien (Danelag) zurück und unternahmen von dort nur noch gelegentliche Raubzüge, die aber ausschließlich die europäischen Küsten betrafen – in das Kernland des Frankenreiches drangen sie nicht mehr vor.

Details zu den Raubzügen der Wikinger in den Rheinlanden

Kleidung, Bewaffnung und Kampfweise der Wikinger

Die Wikinger hatten eine Vorliebe für bunte Kleidung gehabt, die Stoffe hierfür erwarben sie sich hauptsächlich während ihrer Raubzüge, aber auch als Handelsware kamen diese Stoffe in deren nordische Heimat. Männer trugen eine gegürtete Tunika, darunter eine Wollhose. Gegen Wind und Wetter schützten ein Umhängemantel und eine Kappe. Wohlhabende Wikinger besäumten ihre Kleidung mit bunten Borten oder auch Pelzen. Die Frauen trugen lange Kleider, je nach Stand mehr oder weniger reichhaltig mit Schmuckstücken besetzt, Silberschmuck wurde bevorzugt.

Die Lebenserwartung der Wikingerkrieger war nicht sehr hoch, schwere Verwundungen verliefen in der Regel durch Infektionen tödlich. Der überwiegende Teil der Krieger wird zwischen 20 und 30 Jahre alt gewesen sein, aber auch Jugendliche beteiligten sich an den Raubzügen. Wikingerfrauen griffen nur zu den Waffen, wenn ihre Siedlungen angegriffen wurden.

Eisen war ein rares und teures Gut, daher verwendeten es die Wikinger bei der Herstellung ihrer Waffen sparsam und effektiv. Die meisten Wikinger kämpften aus diesem Grund mit Äxten oder Streitäxten. Die Axt war auch ein täglich genutztes Werkzeug und wurde daher fast ständig griffbereit am Gürtel getragen. Als Fernwaffen setzten die Wikinger meistens Pfeile und auch Speere ein. Seltener wurden Steinschleudern oder Wurfsteine im Fernkampf benutzt, letztere zuvorderst bei Kämpfen auf hoher See, zur Abwehr oder bei der Eroberung anderer Schiffe.

Schwerter waren beliebt aber selten und meistens nur in den Händen sehr reicher Wikinger. Als Rüstung dienten bunt bemalte Rundschilde und Helme, aber auch wattierte Rüstungen und Lederrüstungen wurden getragen. Bogenschützen trugen wegen der notwendigen Beweglichkeit gar keine Rüstungen und wurden, wenn diese in den Nahkampf gerieten, sehr schnell tödlich verwundet. In der Regel wurde in der Wikingerzeit ohne echte Schlachtordnung gekämpft, das heißt trafen Kampfbereite aufeinander, stürmten die Krieger planlos in die gegnerischen Reihen und fochten dann die Schlacht im Kampf Mann gegen Mann aus.

Kettenhemden oder Schuppenpanzer waren begehrte, sehr kostenintensive Handelsware. Nur wohlhabende Wikinger konnten sich diese leisten. Schwere Rüstungen und Schwerter waren daher erstrebenswertes Beutegut und das Fußvolk scheute sich deshalb nicht, fränkische Panzerreiter anzugreifen. Die Wikinger kämpften, anders als die Franken, zu Zeiten der rheinischen Feldzüge nicht von Pferden aus, sie nutzen diese nur zum Anritt und kämpften dann als Infanteristen. Meistens griffen die Wikinger auf ihren Raubzügen in kleineren Verbänden von maximal einigen hundert Kriegern an, es wird angenommen, da sich die Krieger von Raubgut ernährt haben, dass der Umfang des erwarteten Beutegutes die Truppengröße bestimmt hat.

Häufig erreichten die Wikinger die Örtlichkeiten, die sie überfallen wollten, auf Schiffen. Die Schiffe konnten dann auch als Fluchtmöglichkeit fungieren, falls sich Gegner als überlegen erwiesen. Diese Art der Kriegsführung war bis zur Wikingerzeit in Nordeuropa unbekannt, so waren die Hafenstädte in der Regel nur zur Landseite hin befestigt und die ersten Überfälle kamen für die Bevölkerung dieser Städte überraschend. Erst nachfolgend wurden auch die Häfen befestigt.

Viele der gefundenen Wikingerschwerter haben fränkische Klingen und nordische Griffe; ob sie erhandelt oder erbeutet worden sind, ist ungeklärt. Aber nicht nur die Franken konnten Langschwerter schmieden, es gibt auch von Wikingern gefertigte Schwerter. Hochwertigste Qualitätsschwerter sind mit dem Wort Ulfberht gezeichnet, es wird angenommen, dass es sich um den Namen eines Schmiedes oder einer Schmiede handelt, aber auch eine magische Bedeutung kann nicht ausgeschlossen werden. 40 so gezeichnete Schwerter wurden mittlerweile ausgegraben, die südlichsten Funde gab es auf dem Balkan.

Preisverhältnis von Waffen und Rüstung zu anderen Handelsgütern

Wikingerschatz von Harrogate. Yorker Münzen wurden auch in Zutphen gefunden und auf das Jahr 882 datiert. JMiall, Coins bullion york hoard, CC BY-SA 3.0
  • Ein Messer besaß den Gegenwert von 3 Gramm Silber, dafür hätte man 30 Hühner erstehen können.
  • Ein Kurzschwert oder Steigbügel wurden mit 126 Gramm Silber abgewogen, ein Preis, der für 42 kg Korn erzielt werden konnte.
  • Ein Schild und eine Lanze konnten für 137 Gramm Silber erworben werden, was dem Gegenwert von einer Kuh entsprach.
  • Einen Helm bekam man für 410 Gramm Silber, gleichen Wert hatten drei Ochsen.
  • Ein Langschwert mit Scheide kostete 478 Gramm Silber, worum man in Nord- und Westeuropa auch ein Pferd kaufen konnte.
  • Das begehrte Kettenhemd kostete 820 Gramm Silber, was dem Gegenwert von einer Sklavin und zwei Sklaven oder 28 Schweinen entsprach.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Raubzüge der Wikinger in das Rheinland aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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